Röhrmoos:Männerchor statt Blaskapelle

Lesezeit: 2 min

Das etwas andere Spektakel: Auf dem politischen Aschermittwoch bei den Freien Wählern erklingen Lieder, und einer der Redner verfehlt sein Thema.

Walter Gierlich

Thema verfehlt. Fabian Mehring, der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Freien Wähler (FW) in Schwaben, war beim Politischen Aschermittwoch des FW-Kreisverbands in der Röhrmooser "Waldgaststätte" eigentlich mit einem Vortrag über die Zukunft der Organisation angekündigt: "Quo Vadis (J)FW?" Denn unter den Freien Wählern in Bayern ist ein Streit entbrannt über die Teilnahme an der Bundestagswahl 2013 und darüber, wie die Basis im Vorfeld beteiligt werden sollte. Der Zwist gipfelte immerhin im Rücktritt des gesamten Landesvorstands der Nachwuchsorganisation Junge Freie Wähler (JFW).

"Lasst und froh und heiter sein" trugen die Sänger aus Haimhausen beim politischen Aschermittwoch der Freien Wähler in Röhrmoos vor. (Foto: DAH)

Doch der junge Mann wurde offenbar von seinem Ehrgeiz mitgerissen und sah sich versucht, eine typische Aschermittwochsrede mit einem politischen Rundumschlag zu halten: Vom Landesbank-Desaster ("ökonomische Inkompetenz und politischer Größenwahn"), das er ausführlich noch einmal ins Gedächtnis rief, über die für ihn unverständlichen Widerstände gegen Windräder ("leidenschaftlich gelebtes Sankt-Florians-Prinzip"), die die notwendige Energiewende gefährdeten, bis zu einem Loblied aufs dreigliedrige bayerische Schulsystem und zur Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren reichte seine Themenpalette. Als er dann endlich auf die Frage gekommen war, wie es mit den Freien Wählern weitergehen soll, hatte die Mehrzahl der rund 80 Zuhörer längst abgeschaltet. Man plauderte munter an der Tischen, und der FW-Kreisvorsitzende Josef Baumgartner sah sich sogar veranlasst, am Pressetisch klarzustellen, dass Mehring vom vorgebenen Thema abgeschweift sei.

Undenkbar so etwas beim Klassiker aller Aschermittwochsspektakel, dem der CSU in Passau. Nicht vorstellbar wäre auch der Männerchor Haimhausen statt einer Blaskapelle zur musikalischen Umrahmung der Veranstaltung. So gab es denn zum Auftakt statt des Defiliermarschs das Lied "Wir wollen froh und heiter sein." Die Sänger unter Leitung von Walter Kaufmann ließen auch den langjährigen FW-Kreisgeschäftsführer Georg Zimmermann hochleben, der vom Hauptredner des Abends, dem Landtagsabgeordneten Michael Piazolo, die höchste Auszeichnung der Gruppierung, die Ehrennadel in Gold, erhielt.

Piazolo, der auch stellvertretender Landeschef der Freien Wähler ist, sang in seiner Rede zunächst ein Loblied auf den künftigen Bundespräsidenten Joachim Gauck: "Ein ganz beeindruckender, faszinierender Redner." Er sprach sich für eine direkte Wahl des Bundespräsidentenaus, gerade weil die FW doch ohnehin "die Idee von mehr direkter Demokratie verwirklichen wollen". Daher sei sogar zu überlegen, ob nicht auch der bayerische Ministerpräsident direkt gewählt werden sollte. Schließlich sei 2008 Beckstein Spitzenkandidat gewesen, doch bekommen habe man Seehofer. Die FW sähen sich nach der Landtagswahl 2013 als "Zünglein an der Waage", das sich aussuchen könne, mit wem es regieren wolle, sagte Piazolo: "Wir sind bereit Verantwortung zu übernehmen, aber nicht um jeden Preis."

© SZ vom 24.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: