Landesentwicklungsplan:Abseits jeglicher Realität

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Der Landkreis Dachau boomt: Deshalb muss vor allem entlang der S-Bahn-Linie, etwa hier in Petershausen, nachverdichtet werden. Das Landesentwicklungsprogramm muss die Grundlagen dafür schaffen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zu Recht erzürnen sich die S-Bahn-Gemeinden darüber, dass sie nicht mehr als Ballungsraum gelten. Damit wird schwieriger, Bauland auszuweisen - doch genau das braucht es doch dringend im Landkreis Dachau.

Kommentar von Anna Schwarz, Dachau

Es ist völliger Irrsinn, was sich der Ministerrat beim Neuentwurf des Landesentwicklungsprogramms zusammengeschustert hat: Die S-Bahn-Gemeinden Hebertshausen, Röhrmoos und Vierkirchen sollen künftig nicht mehr als Ballungsraum gelten, Petershausen wird nicht als solcher anerkannt. Die Gemeinden sind quasi nur mehr Kuhdörfer irgendwo im Nirgendwo - rund 35 Kilometer von München entfernt. Die Herabstufung hat für die Gemeinden erhebliche Nachteile und ist abseits jeglicher Realität.

Der Landkreis boomt. Das bestätigt auch der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München: Laut einer Statistik ist der Landkreis bei Neubürgern in der Region München mit Abstand am beliebtesten. Bis 2037 soll die Region München weitere 3,2 Millionen Einwohner anlocken, besagen Prognosen des Statistischen Landesamts. Von diesen Neubürgern werden lediglich 169 000 in München eine neue Heimat finden, der Rest wird sich im Umland niederlassen - die meisten laut Prognose im Landkreis Dachau. Und wo werden sie sich wohl ansiedeln? Entlang der S-Bahn-Achse, damit sie bequem zur Arbeit nach München kommen.

Das macht das Leben vor allem für Erzieher und Erzieherinnen deutlich schwerer

Das macht sich schon jetzt bei den übersteigerten Grundstückspreisen bemerkbar, etwa in Hebertshausen: Für eine Drei-Zimmer-Eigentumswohnung mit 71 Quadratmetern aus dem Jahr 2001 muss man rund 565 000 Euro hinblättern. Im Gegensatz dazu kostet eine Zwei-Zimmer-Terrassenwohnung mit 65 Quadratmetern und Garten im strukturschwachen Landkreis Regen in Niederbayern nur 125 000 Euro. Das verdeutlicht: Die Landkreisbürger müssen allein für die Wohnkosten tiefer in die Tasche greifen. Und nun soll für Gemeindemitarbeiter in den S-Bahn-Gemeinden auch noch die Ballungsraumzulage wegfallen - dank des LEP. Das macht das Leben vor allem für Erzieher und Erzieherinnen deutlich schwerer. Was für eine Schande!

Eine weitere Entscheidung im LEP: Künftig sollen nur noch Dachau und Karlsfeld als Ballungsraum gelten. Das bedeutet: Hier ist es einfacher, neues Bauland auszuweisen. Aber wohin soll Dachau noch wachsen? Bis 2030 sollen mehr als 60 000 Einwohner in der Kreisstadt wohnen. Die benötigte Infrastruktur kann damit aber nicht mithalten, sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Allein die Kinderbetreuung, wofür die Stadt bereits jetzt ein zweistelliges Millionendefizit habe, müsste weiter aufgestockt werden: "Finanziell können wir uns dieses Wachstum nicht mehr leisten", sagt Hartmann.

Auch in Karlsfeld explodieren die Immobilienpreise, in einer Studie wurde es zur Kommune mit den höchsten Mietpreisen in Deutschland ausgerufen. Da bleibt doch nur eine Möglichkeit aus der Misere: Auch in den Landkreisgemeinden entlang der S-Bahn-Achsen muss nachverdichtet werden - und das LEP muss die Grundlagen dafür schaffen.

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