Informationsfreiheit in Bayern:Der Ausschuss war schneller

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Der Dachauer Grünen-Stadtrat Martin Modlinger ist bis vor das Verwaltungsgericht gezogen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zweieinhalb Jahre lang hat der Dachauer Grünen-Stadtrat Martin Modlinger um Transparenz in der sogenannten "Maskenaffäre" gekämpft. Jetzt ist ihm der Landtag zuvorgekommen. 

Von Benjamin Stibi, Dachau

Martin Modlinger hat einen langen Atem. Immer wieder zwingt der Dachauer Grünen-Stadtrat Behörden zu mehr Transparenz, indem er bei ihnen Anträge auf Aktenauskunft stellt. Der Staat lässt sich jedoch ungern in die Karten schauen. Dass sich solche Verfahren Monate, wenn nicht Jahre hinziehen und schließlich vor Gericht landen, ist daher nicht unüblich.

Erst kürzlich hat Modlinger Tausende Euro bezahlt, um vom Landratsamt Informationen zu einem möglichen Interessenkonflikt zu bekommen: Ein hochrangiger Landratsamtsmitarbeiter ist gleichzeitig der Geschäftsführer eines Sicherheitsunternehmens, das von eben jener Behörde mehrere Aufträge zur Bewachung von Asylunterkünften im Landkreis erhalten hat. Modlinger stellte seine Anfrage schon vor einem Jahr, doch erst als er im Oktober eine Untätigkeitsklage erhob, ging etwas vorwärts. Das Landratsamt musste jedoch zugeben, dass wichtige Dokumente zu diesen Vergabeentscheidungen nicht mehr auffindbar seien.

Man könnte also sagen, Modlinger kennt sich aus mit fragwürdigen Deals. Kein Wunder, dass er auch in der "Maskenaffäre", die mitten in der Corona-Krise die bayerische Landespolitik erschütterte, von Beginn an für Aufklärung kämpfte. Doch diesmal kam ihm der Landtag zuvor.

Modlinger musste erst vors Verwaltungsgericht ziehen

Am 6. April 2021 stellte Modlinger über die Plattform "Frag den Staat" einen Antrag an das Bayerische Gesundheitsministerium. Die Behörde sollte ihm alle Informationen zusenden, die sie vorliegen hatte über "Kontakte und Kontaktversuche" von Landtagsabgeordneten mit öffentlichen Stellen, "die einen Bezug zur Corona-Pandemie und angeregten oder verwirklichten Aufträgen an Unternehmen aufweisen". Der Stadtrat wollte wissen, "ob einige der mich als Bürger vertretenden Mitglieder des Landtags die Corona-Krise genutzt haben, um sich persönlich zu bereichern".

Kurz zuvor hatten Medien erstmals berichtet, dass mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete staatliche Corona-Deals mit Unternehmen eingefädelt hatten. Dabei ging es beispielsweise um die Beschaffung von Masken und Schutzausrüstung. Für ihren Beitrag zur Pandemiebewältigung kassierten die Vermittler Provisionszahlungen in Millionenhöhe. Vorwürfe der Korruption und Steuerhinterziehung wurden gegen sie laut.

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Martin Modlinger will für die Grünen in den Landtag einziehen. Bislang kämpft der Dachauer Stadtrat vor allem um Transparenz - und verklagt dafür auch gern mal Behörden auf Akteneinsicht.

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Doch das Ministerium weigerte sich, Modlingers Antrag nachzukommen, weshalb der Grünen-Stadtrat im Mai 2021 vor das Verwaltungsgericht München zog. Dort passierte aber erst einmal nichts. In der Zwischenzeit entdeckte die Landtagsopposition das Thema für sich: Im Dezember 2021 setzte das Parlament den "Untersuchungsausschuss Maske" ein, forderte unter anderem vom bayerischen Gesundheitsministerium Akten an und befragte in 45 Sitzungen 139 Personen als Zeugen.

Im Mai 2023 beendete der Ausschuss seine Arbeit im Dissens: Während die Opposition systematische Vetternwirtschaft bei der Maskenbeschaffung beklagte, gab es für die Regierungsfraktionen nur einzelne "schwarze Schafe" wie die Politikertochter Andrea Tandler, die gerade zu vier Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt wurde. Damit hat sich das Thema erledigt - auch für Modlinger.

Das Gesundheitsministerium argumentierte nun vor Gericht, der Schlussbericht des Untersuchungsausschusses sei im Internet frei abrufbar und beantworte alle seine Fragen, seine Auskunftsklage sei damit hinfällig geworden. Der Stadtrat gab zähneknirschend nach und man einigte sich vergangenen Freitag darauf, das Verfahren einzustellen. Ein eher enttäuschendes Ende.

Die Regierenden haben eine Verantwortung

Für Modlinger beweist dieser Vorgang mal wieder, wie schlecht es um die Informationsfreiheit in Bayern steht. "Es sollte nicht erst einen Untersuchungsausschuss brauchen, damit Transparenz hergestellt wird, sondern der einfache Bürger sollte auch so darauf vertrauen können, dass ein Ministerium seine Anfragen zeitnah beantwortet", fordert er. Die Regierenden müssten sich grundsätzlich gegenüber der Bevölkerung verantworten, und dafür seien Transparenz und Kontrolle essenziell. Er teilt die Einschätzung der Landtagsopposition, dass der Untersuchungsausschuss gezeigt habe, dass es bei der Maskenbeschaffung zu einer klaren ungerechten Bevorzugung von Angeboten aus CSU-Kreisen gekommen war.

Sein Engagement läuft indes weiter. Während das Landratsamt Dachau seine Dokumentensuche fortsetzt, hat Modlinger schon ein neues Thema für sich entdeckt: der Einsatz der umstrittenen Polizeisoftware des US-Unternehmens "Palantir" in Bayern. Er möchte die Ausschreibungsunterlagen des Bayerischen Innenministeriums einsehen. Dafür hat er schon einen neuen Antrag gestellt.

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