Dachau:Ein bisschen Silvester

Lesezeit: 5 min

Dinner statt Party, Menü statt Buffet: Vielen Gastronomen hilft die Aufhebung der Sperrstunde am 31. Dezember kaum, um ihre Umsatzeinbußen zu kompensieren. Zum Jahreswechsel wollen einige Wirte mit ihren Stammgästen feiern - andere sperren gleich ganz zu

Von Jacqueline Lang und Anna Schwarz, Dachau

Normalerweise planen Karin Wieckhorst und ihr Mann die Silvesterparty in ihrem Lokal "Luja" schon weit im Voraus. Weil allerdings erst am 14. Dezember entschieden wurde, dass die Sperrstunde am 31. Dezember fallen soll, mussten die beiden Dachauer Gastronomen relativ spontan entscheiden, ob sie ihren Laden in der Frühlingstraße nun doch aufsperren wollen oder zu lassen. Denn, so Wieckhorst, wäre es bei der Sperrstunde ab 22 Uhr geblieben, "dann hätten wir gar nicht erst aufgemacht". Die Betreiber des "Luja" sind damit nicht die einzigen Gastronomen im Landkreis, für die sich durch die Sonderregelung neue Möglichkeiten ergeben. Manche haben pandemieunabhängig zwischen den Jahren eh immer zu, andere servieren ohnehin nur ein Abendessen und schicken ihre Gäste schon weit vor Mitternacht nach Hause. Für alle jedoch gilt: Ein einziger Tag reicht nicht, um die Einbußen der vergangenen Monate zu kompensieren.

Karin Wieckhorst ist trotz allem froh über die Möglichkeit, das Ende des Jahres gemeinsam mit ihren Gästen feiern zu können. Auch deshalb, weil ihnen ja niemand sagen kann, ob nicht im neuen Jahr doch noch einmal ein Lockdown für die Gastronomie droht. "Wer weiß, was uns im Januar erwartet?", sagt Wieckhorst. Mit diesem Damoklesschwert, das stets über allen Gastronomen schwebt, ist Wieckhorst auch bereit Abstriche zu machen: Statt des beliebten Silvester-Buffets gibt es dieses Jahr ein 4-Gänge-Menü am Platz. Wo in einem normalen Jahr alle Gäste gegen 24 Uhr von den Wieckhorsts persönlich umarmt werden, müssen sich in diesem Jahr alle "gedrückt fühlen". Statt völlig ausgelassen gemeinsam zu feiern, wird Wieckhorst in diesem Jahr wohl per Durchsage immer mal wieder an das Tragen der Masken und das Einhalten von Abständen erinnern müssen.

Auch Herbert Forche war lange nicht klar, ob er das "Butcher's Bar & Grill" in Indersdorf an Silvester öffnen soll: "Wenn die Sperrstunde um 22 Uhr nicht weggefallen wäre, hätte es sich nicht rentiert." Erst vor ein paar Tagen hat der Gastronom entschieden, dass sein Restaurant bis 3 Uhr morgens geöffnet haben wird. Warum so kurzfristig? "Das Problem war dann, genügend Personal zu finden, aber das haben wir jetzt auch hingekriegt." Am Restaurant-Eingang wird ein Sicherheitsdienst die Impf- und Genesenen-Nachweise kontrollieren, außerdem schauen die Servicekräfte darauf, dass alle Gäste an ihrem Tisch sitzen bleiben. Forche erzählt: "Bisher haben vor allem Stammgäste reserviert." Das junge Partyvolk entscheide sich an Silvester meist eh spontan, wo es hingeht.

Grundsätzlich gilt: Anders als bei einer privaten Feier dürfen in der Gastronomie mehr als zehn Personen zusammen an einem Tisch feiern. Das bayerische Gesundheitsministerium begründet das damit, dass man in einem Restaurant ohnehin mit vielen, einem unbekannten Personen in einem Raum sitzt. "Es wäre insoweit widersprüchlich, in der Gastronomie ein zufälliges Zusammentreffen mit Fremden, nicht aber ein Zusammentreffen mit Bekannten zu erlauben", heißt es dazu in der Begründung der Verordnung zur Änderung der 15. bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 23. Dezember. Für Verwirrung unter den Dachauer Gastronomen sorgt, dass für geschlossene Gesellschaften in separaten Räumen innerhalb einer Wirtschaft wiederum andere Regeln gelten: Hier dürfen, wie bei Feiern im privaten Raum, seit dem erneuten Inkrafttreten von Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte nur noch maximal zehn Personen gemeinsam feiern. Klar ist: Die Aufhebung der Sperrstunde gilt nur für die Silvesternacht. "Die einmalige Aussetzung scheint mit Blick auf die Besonderheiten des Jahreswechsels geboten", heißt es seitens des bayerischen Gesundheitsministeriums.

