Galopprennen:Tiefer Boden, breite Hüte

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Auf der Galopprennbahn in Riem wird der Dallmayr Cup ausgetragen. Ist es der 46. oder 47.? Das weiß niemand so genau. (Foto: Florian Peljak)

Beim Dallmayr-Cup geht es um schnelle Pferde, könnte man glauben. Er wirkt aber eher wie ein Sommer-Jahrmarkt, der ab und an von Spannungsmomenten unterbrochen wird.

Von Philipp Crone

Es bräuchte gar keine dramatische Musik am Sonntag um 11.19 Uhr auf der Galopprennbahn in Riem. Es wird gerade auch so ziemlich spannend. Die Sonne scheint, die Besucher strömen auf die Anlage, vorbei an den Foodtrucks, Spielstationen und Gastro-Pavillons, auf die Wiese und die Tribünen der Bahn. Das erste Pferderennen des Tages steht an und auf dem Video-Screen sind die wichtigsten Daten zu sehen.

Vor allem bei der Wettquote. Die liegt am niedrigsten bei der Nummer sieben, dem Pferd namens Real Love. Je niedriger die Quote, desto mehr haben auf das Tier und seinen Jockey gesetzt, desto mehr ist das Gespann Favorit. Und genau diesem passiert ein Missgeschick. Ein Eisen geht bei der Aufgalopp-Runde verloren. Also wird der Eisen-Notdienst gerufen. Und während die anderen Pferde auf der Gegenbahn rund um die dunkelgrüne Startbox sich nun ein wenig im Schatten bewegen, rotieren die Gäste. Was bedeutet das nun, sind alle Strategien hinfällig? Das Pferd soll doch gewinnen, es ist das leichteste, und da wegen des vielen Regens das Geläuf weich ist, müsste es einen Vorteil haben. Noch zwei Minuten bis zum Start.

Der Dallmayr-Preis, der an diesem Sonntag zum 46. oder 47. Mal ausgetragen wird, so genau weiß das Gastgeberin Marianne Wille von Dallmayr auch nicht, ist eine interessante Mischung. Auf der einen Seite wäre da der Hochleistungssport, den aber vor allem die Tiere übernehmen. Auf der anderen Seite ist da ein Volksfest, bei dem man ab und an - es gibt immerhin zehn Rennen - zur Rennbahn rüberschlendert, zuschaut, vielleicht ein bisschen mitfiebert oder zumindest kurz noch einmal auf den Kassenzettel der Wette blickt, auf welche Nummer man denn da nun gesetzt hat. Man - das sind die wirklichen und vermeintlichen Experten dieses Sports, aber auch völlig unerfahrene Gäste, etwa Familien mit Nachwuchs, der für Pferde schwärmt, die mal anders heißen als Amadeus und Sabrina.

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Das Pferd namens Real Love hat um 11.24 Uhr dann sein Eisen am Hax und kann loslegen. Vorhin bei der Führrunde hat noch ein Mädchen geschmachtet: "Die Sieben ist so schön!" Dazu muss man wissen, dass alle Pferde vor dem Rennen in einem kleinen Kreis, dem Führring, herumgeführt werden, damit man sie begutachten kann. Anschließend wärmen sie sich kurz noch weiter auf, ehe diverse Helfer versuchen, die Tiere kurz in die Startbox zu bugsieren. Das gelingt um 11.15 Uhr und sofort geht das Rennen los. 1400 Meter sind es bis zum Ziel direkt bei den Tribünen, eine Frau fragt aber erst noch einmal, wie viele Runden die drehen werden und wie lange das dauert. "Fünf Minuten?" Von wegen. 83 Sekunden. Und die ersten sind schon gelaufen auf der Gegengerade.

Schönheiten ganz nah: Reiter verlassen nach dem ersten Rennen mit ihren Pferden die Rennbahn. (Foto: Florian Peljak)

Zunächst bleibt die Spannung übersichtlich, was auch daran liegt, dass mit bloßem Auge nur Stecknadeln hinter Bäumen galoppieren, und auf dem Videobild vor allem ebendiese Bäume zu sehen sind. Die allerdings sind wunderschön grün und saftig. Also sieht sich der Zuschauer anderweitig um, schaut etwa noch einmal in das Rennprogramm, in dem verzeichnet ist, dass der Sieger dieses Rennens 10 000 Euro erhält. Insgesamt werden am Sonntag in den zehn Gruppe-I-Rennen 155 000 Euro vergeben. Und auf die Kategorie ist man beim Gastgeber schon sehr stolz. "Ein Europa-Gruppe-I-Rennen in München zu haben, ist sensationell", sagt Marianne Wille, ehe sie von einer Enkelin geherzt wird und im Menschenstrudel davonschwimmt. Bemerkenswert ist zudem, dass manche Besucher ganz ohne Nachfrage auf das Thema Tierwohl zu sprechen kommen.

Wille spricht davon, dass die Pferde "wie rohe Eier" behandelt würden, Pferdeführerin Shannon Spratter-Hills, jemand aus dem innersten Kern der deutschen Reitwelt, bittet gar darum, man möge erwähnen, dass alle Pferde ganz oft auf der Koppel stehen. "Und die Peitsche, die berührt die Pferde gar nicht, das ist nur ein Knall." Wobei der Laie, also zum Beispiel der Papa, der gerade einen rosa Kinderwagen zügig vorbeischiebt, um den Ausgang des ersten Rennens noch mitzubekommen, sich vielleicht fragt, ob nicht auch ein Knall eher ungesund ist für ein Fluchttier. Aber das wird hier nicht abschließend zu klären sein, eher schon die Frage, wer das erste Rennen gewinnt und worin bei so einem Galopp-Tag in Riem eigentlich die Faszination steckt, dass 15 000 Leute kommen und die Gegend vollparken. Denn eins ist früh klar: Wer reitet, radelt eher nicht.

Ascot lässt grüßen: Wer zum Pferderennen geht, trägt Hut. (Foto: Florian Peljak)

Zum Rennen kann man zunächst sagen, dass sich alle, die nach Quote gesetzt haben, bis zur Zielgeraden gut fühlen. Denn Real Love liegt nach der Hälfte der Strecke in Führung vor den anderen sechs, als die Tiere dann selbst mit bloßem Auge als Pferde zu erkennen sind. Bei der Faszination ist es schon komplexer.

Mädels mit Aperol Spritz. (Foto: Florian Peljak)

Draußen stehen Doris und Roger Widmer, beide extra aus Luzern angereist. Sie sagt: "Man muss wetten." Er sagt. "Es ist ein tiefer Boden." Dann geht es um Wetter und Ergebnisse, Kombi-Wetten und Gewicht. Faszinierend könnte also sein, dass bei diesem Sport jeder insgeheim relativ schnell zum Experten wird, der die unterschiedlichen Parameter für sich vereint und dann auf das selbstverständlich richtige Pferd setzt: Um am Ende sagen zu können, wie der Wett-Hallodri Max Litzner (Hans Brenner) in der Folge Glückssach der Münchner Geschichten: "Gspiart hob i's." Und dann ist da natürlich das in München immer attraktive Ich-war-Dabei-Gefühl, wenn man neben millionenschweren Rennstallbesitzern mit Frauen, die so hoch sind wie ihre Hüte breit, auch 4,50 gewonnen hat.

Draußen rennen die Pfede, drinnen sind die Dackel brav. (Foto: Florian Peljak)

Die letzten Meter, der Favorit liegt vorne, es wird geklatscht, gejubelt, interviewt. Dann wenden sich die meisten wieder dem Nahrungs- und Gesprächsangebot zu.

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