Vor Gericht:Ausgebremst

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Zwei junge Männer aus Greiling müssen sich wegen illegaler Autorennen zwischen Bad Tölz und Sachsenkam verantworten. Hinzu kommen weitere Vergehen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein Mann und eine Frau rasen mit ihren Autos über die B304, die Polizei fasst sie an einer Tankstelle. Das Amtsgericht verhängt Fahrverbote und Geldstrafen für die Fahranfänger.

Von Miriam Dahlinger, Dachau

Ein Mann und eine Frau, 19 und 21 Jahre, jagen in einem Mercedes und einem Audi über die B304 von Dachau in Richtung Karlsfeld. Es ist Samstagnacht um halb elf, die beiden Fahranfänger treten ab der Ampelkreuzung Wettersteinring das Gaspedal durch, beschleunigen auf mehr als 120 Kilometer pro Stunde, überholen rechts ein Auto, dann liefern sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ihr einziges Ziel: schneller zu fahren als der jeweils andere. An der Kreuzung zur Bayernwerkstraße schaltet eine Ampel auf Rot, die jungen Autofahrer bremsen ab. Plötzlich gibt die Frau Gas, biegt vor der Ampel rechts ab, legt schlitternd eine 180-Grad-Kehrtwende hin, biegt links ab und umfährt so unerlaubt die Ampel. Der junge Audi-Fahrer will den Anschluss nicht verlieren und rast ihr trotz der immer noch roten Ampel hinterher.

Ein gutes Jahr ist seitdem vergangen. Jetzt sitzen die junge Frau aus Gröbenzell und der junge Mann aus München auf der Anklagebank im Amtsgericht Dachau und sehen sich ihr verbotenes Rennen auf einem Polizeivideo noch einmal an. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, ein illegales Autorennen veranstaltet zu haben. Ihre Raserei zeige "eine Gleichgültigkeit gegenüber anderen", sagt der Staatsanwalt. Die Angeklagten hätten sich ungeeignet gezeigt, als Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilzunehmen.

Im Landkreis Dachau kommen illegale Autorennen immer wieder vor. Zwar liegen der Stadtverwaltung keine aktuellen Informationen zu verbotenen Straßenrennen in Dachau vor, wie sie auf Anfrage mitteilt, jedoch beklagen sich Altstadt-Anwohner schon seit Jahren, dass sich auf dem Schlossplatz junge Erwachsene träfen, um sich von dort aus illegale Straßenrennen nach München zu liefern. Nach Angaben der Polizei wurden im Dienstbereich der Polizeiinspektion im vergangenem Jahr gegen vier Personen wegen Verdachts des verbotenen Kraftfahrzeugrennens ermittelt. 2022 wurden bislang gegen zwei Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Illegale Straßenrennen sind seit 2017 eine Straftat

Erst vergangene Woche urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass illegale Autorennen eine Straftat bleiben. Wegen zahlreicher Verletzter und Toter wurde der Tatbestand des verbotene Kraftfahrzeugrennens 2017 von einer Ordnungswidrigkeit zu einer Straftat hochgestuft. Seitdem kann schon die Teilnahme an einem solchen Rennen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Zuvor waren lediglich Geldstrafen möglich. Der Paragraf sieht zudem bis zu zehn Jahre Gefängnis vor, wenn durch ein illegales Straßenrennen der Tod eines anderen Menschen verursacht wird. So musste sich vor weniger als einem Monat ein 22-Jähriger vor einem Gericht in Berlin verantworten. Er soll mit bis zu 150 Stundenkilometern durch eine Zone 30 geheizt sein. Die Fahrt endete für drei Freunde, die mit ihm im Auto saßen, tödlich.

Bei dem Straßenrennen, das sich die zwei jungen Erwachsenen Ende Januar 2021 auf der B304 zwischen Dachau und Karlsfeld liefern, kommt glücklicherweise niemand zu Schaden. Die Polizei stoppt die Raser kurz hinter der Ampel an einer Tankstelle. Später müssen sie ihre Führerscheine abgeben.

Die Angeklagten zeigen sich vor Gericht schuldbewusst

Mehr als zwölf Monate später räumen die zwei Angeklagten die Vorwürfe vollumfänglich ein, der geladene Polizeibeamte muss keine Zeugenaussage machen. Die Angeklagten zeigen sich schuldbewusst. Es tue ihnen unglaublich leid, geben die Anwälte der beiden in ihrem Namen zu Protokoll. Die Angeklagte aus Gröbenzell empfinde Scham gegenüber ihrer Familie, auch die Eltern des Münchners hätten sich sehr enttäuscht gezeigt. "Ich entschuldige mich für die Tat und möchte das Beste daraus machen," sagt der junge Mann. Anders als die Angeklagte hat der inzwischen 20-Jährige wegen Alkohol am Steuer und zu schnellem Fahrens bereits zwei Einträge ins Fahreignungsregister vorzuweisen. Der Staatsanwalt fordert für ihn daher eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 75 Euro und ein Fahrverbot für fünf weitere Monate. Für die nunmehr 22-jährige Gröbenzellerin verlangt der Staatsanwalt eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 1500 Euro und ein Fahrverbot von weiteren vier Monaten.

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Da die beiden Angeklagten vollumfänglich gestehen, geht es an diesem Tag vor Gericht nur um die Frage, wie sie zu bestrafen sind. Ein Jugendgerichtshelfer plädiert in Unterstützung des jungen Angeklagten dafür, den inzwischen 20-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu ahnden. Sein Verhalten habe "jugendtypische Aspekte" gezeigt, und außerdem erkenne die Jugendgerichtshilfe bei dem jungen Münchner "Anzeichen für eine Reifeverzögerung". Der Angeklagte verhalte sich trotz seiner Berufstätigkeit noch nicht selbständig. Unter anderem, weil er sich trotz eines eigenen Einkommens noch ein Zimmer mit seinem Bruder teile und seine Mutter für ihn einkaufe und sich um seine Wäsche kümmere. Auch zeige der Angeklagte eine "Autovernarrtheit", die für junge Männer typisch sei. Der Jugendgerichtshelfer schlägt die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar vor.

Richterin Cornelia Handl wählt einen Kompromiss. So erhalten die beiden Angeklagten ein Fahrverbot von weiteren drei Monaten. Handl verurteilt die Fahrerin zu einer Geldstrafe von 1200 Euro, der Fahrer muss 1000 Euro an eine Einrichtung gegen Alkohol und Drogen überweisen und an einem Fahreignungsseminar teilnehmen. Die Richterin sagt, sie hoffe, das Seminar bewirke etwas im Kopf.

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