Pressegespräch:Der Landkreis setzt auf Prävention

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Seit dem 1. April ist die Aufzucht von bis zu drei Cannabis-Pflanzen für den Eigenkonsum legal. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Seit einer Woche ist das neue Cannabisgesetz in Kraft. Polizei, Jugendamt, Suchtberatung und Amtsgericht tauschen sich über die Umsetzung im Landkreis Dachau aus - und sind sich vor allem in einem Punkt einig.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Eine Woche ist das Cannabisgesetz nun alt. Das ist zu früh für eine erste Bilanz, aber das Dachauer Landratsamt hatte ja einerseits bereits mit der Entscheidung des Bundesrats am 22. März zum Pressegespräch an diesem Montag eingeladen, andererseits will die Runde vor allem grundsätzlich über die Auswirkungen und die Umsetzung des neuen Gesetzes im Landkreis sprechen.

Den Anfang macht Landrat Stefan Löwl (CSU). Es habe, sagt er, schon bevor das Cannabisgesetz in Kraft getreten sei, ein erstes Gespräch mit allen wichtigen Akteuren gegeben - von der Suchtberatung übers Amtsgericht und der Polizei bis hin zum Jugendamt - und dabei sei neben anderen Punkten vor allem eines Konsens gewesen: Dass seit dem 1. April nun schon 18-Jährige legal an die Droge kommen, das sei zu früh - denn: Droge bleibe Droge, egal ob legal oder illegal. Besser wäre gewesen ab 25 oder zumindest erst ab 21 Jahren, eben dann, wenn das Gehirn vollständig entwickelt ist. Außerdem, auch da sei man sich einig: Die 25 Gramm, die man nun als Erwachsener legal besitzen darf, das sei "viel zu viel". Immerhin könne man daraus laut Experten bis zu 75 Joints bauen.

Von links: Jugendamtsleiter Martin Friedrich, der stellvertretende Polizeichef Michael Engert und Landrat Stefan Löwl beim Pressegespräch. (Foto: Toni Heigl)
Olaf Schräder, Sylvia Neumeier und Ludwig Gasteiger (von links) sehen in dem neuen Gesetz vor allem eine Chance. (Foto: Toni Heigl)

Löwl sagt, gut sei allerdings, dass die "strafrechtliche Stigmatisierung" wegfalle, sprich, dass eine Jugendsünde einem nicht mehr das ganze Leben versauen kann. Gleichwohl bedeute das neue Gesetz eben auch weniger Handhabe und richterliche Weisungen, Angebote wie jene der Suchtberatungsstelle Drobs in Anspruch zu nehmen.

Der einzige Weg führe fortan über die Eltern und, wenn das nichts bringe, über das Jugendamt, Stichwort Kindeswohlgefährdung. In allen Fällen sei man darauf angewiesen, dass alle mitziehen. Außerdem, auch das droht Löwl an: Wer mehrmals beim Kiffen erwischt werde und Beratungsangebote partout ablehne, der müsse damit rechnen, dass er keinen Führerschein machen darf, weil mit dem regelmäßig Drogenkonsum die Tauglichkeit für den Straßenverkehr zumindest fraglich sei.

Konkrete Konzepte zur Prävention fehlen bislang

Gezeigt wird dann auch noch mal die Karte, auf der man die Cannabis-Konsumverbotszonen im Landkreis findet, vermerkt mit dem Hinweis Löwls: Die Karte habe vor allem zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, "die Karte wird leben". Das Meldeangebot weiterer Verbotszonen habe bislang eine Handvoll Menschen genutzt, diese würden nun geprüft und gegebenenfalls ergänzt.

Als Beispiel, was noch ergänzt werden könnte, nennt Löwl die Spielplätze in privaten Wohnanlagen, die öffentlich zugänglich sind. Auch hier gelte weiterhin das Verbot von Cannabiskonsum. Ebenso sei dieser in Gegenwart von Minderjährigen immer untersagt - ganz egal, wo. Zum Beispiel gelte das auch in privaten Wohnungen. Allerdings, auch daraus macht Löwl keinen Hehl: Das in allen Fällen zu kontrollieren, dürfte schwierig werden. Immerhin wird es laut Michael Engert, stellvertretender Polizeichef, dafür weder mehr Personal noch engmaschigere Kontrollen geben. Auch dass es schon bald Geräte gibt, mit denen man ähnlich wie beim Alkomat Cannabis und andere Substanzen einfach nachweisen kann, glaubt er nicht.

Ludwig Gasteiger vom Kreisjugendring, Sylvia Neumeier von Drobs und Olaf Schräder vom Zweckverband Jugendarbeit sind sich aber ohnehin einig: Es werden nicht so sehr die Kontrollen sein, die fortan den Unterschied machen - vielmehr ist es die Entkriminalisierung und die damit einhergehende Enttabuisierung. Denn Fakt sei ja: Gekifft worden sei schon lange vor dem 1. April, der Vorteil, den man durch die neue Gesetzeslage habe, sei, dass man nun mit allen Beteiligten offener über das Thema sprechen könne.

Das große Stichwort aller lautet deshalb: Prävention, und zwar so viel und so früh wie möglich. Idealerweise schon ab der 6. Klasse. Ganz neu ist das freilich nicht, an der Dachauer Berufsschule etwa gibt es schon jetzt jährlich 16 dafür vorgesehene Termine. Nie ging es dabei nur um Cannabis, sondern eben um Drogen und Sucht in allen Facetten. Inwiefern man verstärkt über Cannabis aufklären wird, dazu wolle das Bayerische Kultusministerium bald näheres bekannt geben, so Schulleiter Franz Ritzel. Warum man eine Woche nach Inkrafttreten des Gesetzes noch wenig Konkretes dazu sagen kann, wie die neuen Präventionsmaßnahmen aussehen werden oder wie viel Geld dafür zur Verfügung stehen wird? Darüber wundert man sich auch im Sitzungssaal des Landratsamts.

Auch sonst gibt es noch ein paar offene Fragen: Wird zum Beispiel, wie der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath befürchtet, der Konsum von Cannabis stark steigen, weil nun alle denken, dass die Droge "nicht so schlimm" ist? Wird der bürokratische Aufwand für Polizei und Staatsanwaltschaft "verheerend"? Werden sich "Drogenbarone" ins Fäustchen lachen, weil Dealer fortan nicht mehr von Konsumenten zu unterscheiden sind? Es bleibt wohl nur eines: Abwarten.

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