Öffentliche Haushalte:Kommunen in Not

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Infolge der Corona-Krise brechen den Landkreisgemeinden Millionensummen an Steuereinnahmen weg. Dachaus OB Florian Hartmann nimmt die Krise zum Anlass, das Finanzierungssystem generell infrage zu stellen

Von Thomas Balbierer, Dachau

Fast täglich landen derzeit unerfreuliche Meldungen des Finanzamts auf dem Schreibtisch von Philipp Blumenschein. Darin liest der Leiter der Finanzverwaltung von Markt Indersdorf, dass viele Unternehmer in diesem Jahr mit Verlusten rechnen. Steuervorauszahlungen sind von diesen Betrieben nicht zu erwarten. Die Negativmeldungen kommen laut Blumenschein aus allen Bereichen der Wirtschaft: Händler, Gastronomen, Autozulieferer, Messebauer. Ihnen droht ein schwieriges Jahr und damit auch der Kommune, denn die Gewerbesteuer ist eine wichtige Quelle des kommunalen Haushalts. Im vergangenen Jahr nahm Markt Indersdorf durch Gewerbeabgaben vier Millionen Euro ein - ein "Rekordjahr", wie Blumenschein betont. Deshalb habe man bereits mit einem "leichten Rückgang" der Gewerbesteuereinnahmen gerechnet. Dass der Verlust wegen der Corona-Krise nun mindestens siebenstellig wird - genaue Zahlen will Blumenschein noch nicht nennen -, könnte die Kommune schwer treffen. Zumal durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit auch Einnahmen aus der Einkommensteuer sinken werden. "Wenn ein Millionenbetrag in der Kasse fehlt, ist das bitter", so Blumenschein. Die langfristigen Folgen könne er noch gar nicht abschätzen.

Die Pandemie wird tiefe Lücken in die Budgets der Landkreiskommunen reißen, so viel ist sicher. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte das Bundesfinanzministerium seine aktuelle Steuerschätzung, wonach deutschen Gemeinden in diesem Jahr 12,7 Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen werden als 2019. Und das obwohl die Kosten im Zuge der Corona-Bekämpfung weiter steigen. Die Gemeinden stehen vor einer Zerreißprobe: In vielen Kassen wird Geld für Sportvereine, Kulturveranstaltungen oder Freizeitangebote fehlen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht sogar die "Funktionsfähigkeit des Staates vor Ort" bedroht. Auch Dachau werde die Folgen der Krise zu spüren bekommen, sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Nach aktueller Prognose droht der Stadt ein Verlust von rund einer Million Euro bei der Gewerbe- sowie rund 3,7 Millionen Euro bei der Einkommensteuer. Und obwohl diese Zahlen laut Hartmann nur als "Momentaufnahme" zu verstehen sind, wird das Ausmaß des Schadens deutlich: 4,7 Millionen Euro, das wären etwa acht Prozent des Jahreshaushalts.

Die Stadt wird den Gürtel in Zukunft enger schnallen müssen. "Wir schauen uns jetzt den Haushalt genau an, um zu sehen, wo Einsparungen möglich sind", so Hartmann. Konkrete Ideen für Sparmaßnahmen gebe es noch nicht. Der Spielraum bei bereits geplanten Ausgaben sei ohnehin nicht groß, sagt der OB. Mittel für Schulen, Kinderbetreuung und Personal, die größten Posten im Budget, könne man nicht einfach kürzen. Der Verlust müsse entweder mit Krediten oder durch Zurückhaltung bei neuen Aufgaben ausgeglichen werden. Deshalb sorgt die im April im Stadtrat beschlossene Einführung des Zehnminutentakts auf städtischen Buslinien beim Rathauschef noch immer für Kopfschütteln. Er hätte die kostspielige Einführung gerne vertagt.

In Vierkirchen steht das Sparen gerade auf der Tagesordnung. Obwohl Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD) noch gar nicht weiß, wie hart die Krise die Finanzen seiner Gemeinde treffen wird, werden Investitionen hinterfragt und verschoben. Denn auch der 4500-Einwohner-Ort, der Schulden in Höhe von knapp neun Millionen Euro hat, wird die Krise nicht ohne Einschnitte überstehen. "Bei uns stehen alle Ausgaben auf dem Prüfstand", sagt Dirlenbach: In Rettenbach werde die Fertigstellung eines Kanals verschoben. Die Feuerwehr müsse länger auf rund 12 000 Euro teure Uniformen warten und ein Besuch in der italienischen Partnergemeinde Genazzano zum 20. Jubiläum fällt wegen Corona ins Wasser. Es sind kleine Einsparungen, die sich aber summierten, ist der Bürgermeister überzeugt. Trotzdem will er nicht überall den Rotstift ansetzen: Ein Verein habe angeboten, auf den Kauf eines Rasenmähers zu verzichten. Das habe er abgelehnt, so Dirlenbach. Der Rasenmäher sei bereits im Haushalt eingeplant gewesen. "Wir wollen die Vereine auch nicht hängen lassen."

Wie hart die Corona-Krise die kommunalen Kassen tatsächlich trifft, wird sich erst im Laufe des Jahres zeigen. Klar ist: Die Pandemie verschärft den finanziellen Druck, der schon zuvor auf den Kommunen lastete. Um Städten und Gemeinden durch die Krise zu helfen, plant Finanzminister Olaf Scholz (SPD) einen 57-Milliarden-Euro-Rettungsschirm. Das sei richtig, aber nur ein "erster Schritt", findet Dachaus OB Hartmann. Er stellt die Finanzierung der Kommunen grundsätzlich infrage. Die Belastungen seien inzwischen zu groß. Zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, einer kommunalen Pflichtaufgabe: Die Kosten würden von Jahr zu Jahr höher, die staatlichen Zuschüsse jedoch nicht, klagt Hartmann. Sein Kollege Harald Dirlenbach drückt es weniger diplomatisch aus: "Die Kinderbetreuung frisst uns die Haare vom Kopf." Auch die Abhängigkeit von der Gewerbesteuer sei nicht nachhaltig, kritisieren die SPD-Politiker. Sie führe dazu, dass ein Gewerbegebiet nach dem anderen ausgewiesen werde. Stattdessen sei es nötig, den Kommunen mehr Geld zu überlassen, fordert Hartmann, etwa durch eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer.

Nun stehen die Bürgermeister aber erst einmal vor klammen Kassen. Es droht ein politischer Streit um die Kürzungen. Und kaum ein Verein oder Veranstalter wird glücklich sein, wenn gerade bei ihm gespart wird. Immerhin, laut Steuerschätzung des Finanzministeriums könnten die Einnahmen bereits im nächsten Jahr das Vor-Krisen-Niveau erreichen.

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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