Urteil in Dachau:Zehn Minuten mit Claudia, bitte!

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Claudia war das Chiffre für Koks: Eine drogenabhängige Dachauerin hat sich an einem "schwunghaften Drogenhandel" beteiligt. Nun ist sie knapp einer Haftstrafe entkommen.

Gregor Schiegl

Die Dachauerin war gerade mal 18, als sie in die Drogenszene abrutschte. Sie nahm Heroin, sie kokste. Und sie beteiligt sich an einem "schwunghaften Handel im gewerbsmäßigen Stil", wie das Amtsgericht Dachau feststellte - schwerpunktmäßig in Dachau und Karlsfeld. Zehn Fälle wurden der bereits zweifach einschlägig vorbestraften Dachauerin zur Last gelegt.

Sie war 18, als sie in die Drogenszene abgerutscht ist: Eine Dachauerin ist nun nur knapp einer Haftstrafe entkommen. (Foto: Getty Image)

Die drogenabhängige Frau war geständig. Das Jugendschöffengericht hat sie nun sie wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem verhängte das Gericht eine Geldauflage von 1500 Euro und fordert regelmäßige Drogentests mit negativem Ergebnis.

Hätten die verhandelten Taten nicht im April 2009, kurz vor ihrem 21. Geburtstag stattgefunden, die junge Frau wäre wohl im Knast gelandet. Nach Erwachsenenstrafrecht hätte jeder einzelne Fall eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr nach sich gezogen, sagte Richter Daniel Dorner. Als Gesamtstrafe wären bei zehn Fällen deswegen zwar nicht gleich zehn Jahre Gefängnis herausgekommen, aber wohl doch mehr als zwei Jahre. Das ist die Grenze bis zu der ein Gericht die Haftstrafe noch auf Bewährung aussetzten kann.

"Es hätte gute Argumente gegeben, Sie nach Erwachsenenstrafrecht zu behandeln", sagte der Richter zur Angeklagten. Die Frau hat einen festen Job und eine eigene Wohnung. Dennoch konnte das Gericht nicht ausschließen, dass es bei der Frau eine "Reifeverzögerung" gebe. Es folgte damit der Argumentation der Jugendgerichtshilfe, die eine solche Verzögerung bei Drogenabhängigen häufiger feststellte - auch wenn die Drogenabhängige "ein hohes Maß an Disziplin" an den Tag legte, um ihre Selbstständigkeit zu erhalten und "auch in der Arbeit funktionierte".

"In die falschen Kreise geraten"

"Sie ist in die falschen Kreise geraten", glaubt der Rechtsanwalt. "Falsche Freunde." Ihr Ex-Freund war in die Drogengeschäfte verwickelt und auch eine - wie die Angeklagte glaubte - sehr gute Freundin aus Karlsfeld. Dass diese Frau es war, die die harten Drogen überhaupt erst lieferte, habe sie zunächst gar nicht gewusst. "Wenn jemand Geld hatte, hat er was gekauft", schilderte sie die informelle Zusammenarbeit. Einmal habe die vermeintliche Freundin ihr 600 Euro für die Miete vorgestreckt, sagte die Angeklagte freimütig. Aber einen Lohn für ihre Mithilfe habe es nicht gegeben.

Ab und zu war sie bei den Drogenübergaben selbst mit dabei, zum Beispiel an einer Tankstelle an der Münchner Straße in Dachau. Meistens nahm sie aber nur am Telefon Bestellungen für Heroin und Kokain entgegen. Die Verteidigung sprach von "bedingtem Vorsatz".

Aufgeflogen war die Dachauerin, weil die Polizei das Telefon ihrer Karlsfelder Freundin angezapft hatte. Dass sich Angeklagte und Käufer eines Chiffres bedienten, half ihr wenig. "In den Telefonaten wurde sofort ersichtlich, worum es geht", erklärte ein junger Polizeiobermeister, der an der Operation beteiligt war. Immer wieder sei die Frage gekommen, wie lange man bei Claudia bleiben wolle. Claudia war das Chiffre für Koks. "10 Minuten standen für 0,1 Gramm." Sagte man "eine halbe Stunde", sei es ein halbes Gramm gewesen. Einige Anrufer wollten auch mal eineinhalb oder vier Stunden. Dass die Angeklagte erhebliche Mengen harter Drogen weitervermittelt hat, und das mehrfach machte den Strafvorwurf für das Gericht so schwerwiegend.

Zuletzt war die Frau im August 2008 verurteilt worden, also vier Monate nach den Taten, die jetzt zur Anklage kamen. "Das hat einen Hebel bei ihr umgelegt", sagt der Rechtsanwalt. "Sie ist heute ein anderer Mensch." Die Dachauer Drogenberatungsstelle Drobs hat ihr geholfen, von Heroin und Kokain wegzukommen. Sie ist auf ein Substitut umgestiegen; die anfängliche konsumierte Menge hat sie inzwischen auf ein Drittel runterfahren können. Das sind hoffnungsvolle Zeichen. Und doch, sagt die Betreuerin von Drobs, ein Rückfall sei durchaus möglich. "Es ist noch eine kritische Phase".

© SZ vom 11.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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