Ausstellung in Dachau:Mehr Gelände wagen

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Renate Schmahl ist eine akademisch ausgebildete Künstlerin, die jetzt, mit 79 Jahren, eigentlich erst richtig loslegt. (Foto: Toni Heigl)

Renate Schmahl verbindet in ihren Gemälden und Zeichnungen Natureindrücke und persönliche Erinnerungen zu Bildern von suggestiver Kraft. Erstmals sind die Arbeiten der Münchner Künstlerin in der KVD-Galerie zu sehen.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Renate Schmahl hat an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert und freie Malklassen besucht, sie war Kunsterzieherin an mehreren Münchner Gymnasien. Doch um selber Kunst zu machen, fehlte ihr immer die Zeit. Da war der Job, da war die Familie, das Leben war stets restlos ausgefüllt. Der Wunsch, sich künstlerisch zu entfalten, musste lange warten. "So wie mir geht es vielen Frauen", sagt sie. Nun zeigt die im Allgäu geborene Künstlerin ihre erste Ausstellung in Dachau, mit knapp 80 Jahren.

Gemälde und großformatige Zeichnungen von Landschaften füllen die Wände in der KVD-Galerie. Wobei es irreführend wäre, von "Landschaftsmalerei" zu sprechen; man findet bei ihr keine Wipfelmützenwälder, keine spiegelnden Seen und schäumenden Flüsse, keine wolkenumkränzten Bergeshöhen. "Ich bin nicht an gegenständlicher Genauigkeit interessiert", sagt sie, ihr gehe es um Rhythmus, um Strukturen. "Bei mir ist die Landschaft ein Körper im Raum."

Das Allgäu hat die Künstlerin geprägt

Diesem erhöhten Grad der Abstraktion trägt die Ausstellung bereits im Titel Rechnung, sie heißt ganz schnörkellos "Im Gelände". Der Begriff Gelände habe ihre Kunst verändert, sagt Schmahl. Damit habe sie sich einen Raum erschlossen, in dem Neues entstehen konnte, erweiterte Bildräume, frei von den Konventionen tradierter Landschaftsmalerei. Je nach Lichtverhältnissen stelle sich der Raum für sie anders dar, Formen und Farben treten immer wieder neu miteinander in Beziehung. Und weil sie die gesehenen Landschaften immer aus der Erinnerung male, manchmal über Monate hinweg mit immer neuen Farbaufträgen und Übermalungen, verwandle sich das Motiv auf der Leinwand schließlich nach und nach selbst zu einer "inneren Landschaft".

Renate Schmahl ist im Allgäu aufgewachsen, das sollte man wissen. Ihr Bruder, der ihr beim Aufbau der Ausstellung hilft, erzählt davon, wie sie früher barfuß durch die Wiesen gelaufen sind. Die Natur war ihr Abenteuerspielplatz, grenzenlos nach den Maßstäben eines Kindes, nirgendwo ein Zaun, nur die aufregende weite Welt. "Diese Landschaft war sehr prägend für mich", sagt die Künstlerin, und tatsächlich sieht man in ihren Gemälden meist zarte Strukturen, die offen und durchlässig sind, Linien lösen sich auf, Flächen verschwimmen, doch nie gehen die Bilder völlig in der Abstraktion auf, sie bleiben sinnlich, atmosphärisch, eingehüllt in ein Geheimnis.

Aus Strukturen und Farbflächen im Raum entwickelt Renate Schmahl ihre oft in zarten Grautönen gehaltenen Szenerien. (Foto: Toni Heigl)
Die Kohlezeichnungen haben in ihrem Detailreichtum etwas vom Charakter eines großen Wimmelbildes. (Foto: Toni Heigl)
Urbane Landschaft, durchwandelt von einem gebrechlichen Mann. (Foto: Toni Heigl)

Kuhweidengrün und Sommerhimmelblau sucht man in ihren Gemälden vergeblich, es dominieren die Grautöne - Grau in allen Nuancen. "Grau ist für mich eine ausgeglichene Farbe", sagt die Künstlerin. Dadurch haben ihre Arbeiten eine stille Präsenz - wie sie auch den berühmten Stillleben des italienischen Malers Giorgio Morandi in ihren gedeckten Farben zu eigen sind.

Renate Schmahl zählt Morandi zu ihren großen künstlerischen Vorbildern, ebenso wie die Expressionistin Paula Modersohn-Becker, die Zeit ihres Lebens gerade mal fünf Bilder verkauft haben soll. Für Schmahl wäre es kein Unglück, wenn sie nach der Ausstellung alle Bilder unverkauft wieder mit heim nehmen müsste. "Ich habe ja nicht so viele."

Manchmal malt Schmahl noch ein kleines Detail mit hinein, einen gelben Hirsch zum Beispiel, oder eine Gestalt mit Gehstock, die sich an Häuserwänden entlangtastet, wie es ihr Mann früher auch immer gemacht habe. Ihren Arbeiten gibt sie einfache, prägnante Titel wie "Der Fels", "Am Hang" oder "Umland"; sie einfach nur durchzunummerieren, wäre ihr zu unpersönlich. Bei einem Klinikaufenthalt hatte sie von ihrem Zimmer mal Ausblick auf den angrenzenden Friedhof, eine Landschaft aus Grabsteinen. Im Titel zeigt sich ihr feiner Humor. Er lautet "Ende Gelände".

Kohlezeichnungen von kristalliner Ästhetik

Ausgestellt sind auch großformatige Kohlezeichnungen mit einer Ästhetik, die auf den ersten Blick irgendwo zwischen Bauzeichnung und japanischer Tuschemalerei liegt. Das hat einerseits mit den filigranen Linien zu tun, andererseits mit der kristallinen Ästhetik. Während Renate Schmahl in ihren Gemälden Stellen übermalt, überklebt sie das Papier in Zeichnungen mit rechteckigen Papierschnipseln oder schwächt vorhandene Linien ab, indem sie diese mit Vierecken überzeichnet. Das Resultat könnte man als die multiperspektivische Impression einer vor Leben vibrierenden Stadt lesen. Oder als Song von Charlie Parker an einem sonnigen Herbstnachmittag.

Jeder Betrachter kann seine eigenen Gedanken und Empfindungen in dieses offene Schau-Gelände hineintragen und seine eigene Musik. Über Renate Schmahl hat sich Parker jedenfalls nicht in das Bild eingeschlichen. Wenn sie an ihren Bildern arbeite, sagt sie, tue sie das immer in völliger Stille.

"Im Gelände." Ausstellung von Renate Schmahl in der KVD-Galerie. Vernissage am Donnerstag, 11. April um 19.30 Uhr. Öffnungszeiten Donnerstag bis Samstag 16 bis 19 Uhr, Sonntag 14 bis 18 Uhr. Zu sehen bis 5. Mai.

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