Nachruf:"Botschafter für ein menschliches Miteinander"

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Amnon Weinstein mit einer seiner "Geigen der Hoffnung". (Foto: privat)

Seine "Geigen der Hoffnung" bewegten die Menschen weltweit und ganz besonders in Dachau. Der Landkreis gedenkt des Restaurators Amnon Weinstein, der mit 86 Jahren in Tel Aviv verstorben ist.

Von Gregor Schiegl, Dachau

"Violins of Hope" - "Geigen der Hoffnung", so nannte Amnon Weinstein sein großes Lebenswerk. Seit den 1990er-Jahren restaurierte er in seiner Werkstatt in Tel Aviv Geigen von Holocaust-Opfern und erweckte die teilweise schwer ramponierten Instrumente so wieder zum Leben. 2018 veranstaltete der Landkreis Dachau ein Konzert im Dachauer Schloss, bei dem acht dieser Geigen erklangen. Es war das erste Konzert dieser Art an einem historisch so belasteten Ort wie Dachau. Die Violinen seien ein Klangdenkmal, sagte Weinstein einmal, deshalb dürften sie nie verstummen. Am Montag teilte sein Sohn Avshi mit, dass der Geigenrestaurator nach kurzer Krankheit im Alter von 86 Jahren in Tel Aviv verstorben ist.

Landrat Stefan Löwl zeigt sich in einer Pressemitteilung tief betroffen: "Amnon Weinstein hat mit seinem Lebenswerk unzählige Menschen auf der ganzen Welt berührt und durch seine unermüdliche Arbeit Hoffnung in die Herzen gebracht." Der Landkreis Dachau gedenke Amnon Weinsteins in großer Dankbarkeit für seinen Einsatz im Bereich der Erinnerungskultur. Weinstein kam 1939 im damals noch britischen Mandatsgebiet Palästina zur Welt, seine Eltern waren 1938 aus Vilnius geflohen. Sie waren die einzigen aus der einstmals großen Familie, die den Holocaust überlebt hatten.

Das Schicksal des ermordeten Musikers ließ ihn nicht mehr los

Weinstein führte die Werkstatt seines Vaters Moshe fort, der als erster Geigenbauer Israels gilt. Die Schatten der Vergangenheit holten Amnon Weinstein ein, als er eines Tages eine alte Geige zum Restaurieren erhielt, in deren Corpus schwarzer Staub war. Seine Nachforschungen ergaben, dass der frühere Geigenbesitzer Mitglied des Männerorchesters in Auschwitz gewesen war. Das Schicksal des ermordeten Musikers ließ ihn nicht mehr los und so beschloss Weinstein, weitere Violinen zu suchen und sie zu reparieren. Die Sammlung umfasste schließlich an die 70 Geigen.

Tel Aviv/Dachau
:Violinen der Hoffnung

Amnon Weinstein restauriert Geigen von Holocaust-Opfern. Auch eine aus Dachau hat er in seiner Werkstatt.

Von Susanne Knaul/epd

Mit der Idee, diese Geigen nicht nur zu erhalten, sondern auch wieder spielen zu lassen, ging Weinstein noch einen Schritt weiter, um die Erinnerung wachzuhalten. In vielen bewegenden Konzerten auf der ganzen Welt waren sie Botschafter für den Frieden und die Hoffnung. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, nannte sie "Überlebende des Holocausts" und "klingende Zeitzeugen, Botschafter gegen Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus und für ein menschliches Miteinander, in dem Raum für Zwischentöne und auch Dissonanzen ist, die im Zusammenspiel aufgehoben sind."

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