Im "La Tapa" in Dachau tummeln sich normalerweise Partyfreunde dicht an dicht an der Bar. Das ist in diesen Zeiten natürlich nicht möglich. Damit das "La Tapa" öffnen kann, konzentriert sich Inhaberin Rislan Aslan-Hamal deshalb derzeit gezwungenermaßen eher auf Speisen als auf alkoholische Getränke. Aus der Bar wurde so kurzerhand ein sehr kleines Restaurant. Aslan-Hamal sagt: "Wir haben leider nur fünf bis sechs Tische und die wurden an Silvester schon von Stammgästen reserviert." Platz für spontane Feierwütige habe sie deshalb nicht mehr. Neben dem Platzproblem macht Aslan-Hamal auch die generelle Sperrstunde außerhalb Silvesters zu schaffen. Umso mehr freut sie sich, dass die Schließzeit zumindest zur Jahreswende wegfällt: "Um 22 Uhr zuzusperren, ist eine doofe Zeit für uns." Immerhin haben die meisten Dachauerinnen und Dachauer das "La Tapa"eben nach wie vor als Anlaufstelle für spätere Stunden abgespeichert. Umso glücklicher ist Aslan-Hamal, dass sie auf ihre Stammgäste zählen kann - nicht nur am 31. Dezember. "Deswegen ist für uns Silvester eher eine Familienfeier, ich mache wohl einen Silvestercocktail und Fingerfoodplatten für die Gäste."

Im "Klosterwirt" in Schönbrunn ändert sich durch die aufgehobene Sperrstunde indes nicht allzu viel: Wie in den Jahren vor der Pandemie kommen die Gäste ohnehin nur zum gemütlichen Abendessen in die Wirtschaft und gehen dann weit vor 24 Uhr wieder heim. Allerdings, das muss Betreiber Peter Strobl dann doch zugeben, sorge es schon für ein wenig "Entspannung", dass er nicht penibel darauf achten muss, dass alle um Punkt 22 Uhr das Lokal verlassen haben. Und anders als die Weihnachtsfeiern, die in diesem Jahr reihenweise ausgefallen sind und für finanzielle Einbußen gesorgt haben, sind die Tische für das Silvesteressen auch größtenteils schon seit einem Jahr ausreserviert. Ein paar Absagen gebe es aber - anders als in anderen Jahren - durchaus immer mal wieder, etwa wenn einer aus einer Gruppe positiv auf das Virus getestet werde, erzählt Strobl am Telefon. Wer also an diesem Freitag spontan noch einen Tisch suche, solle also einfach einmal anrufen - vielleicht sei ja doch wieder eine Reservierung abgesprungen.

Von einem gut gefüllten Reservierungsbuch kann Claus Brummer indes nur träumen. Der Inhaber des "Schwarzberghofs" in Webling hat in den vergangenen Monaten bis zu 50 Prozent weniger Umsatz gemacht, "das wird wohl auch an Silvester so sein". Auch heuer bietet er ein 4-Gänge-Menü an - doch ausgebucht sind seine Tische nicht. "Viele Menschen sind gerade sehr vorsichtig und bleiben lieber daheim", so sein Eindruck. Das merke er auch daran, dass sich einige Gäste ihr Essen lieber abholen als im Restaurant Platz zu nehmen.

Eine Einschätzung, die Artur Lackner nicht unbedingt zu teilen scheint: Erstmals seit 30 Jahren lässt der Geschäftsführer das Silvestermenü der Vinothek "Steirer" in diesem Jahr ausfallen. Im vergangenen Jahr hatte es immerhin die Möglichkeit gegeben, das Menü zum Mitnehmen zu bestellen. Das habe heuer aber keinen Sinn gemacht, so Lackner, immerhin gebe es anderswo ja die Möglichkeit im Restaurant zu essen. Da würden sich nur sehr wenige was zum Mitnehmen holen, glaubt er. Aber im Restaurant aufzutischen, wäre eben auch so eine Sache gewesen: Weil sie im "Steirer" ein 6-Gänge-Menü anbieten, hätten sie mit einer Sperrstunde um 22 Uhr schon am frühen Nachmittag anfangen müssen, um alle Gänge in Ruhe servieren zu können. Nach langer Überlegung habe man sich deshalb am Montag, 13. Dezember, dagegen entschieden, in diesem Jahr ein Silvesterdinner auszurichten.

Das nur einen Tag später überraschend die Sperrstunde für Silvester gefallen sei, sei ärgerlich gewesen, aber nach langem Hin und Her habe man sich entschieden, nicht noch einmal alles umzuschmeißen. Es fehle ohnehin an Personal und so könnten alle die Betriebsferien nutzen, "um mal ein bisschen Luft zu holen". Ohnehin findet Lackner die Sonderreglung "etwas seltsam", immerhin sei es ja nicht so, als würde das Virus etwas auf die Feiertage geben. Seiner Meinung nach handelt es sich deshalb lediglich um eine politische Entscheidung, keine, "um die Pandemie in den Griff zu bekommen". Seinen Gastrokollegen gönnt er den Umsatz zum Jahresabschluss trotzdem.

© SZ vom 31.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSilvester
:Zweimal im Jahr sollte man es krachen lassen

Das Jahr ist um, die Party verboten, doch die Kühlschränke der Deutschen so gut gefüllt wie nie: Sternekoch und Autor Vincent Klink über kleine Feiern, großen Genuss und die hohe Kunst der Maßlosigkeit.

Von Vincent Klink

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: