Wirtschaft:Zähes Weihnachtsgeschäft

Lesezeit: 3 min

Ab Mittwoch gilt im Einzelhandel die 2G-Regel. Dachauer Einzelhändlerinnen befürchten, dass dann noch weniger Kunden zu ihnen kommen, um Geschenke fürs Fest zu kaufen. Zu allem Überfluss gibt es auch noch Lieferengpässe

Von Katja Gerland, Dachau

Würde das Weihnachtsgeschäft normal laufen, hätte Maria Erlacher wohl keine Zeit für ein Foto zu posieren. Doch dass sie in ihrem Modefachgeschäft "Flair Fashion" an einem Vormittag mehr als drei Kundinnen bedient ist gerade eher die Ausnahme. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eigentlich hatten alle damit gerechnet, aber als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am vergangenen Freitag die neuen Coronaregeln verkündete, war es dann doch ein herber Schlag. Seine weniger frohe Botschaft für den Einzelhandel in der Weihnachtszeit: Von Mittwoch, 8. Dezember, an gilt in allen bayerischen Geschäften die 2G-Regel, außer im Handel für den täglichen Bedarf. Wer Weihnachtsgeschenke kaufen möchte, muss also schon bald genesen oder vollständig geimpft sein. Damit setzt die bayerische Staatsregierung einen Bund-Länder-Beschluss vom vergangenen Donnerstag um.

Die Einzelhändler im Landkreis Dachau nehmen die Neuerung in der wichtigsten Geschäftsphase des Jahres mit gemischten Gefühlen auf.

"Dass das kommt, war mir klar", sagt Dagmar Markus. In ihrer Parfümerie "Vesna" an der Münchner Straße sei die 2G-Regel zwar besser umzusetzen als in großen Geschäften. Ein Mehraufwand, sagt Markus, sei aber trotzdem da. "Aber lieber so als komplett zu", so die Einzelhändlerin. Ein paar Schritte weiter ist der Unmut schon mehr zu spüren. Als zu erwarten, aber dennoch "desaströs" für das Weihnachtsgeschäft schätzt Karin Märkl, Inhaberin des "Spielwaren Schmidt", die 2G-Regel ein. "Das wird auf dem Rücken der kleinen Geschäfte ausgetragen", so Märkl. Schließlich müsse sie nun eine Mitarbeiterin dafür abstellen, die Genesenen- und Impfzertifikate der Kunden zu kontrollieren, während etwa Supermärkte weiterhin ohne 2G Weihnachtsgeschenke verkaufen dürften.

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Ähnlich sieht das der Industrie- und Handelskammertag. Er vermutet gar eine Wettbewerbsverzerrung zwischen Sortimentsanbietern und Grundversorgern. Zu Letzteren gehören auch etwa Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte und Drogerien. Doch für einige Händler wirkt die 2G-Regel nur als ein Brennglas für die ohnehin schon schwierige Situation in der neuen Corona-Welle. Laut einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland ist nur jeder fünfte Einzelhändler mit seinem bisherigen Umsatz im Weihnachtsgeschäft zufrieden. Während der Spielwaren- und Haushaltshandel vermehrt positive Rückmeldungen gibt, ist die Lage für Modegeschäfte weitaus bedrohlicher.

Das kann Maria Erlacher bestätigen, die ihr Modefachgeschäft "Flair Fashion" in der Dachauer Bahnhofstraße betreibt. "Es ist stundenweise nichts los", klagt Erlacher. Dass sie an einem Vormittag nur drei Kundinnen bedient, sei momentan eher die Regel als die Ausnahme. Dementsprechend, sagt Erlacher, komme ihr Umsatz nicht annähernd an den der vorpandemischen Weihnachtszeit heran. Der Grund ist für die Modehändlerin klar: "Die Motivation und Freude ist einfach nicht da." Viele ihrer Kundinnen würden sich angesichts der hohen Inzidenz nicht aus dem Haus trauen und dementsprechend auch keinen Einkaufsbummel machen. "Ein richtiges Weihnachtsgeschäft bleibt dieses Jahr aus. Das ist für uns ein Rückschritt", sagt Erlacher.

Dagmar Markus von der Parfümerie Vesna ist nicht überrascht von der neuen Regelung - einen Mehraufwand befürchtet sie dadurch aber schon. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bei anderen Einzelhändlern im Landkreis ist noch ein Funken Hoffnung für die wichtigste Geschäftswochen des Jahres zu spüren. Das Weihnachtsgeschäft laufe in der Parfümerie Vesna zwar noch "etwas zaghaft" an, sagt Markus. Sie hoffe aber auf eine Steigerung ab dem heutigen Nikolaustag, der erfahrungsgemäß die wichtigste Verkaufszeit für ihr Geschäft einläutet. In der Parfümerie Weinzierl an der Augsburger Straße gebe es gute und schlechte Tage, sagt Inhaberin Claudia Hornung. Das Weihnachtsgeschäft laufe zwar nicht gerade gut, "aber im Rahmen der Pandemie passt es".

Beim Spielwaren Schmidt ist die Kauflust bisher noch da. Die Kunden seien zwar "ziemlich verunsichert", erzählt Märkl. Aus Angst vor einem Lockdown würden viele Verbraucher dafür früher ihre Weihnachtsgeschenke kaufen. Das merke man vor allem jedes Mal dann, wenn gerade neue Regeln beschlossen worden seien: "Dann gehen viele am nächsten Tag verstärkt zum Einkaufen."

Laut Märkl zeigt sich in ihrem Spielwarenhandel dafür ein anderes Hindernis für ein gut laufendes Weihnachtsgeschäft: Weltweite Materialengpässe machen der Einzelhändlerin zu schaffen. Mit "extremsten Lieferschwierigkeiten", sagt Märkl, habe sie in diesem Jahr zu kämpfen. Davon seien alle Waren betroffen: Holzbausteine, Figuren aus Kunststoff, elektronische Spielzeuge. "Auch renommierte Firmen können nicht liefern", sagt die Einzelhändlerin. Viele Produkte seien erst im kommenden Jahr wieder verfügbar und damit für das Weihnachtsgeschäft unbrauchbar. Auch der Handelsverband Bayern (HBE) beobachtet diese Lieferschwierigkeiten bei einigen Produkten. Dennoch bestehe deshalb kein Grund zur Sorge vor leeren Regalen, so HBE-Präsident Ernst Läuger in einer Pressemitteilung: "Zwar kann es zu kurzfristigen zeitlichen Verschiebungen oder Teilausfällen von bestimmten Artikeln kommen. Doch Weihnachten fällt dieses Jahr garantiert nicht aus." Dass die Regale beim Spielwaren Schmidt trotz Lieferproblemen mit Spielzeugen gefüllt sind, bedeutet für Märkl jedoch einen erheblichen Mehraufwand. Drei bis vier Stunden am Tag verbringe die Einzelhändlerin damit, das Internet nach lieferbaren Waren zu durchforsten: "Man muss jonglieren und schnell Zulieferer suchen."

Dass Deutschland sich bereits in der vierten Pandemiewelle befindet und nun schon die zweite ernüchternde Weihnachtszeit eingeläutet worden ist, hat aber zumindest einen Vorteil: Die Einzelhändler im Landkreis sind bereits krisenerprobt. Um neue Kundinnen zu gewinnen und alte zu halten, bietet Maria Erlacher etwa seit Beginn der Pandemie digitale Modenschauen und einen Mail-Newsletter an. Und auch Karin Märkl weiß sich bei Lieferschwierigkeiten zu helfen: "Dann hat die Puppe halt ein blaues Kleid an statt ein rotes."

© SZ vom 06.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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