Späte Ehre:Der Mann, der nicht hassen kann

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Max Mannheimer wird Ehrenbürger von Dachau. Es ist die Stadt, in die er im August 1944 kam. Als KZ-Häftling.

Helmut Zeller

Geduld war immer eine Stärke der ehemaligen Dachauer Stadträtin Katharina Ernst (SPD). Als Zeitgeschichtsreferentin brauchte sie auch viel Ausdauer und diplomatisches Geschick, um Stammtische und Stadtrat für eine Anerkennung der KZ-Gedenkstätte zu gewinnen. Ihren größten Erfolg feiert Ernst sogar erst drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Stadtrat. Dachau ehrt heute einen Mann, der wie kein anderer für die Erinnerung an die NS-Geschichte der Stadt steht: Der Auschwitz-Überlebende Max Mannheimer, 91, wird zum Ehrenbürger ernannt. Nur elf Männern wurde seit 1856 dieser Titel zuerkannt.

"Dass so etwas stattfindet, spricht doch schon für sich selbst", sagt Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU). Vor allem, wenn man zurückblickt auf den langen, schwierigen Weg, der hinter den Beteiligten liegt. Der erste Vorstoß Katharina Ernsts und der SPD für eine Ehrung des Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Dachau vor sechs Jahren traf in nahezu allen Fraktionen auf Abwehr. "Die Zeit war nicht reif", sagt Ernst heute. Mitte der 1980er Jahre hatte ein CSU-Politiker im Bierzelt noch zur Abstimmung gegen ein internationales Jugendgästehaus für die KZ-Gedenkstätte aufgerufen. Noch 2002 wurde die Gedenkstätte attackiert, weil sie die engen Beziehungen der Stadt mit dem 1933 eröffneten Konzentrationslager dokumentiert hatte.

Ein bisschen Angst, wie OB Bürgel sagt, war jetzt noch dabei, als die SPD 2010 erneut in nichtöffentlicher Sitzung einen Anlauf unternahm. Denn da gibt es einen beschämenden Fall: Mühldorfer Kinder wollen ihre Mittelschule nach Max Mannheimer benennen, aber der Stadtrat ist dagegen. Mannheimer und sein Bruder Edgar überlebten das KZ-Außenlager Mühldorf. Zwei Brüder, die Schwester, Eltern und Mannheimers erste Frau Eva wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet. In Dachau aber hat OB Bürgel inzwischen den Boden für die Ehrung Mannheimers bereitet. Er versöhnte die Stadtpolitik mit der Gedenkstätte und verlieh 2009 der früheren Gedenkstättenleiterin Barbara Distel die Bürgermedaille. Bürgel baut eine Kooperation mit dem Holocaust-Studienzentrum Massuah in Israel auf - und er pflegt persönliche Kontakte zu Überlebenden.

Mannheimer ist nun Ehrenbürger der Stadt, in die er 1944 als KZ-Häftling kam. "Das ist ein Signal, das über Dachau hinaus wirkt", meint Katharina Ernst. Seine Vorgänger haben wie Nepomuk von Hohenhausen Dachau 1856 die Schranne geschenkt oder wie Ludwig Dill die Künstlerkolonie berühmt gemacht. Aber Mannheimer hat Größeres für die Stadt geleistet, deren Name weltweit für Naziverbrechen steht. "Ich kann nicht hassen", sagt er und reichte Dachau die Hand. Vorbei ist die Zeit der Verdrängung, in der etwa 1986 Leopold Guggenberger, einst Bürgermeister der Partnerstadt Klagenfurt und Verteidiger des Rechtspopulisten Jörg Haider, geehrt wurde. Mannheimer hat der Stadt zu einem neuen Ansehen verholfen - auch wenn es dazu viel Geduld brauchte.

© SZ vom 13.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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