Dachau/München:Gericht verurteilt Kameramann des selbsternannten "Volkslehrers"

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Obwohl dort Drehverbot besteht, hat Stefan Z. am Eingangstor zur KZ-Gedenkstätte gefilmt. (Foto: Sven Hoppe/picture alliance/dpa)

Der Filmer des rechtsextremen Videobloggers Nikolai Nerling hat im Februar 2019 unerlaubte Aufnahmen auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau gemacht. Nun muss er eine Geldstrafe bezahlen.

Von Andreas Salch, München/Dachau

Als der selbsternannte "Volkslehrer", Holocaustleugner, Rechtsextremist und Antisemit Nikolai Nerling am 4. Februar 2019 die KZ-Gedenkstätte Dachau besuchte, kam es zum Eklat. Nerling, Videoblogger und einer der bekanntesten Rechtsextremisten Deutschlands, wollte für seine Homepage ein Video zum angeblichen "Schuldkult" drehen. Nachdem eine Mitarbeiterin, die gerade eine Schülerklasse durch die Gedenkstätte führte, ihn erkannt hatte, meldete sie dies der Verwaltung. Nerling begann daraufhin auf die Schüler einer 9. Klasse eines Gymnasiums einzureden. Dabei soll er unter anderem zu ihnen gesagt haben, sie sollen sich "hier nicht manipulieren lassen". Stefan Z. assistierte Nerling bei dem Besuch der KZ-Gedenkstätte als Kameramann. Der "Volkslehrer" und Z. wurden von Mitarbeitern der Verwaltung angehalten, das Gelände zu verlassen.

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Nerling ist wegen seines Verhaltens in der KZ-Gedenkstätte an jenem 4. Februar 2019 inzwischen rechtskräftig wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000 Euro verurteilt worden. Kameramann Stefan Z., mit dem sich Nerling im November 2020 vor dem Landgericht München II verantworten musste, wurde wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 1500 Euro (50 Tagessätze à 30 Euro) verurteilt. Anders als Nerling hatte der selbständige Fotograf aus Marburg mit seiner Revision gegen das Urteil des Landgerichts München II Erfolg vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht. Die Richter des Revisionssenats bemängelten unter anderem, dass aus der Urteilsbegründung des Landgerichts nicht eindeutig hervorgehe, warum genau Stefan Z. vom Gelände der KZ-Gedenkstätte verwiesen wurde.

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Als Z. sich am vergangenen Donnerstag erneut wegen des Besuchs der KZ-Gedenkstätte Dachau mit Nerling vor dem Landgericht München II verantworten musste, sagte er als allererstes: In den Schilderungen der Zeugen des Eklats sei "unglaublich viel Fiktion mit drinne". Dass er auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers - Z. nannte es einen "kulturell interessanten Ort" - gefilmt haben soll, treffe nicht zu. Am Eingangstor, wo Nerling eine "Anmoderation" für seinen Beitrag machte, ja, da habe er gefilmt. Er habe aber nicht gewusst, dass dort bereits ein Drehverbot bestehe, versicherte Z. und fügte hinzu: "Wir wollten keinen Tumult provozieren." Ob er die Schilder mit der Benutzerordnung der Gedenkstätte nicht gesehen habe, erkundigte sich die Vorsitzende Richterin. "Weiß nicht, ich meine nicht", lautete die Antwort des Kameramannes.

"Sie haben Aufnahmen gemacht, um Gegenreaktionen zu provozieren"

Auf die Vorsitzende Richterin wirkten dies und offenbar auch die anderen Einlassungen von Stefan Z. nicht überzeugend. Als sie am frühen Abend ihr Urteil begründete, ließ die Richterin keinerlei Zweifel daran, dass es Z. und Nerling nur um eines ging und zwar mit den Aufnahmen zu provozieren, sagte sie zu dem Kameramann auf der Anklagebank und verurteilte ihn wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 375 Euro (25 Tagessätze à 15 Euro). Mit dem Urteil folgte die Kammer dem Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft, der allerdings für eine höhere Geldstrafe plädiert hatte. Z.s Verteidiger forderte indes einen Freispruch für seinen Mandanten und warf der Staatsanwaltschaft vor "leider einen ganz besonderen Verfolgungseifer" im vorliegenden Fall an den Tag gelegt zu haben. Der Platzverweis durch die Mitarbeiter der Gedenkstätte sei "nicht verhältnismäßig" gewesen, erklärte Rechtsanwalt Andreas Wölfel unter anderem.

In der KZ-Gedenkstätte Dachau, einer Stiftung mit einem öffentlichen Bildungsauftrag, dürfe sich jeder "unabhängig von seiner politischen Gesinnung" informieren, stellte die Vorsitzende Richterin fest - aber "nur im Rahmen der Benutzerordnung". Aus Sicht der Kammer haben sich Stefan Z. und Nerling aber nicht daran halten wollen. Dass Z. die Schilder mit der Benutzerordnung nicht gesehen haben will, wertete das Gericht als "Schutzbehauptung". Er habe sich nicht von Nerling distanziert, sagte die Vorsitzende zu Stefan Z.: "Sie haben Aufnahmen gemacht, um Gegenreaktionen zu provozieren."

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