Werkschau in Altomünster:Bilanz eines Sommermärchens

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Da steht er wie bestellt und nicht abgeholt, der Heilige Alto, gesägt von Clemens Heinl. (Foto: Renate Schiegl)

Das Museum Altomünster zeigt die Werke des Künstlersymposiums aus dem Jahr 2022, das den Ort kurzzeitig in eine Mini-Künstlerkolonie verwandelt hat. Was aus dem Heiligen Alto nach dem Ausstellungsende wird, ist ungewiss.

Von Gregor Schiegl, Altomünster

Der Heilige Alto ist aus hartem Holz geschnitzt. Besser gesagt: gesägt. Der Bildhauer Clemens Heinl hat den Namenspatron von Altomünster mit der Kettensäge aus dem Stamm einer Eiche geholt. Entstanden ist die überlebensgroße Figur im Verlauf des ersten Künstlersymposiums, das im Sommer 2022 in der kleinen Marktgemeinde stattgefunden hat. Nun steht der Einsiedlermönch in einem winterkargen Gärtlein zwischen Klosterkirche und Museum und rätselt, ob er bleiben darf oder nicht.

Heinl hat die Figur der Gemeinde zum Kauf angeboten. 20 000 Euro sollte sie zunächst kosten. Susanne Allers, die Organisatorin des Symposiums, konnte den Bildhauer auf 8000 Euro herunterhandeln. Doch auch das ist noch viel Geld in einem kleinen Ort, der gerade erst die Gebühren für die Kinderbetreuung empfindlich nach oben schrauben musste.

Mit privaten Spendenaktionen will Allers sicherstellen, dass der Heilige bleiben kann, allein vom ehrenamtlich geführten Museumsverein sind bereits 1000 Euro zugesagt. Sollte daraus nichts werden, kommt Alto erneut unter Heinls Kettensäge. Dann würde er eine neue Daseinsform erhalten und einen neuen Standort. Leben und Kunst: eine ewige Transformation.

Vier Meisterschüler

Doch was bliebe dann noch von dem Künstlersymposium Altomünster, das die Gemeinde für kurze Zeit zu einer Art Mini-Künstlerkolonie gemacht hat? Vier Meisterschüler ließen sich im Sommer 2022 eine Woche lang von der Atmosphäre des Orts inspirieren. Wer wollte, konnte ihnen beim Arbeiten zuschauen. Was dabei herausgekommen ist, kann man in einer opulenten Werkschau im Museum Altomünster sehen.

Heinl hat neben dem Heiligen Alto auch noch einige kleinere Holzfiguren erschaffen, Aktfiguren, die trotz der Kettensägenoptik filigran und bis ins Detail perfekt proportioniert sind. Den Kopf des Heiligen Alto gibt es auch noch einmal in der Größe eines Medizinballs aus Styropor, goldglänzend und pausbäckig, ganz anders als der Asket aus Holz draußen vor der Tür.

Auch kleine Aktfiguren zeigt der Schwabacher Holzbildhauer. (Foto: Renate Schiegl)
Die Balance der Farben spielt in Ingrid Floss' Gemälden eine wichtige Rolle. (Foto: Renate Schiegl)
Bernd Schwarting hat sich bei diesem Gemälde vom barocken Stuck der Klosterkirche Altomünster inspirieren lassen. (Foto: Renate Schiegl)
Werkausstellung mit Arbeiten von Ingrid Floss, Friedemann Grieshaber, Clemens Heinl und Bernd Schwarting (Foto: Renate Schiegl)

Das Thema des Künstlersymposiums lautete "Wirklichkeit", ein Thema, das umso komplizierter und vielschichtiger wird, je länger man sich damit beschäftigt - nicht nur, wenn es um sagenhafte Gestalten aus grauer Vorzeit geht, die heute vor allem als Vorstellung existieren. Was man von der Welt mitbekommt, muss immer erst einmal durch den Filter der Wahrnehmung. Die Eindrücke erschaffen dann wieder ihre eigene Wirklichkeit. Das sieht man besonders schön an den abstrakten Farbkompositionen der Münchner Malerin Ingrid Floss. Sie bedient sich aus der Farbpalette, die Altomünster hergibt, beim Laub der Bäume, den bunten Häusern, dem Sonnenlicht über dem Hügelland. Auch das Glockenspiel der Klosterkirche hat Ingrid Floss mit Pinsel und Spachtel auf die Leinwand gebracht, eine synästhetische, rhythmisch vibrierende Kaskade von Farben, alles sehr abstrakt, und dennoch real.

Wahre Farbschlachten von Licht und Finsternis sind Bernd Schwartings großformatige Ölgemälde, die von Blumen, Ranken und unheimlichen Tieren bevölkert sind. Der Berliner Maler trägt dick auf, die pastosen Farben bilden oft fleischige Blüten und Ornamente, die er mit den Fingern in Form drückt und den Bildraum so über die Leinwand hinaus erweitert. Ornamentale Details von einer Wand der Klosterkirche hat er als Relief aus Ölfarbe auf die Leinwand gebracht, eher modelliert als gemalt.

Es gibt Spannenderes, als Zement beim Trocknen zuzusehen

Der vierte Künstler ist der Betonbildhauer Friedemann Grieshaber. Jedes Element seiner plastischen Objekte muss er erst in eine maßgefertigte Form gießen. Diese Verschalung ist gewissermaßen die Negativform. Grieshabers Arbeiten, die auch im Bundestag zu finden sind, sind beeindruckend, allerdings ist ein Betonbildhauer keine sehr glückliche Wahl für ein Künstlersymposium. Es gibt Spannenderes, als Zement beim Trocknen zuzusehen.

Die Bilanz dieses künstlerischen Experiments ist gleichwohl beeindruckend, und es zeigen sich die Vorzüge, Kunst auf dem Land zu machen. Als Heinl sich beim Künstlersymposium an der Schulter verletzte, half Michael Reiter an der Kettensäge aus. Er ist nicht nur Bürgermeister, sondern auch gelernter Zimmermann. Ob es eine Neuauflage dieses ungewöhnlichen Formats geben wird, steht in den Sternen. Es ist, wie auch beim Heiligen Alto, eine Frage der weltlichen Macht. An Susanne Allers wird es gewiss nicht scheitern. "Ich stünde bereit", sagt sie. Der Heilige Alto übrigens auch.

Die Werkschau ist noch bis Sonntag, 18. Februar, im Museum Altomünster zu sehen. Am Sonntag, 11. Februar, gibt es noch einmal eine Führung durch die aktuelle Ausstellung.

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