Mordversuch im Taxi:"Ich wollte Sie bestimmt nicht töten"

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  • Eine 30-Jährige muss sich vor dem Landgericht München verantworten, weil sie versucht haben soll, einen Taxifahrer mit einem Schal zu ermorden.
  • Die Frau soll den Mann während der Fahrt von München in den Landkreis Dachau mit einem Schal gewürgt haben.
  • Zuvor soll die Angeklagte den 73-Jährigen zum Anhalten aufgefordert haben.

Aus dem Gericht von Andreas Salch, Dachau

Das Opfer, ein 73 Jahre alter Taxifahrer, ahnte, dass mit der jungen Frau, die im Fond seines Wagens saß, etwas nicht stimmte. Ihre Pupillen waren auffallend geweitet. Außerdem schien die 30-Jährige unter dem Einfluss von Medikamenten, Betäubungsmitteln oder Alkohol zu stehen.

Es war in den frühen Morgenstunden des 13. März vorigen Jahres, als der Taxifahrer die Frau von München in den Landkreis Dachau fuhr, wo sie mit ihrem Mann wohnte. Während der Fahrt soll sie versucht haben, den Taxifahrer mit einem Schal zu strangulieren. Seit Freitag muss sich die junge Frau vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen versuchten Mordes erhoben.

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Von Christina Hertel

Auf der Fahrt in den Landkreis Dachau hatte die 30-Jährige den Taxifahrer mehrmals schreiend aufgefordert, sofort anzuhalten. Dann sollte der 73-Jährige aber wieder schneller fahren. Da das Taxi nicht hielt, hatte die Angeklagte versucht, während der Fahrt auszusteigen. Kurz darauf schien sie sich beruhigt zu haben. Dann jedoch passierte es: Plötzlich warf sie einen Schal um den Hals des Taxifahrers und zog zu.

Das Taxi fuhr in diesem Augenblick mit einer Geschwindigkeit zwischen 70 und 80 Kilometern in der Stunde. Der Taxifahrer erlitt Todesangst. Er machte eine Vollbremsung. Es gelang ihm, die Schlinge um seinen Hals abzustreifen. Doch die junge Frau ließ nicht von ihm ab. Sie griff nach dem Schal und wollte den 73-Jährigen erneut strangulieren. Es gelang ihr aber nicht. Der Taxifahrer hatte ihr den Schal abnehmen können.

"Ich wollte Sie bestimmt nicht töten", versicherte die 30-Jährige dem Taxifahrer zum Prozessauftakt unter Tränen. Er tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Die Angeklagte ist Studentin, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie habe psychische Probleme und habe sich deshalb bereits behandeln lassen, so die junge Frau. Außerdem habe sie ein Alkoholproblem.

Die 30-Jährige verlas ihre Einlassung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Bereits zuvor gab ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Mathias Grasel, der im NSU-Prozess Beate Zschäpe vertritt, eine Stellungnahme ab. Dass ein Verteidiger so etwas vor Beginn der Beweisaufnahme tut, ist ungewöhnlich. Doch der Vorsitzende, Richter Thomas Bott, ließ den Anwalt gewähren.

Grasel betonte unter anderem, dass in dem Prozess Dinge zur Sprache kommen werden, die mit dem Ermittlungsverfahren nicht in Einklang zu bringen seien. Die Bewertung der Tat als versuchter Mord sei "fehlerhaft". Der Taxifahrer habe sich auch nicht in Lebensgefahr befunden, dies werde das Gutachten der Rechtsmedizin zeigen. Darüber hinaus sei seine Mandantin bei der Tat stark alkoholisiert gewesen.

Sie habe doch nur aussteigen wollen

Die 30-Jährige gab an, sie habe zuvor fast zwanzig Flaschen Bier getrunken, weil sie sich mit ihrem Mann zerstritten hatte. Das Verhalten des Taxifahrers werfe Fragen auf, so Grasel. Obwohl die Angeklagte während der Fahrt habe aussteigen wollen, habe der 73-Jährige sie weiter chauffiert. Naheliegend wäre doch gewesen, wenn er sie einfach rausgeworfen hätte, meinte Grasel.

Zudem stelle sich die Frage, warum der Taxifahrer, nachdem er die 30-Jährige nach Hause gefahren hatte, seine Schicht nicht beendet habe. Der 73-Jährige war erst acht Stunden später zur Polizei gegangen. Ein Tötungsvorsatz habe nicht vorgelegen, so der Verteidiger. Dass die Angeklagte versucht habe, während der Fahrt auszusteigen, zeige, dass sie "hochgradig verängstigt" gewesen sei.

Auch die Studentin hob bei der Verlesung ihrer Aussage hervor, dass sie große Angst gehabt habe. Sie habe die Gegend nicht gekannt, durch die das Taxi fuhr. Deshalb habe sie einen Notruf abgesetzt. Der Empfang sei aber nicht zustande gekommen. Ihren Schal habe sie über den Fahrersitz geworfen, um den Taxifahrer zum Anhalten zu zwingen. Dass sie ihren Schal um dessen Hals geschlungen habe, habe "ich in diesem Moment nicht realisiert". Sie habe doch nur aussteigen wollen, so die Angeklagte. Als die Polizei sie zwei Tage später festgenommen habe, "verstand ich die Welt nicht mehr". Der Prozess dauert an.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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