Kritik:Einfach durchregieren

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Irgendwie immer noch unterschätzt: die Kabarettistin Dagmar Schönleber. (Foto: Seitzinger Kultur)

Die Kabarettistin Dagmar Schönleber stellt ihr neues Programm im Vereinsheim vor.

Von Thomas Becker, München

Wenn sich nomadisch veranlagte Bühnenmenschen wie Kabarettisten, die allzeit nach dem Motto "Heute hier, morgen dort" leben, an einem der wenigen freien Abende schon wieder vor eine Bühne setzen, statt daheim mal die Füße hoch zu legen, dann muss da vorn irgendetwas Besonderes los sein. Ist auch so. Dagmar Schönleber ist da, eine irgendwie immer noch unterschätzte Künstlerin, die bislang "nur" mit dem Bielefelder Kabarettpreis und dem Obernburger Mühlstein ausgezeichnet wurde.

Im Vereinsheim spielt sie ihr neues Programm "Fels*in der Brandung", und das schauen sich an ihrem freien Abend auch die Kolleginnen und Kollegen Martina Schwarzmann, Franziska Wanninger, Sven Kemmler und Frank Klötgen an. Wohl auch, weil sie wissen, dass sie von diesem Abend etwas mitnehmen werden.

"Ermunterungskabarett und Stabilitätscomedy" lautet der Untertitel des Programms, und das trifft es ganz gut. Ein zentrales Thema ist diesmal die aktuelle Befindlichkeit der Deutschen, die Angst vor dem Fremden, Ungewohnten, vor der Veränderung. Schließlich leben wir ja neuerdings in einer Zeitenwende, wenn man dem Kanzler glauben will, auch wenn das bei ihm eher nach Zeitumstellung klinge, wie Schönleber findet: "Ne Stunde vor oder ne Stunde zurück?"

"Hey Jude" wird bei ihr zu "Mehr Wut!"

Nachdem sie den etwas aus der Zeit gefallenen Part über die Pandemiebeginn-Phänomene Ausmisten/Aufräumen/Putzen hinter sich gelassen hat, gewinnt der Vortrag an Relevanz, galoppiert sie im Country-Wanderlied "Mount Stupid" hinab in die Niederungen der Wutbürgerei, deren Motive sie aufs Unterhaltsamste zu erklären versucht. Schließlich sei die Wut an sich ja eine prima Sache, denn wenn Vernunft nicht mehr hilft, sei es fast schon eine Bürgerpflicht, wütend zu werden, um die Menschen wieder an die Emotion heran zu führen. Folgerichtig textet sie "Hey Jude" um in "Mehr Wut!"

Was umgehend zum zweiten Themenschwerpunkt führt: die Aufgabe der Frau als Felsin der Brandung respektive Fels in der Brandung. "La roche, c'est moi!", wie sie sagt. Die Vision der diplomierten Sozialarbeiterin: lenken, gestalten, flexibel bleiben, also eine Weltherrschaft mit Mitgefühl, als demokratisch gewählte Königin in Teilzeit, samstags zwischen elf und eins. Königin Dagi I. aus Ostwestfalen: ein Bild, das wir gerne so mit nach Hause nehmen. Unsere Stimme hätte sie jedenfalls sicher.

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