Die Deutschen lieben Regeln, Bürokratie stillt ihr Bedürfnis nach Ordnung - das ist jedenfalls das Klischee. Daran ist erst einmal freilich nichts auszusetzen. Nur manchmal führen zu viele Regeln dazu, dass keiner mehr durchblickt - und das Gegenteil von Ordnung ist Chaos.
Der Dachauer Bürgerbiergarten, der im Mai eröffnen soll, ist dafür ein anschauliches Beispiel. Eigentlich ist die Idee so simpel wie gut: Die Stadt stellt fernab von viel befahrenen Straßen Bierbänke unter Schatten spendenden Bäumen auf und schafft damit einen Ort der Geselligkeit mitten in der Altstadt. Die Besucher dürfen Speisen, wie in Bayern üblich, selbst mitbringen und vor Ort sogar erwärmen. Und Bier gibt es ... äh, ja, wo eigentlich? Hier wäre man bei der ersten absurden Regel angekommen: Bier oder generell alkoholische Getränke wird man dort vorerst weder käuflich erwerben können, weil bislang ein Wirt fehlt, noch wird man sie selbst mitbringen dürfen. Warum? Nach Angaben der Stadt darf man dort nur unter Bewirtung Alkohol trinken. Heißt also: Ohne Wirt kein Bier und kein Bier ohne Wirt.
Aber nun gut, man will ja nicht kleinlich sein. Schließlich kann man ja ohne Alkohol Spaß haben. Andererseits: So ein bisschen Rausch ist manchmal doch auch schön. Warum also nicht statt eine Mass zu trinken einen Joint rauchen? Das ist ja neuerdings legal. Aber auch hier hat man die Rechnung ohne das Regelwerk gemacht. Denn wer im Bürgerbiergarten kifft, macht sich strafbar. Schließlich befindet sich in weniger als 100 Metern Entfernung der Klosterkindergarten. Und wenn Kinder und Jugendliche potenziell gefährdet sind, dann ist der Konsum von Cannabis so illegal wie eh und je.
Tische und Bänke stehen bereits auf dem Grundstück zwischen Wasserturm und alter Schlossbergbrauerei. Doch etwas Wichtiges fehlt: ein Gastronom.
Aber egal, ein bisschen Musik reicht, um auf den Bierbänken durch die Nacht zu tanzen. Doch das geht wiederum auch nicht. Ja, richtig gelesen: Der Betrieb im Bürgerbiergarten ist nur bis 22 Uhr gestattet, musikalische Unterhaltung ist auch davor untersagt. Warum? Weil ein Geräuschpegel von 55 Dezibel nicht überschritten werden darf. Ein Anwohner hat wegen Lärmbelästigung geklagt. Vorsorglich sozusagen, sicher ist sicher.
Bis zur Eröffnung des Bürgerbiergartens gilt aber ohnehin: Betreten verboten
Zusammengefasst: In der Dachauer Altstadt stehen unter ein paar Bäumen ein paar Bänke, dort darf aber weder gesoffen noch gekifft noch gefeiert werden. Immerhin, Stadtbaumeister Moritz Reinhold dürfte angesichts dieser langen Liste an Dinge, die man nicht darf, recht behalten mit seiner Prognose, dass das Projekt Bürgerbiergarten in dieser Form "für die Dachauer und die Region einmalig sein wird". Bislang ist das Gelände nahe dem Wasserturm übrigens eingezäunt und abgeriegelt. Bis die letzten Bauarbeiten abgeschlossen sind, gilt für den Bürgerbiergarten nämlich neben allen anderen Regeln vor allem diese: Betreten verboten.
Schade eigentlich, dürfte es doch an diesem Wochenende endlich mal warm genug für einen Biergartenbesuch sein. Aber egal, setzt man sich eben mit einer Halben auf eine Bank an der Amper - weit ab von Anwohnern, die man nerven, und Kindern, die man in Versuchung führen kann.
