Konzertkritik:Kalkulierte Filigrananarchie

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Jazzgebläse mit rockiger Gitarre. "Edi Nulz" sprengen übliche musikalische Genre-Grenzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Trio "Edi Nulz" beweist jede Menge Spielwitz. Im Bemühen um Vielseitigkeit geht allerdings manchmal der rote Faden verloren.

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Die Frage, ob es sich bei der Musik des österreichisch-deutschen Trios Edi Nulz nun um Jazz, Rock, Jazzrock oder Rockjazz handelt, ist auch nach dem Konzert beim Jazz e.V. in der Kulturschranne nicht zu beantworten. Es ist aber auch überflüssig, diese Entscheidung zu treffen. Klar ist, dass die Kompositionen von Edi Nulz eine ganz gehörige Rockkomponente in sich tragen. Das liegt grundsätzlich schon mal daran, dass Julian Adam Pajzs eine verzerrte E-Gitarre spielt, manchmal sogar eine tiefe Bariton-E-Gitarre, mit der er trotz Ermangelung eines Basses ein sattes, tiefes Klangfundament zaubert. Dabei lässt er seine Riffs und Akkorde mitunter schön derb dahinbrettern. Dazu kommt der Beat: Oft lassen es die drei Herren, Schlagzeuger Valentin Schuster allen voran, simpel und prägnant stampfen und krachen. Das rockt dann wirklich hübsch.

Fehlt noch der dritte Mann: Siegmar Brecher an der Bassklarinette. Seine hypnotisch überblasenen, eindringlichen Linien sind prägend - und hauptverantwortlich dafür, dass man dieses Konzert in manchen Passagen als eingängig-melodisch empfindet (wozu auch die relativ freundliche Harmonik und der für Jazz-e.V.-Verhältnisse überschaubare Dissonanzgrad beitragen). Doch manchmal wechselt Brecher auch mit Gitarrist Pajzs die Aufgaben und grundiert dessen Gitarrensoli mit einer dunkel fließenden Bassstimme.

Präzise und hinreißend

Damit wäre ein Hauptcharakteristikum dieser Musik angesprochen: die Interaktion. Feingliedriger könnte die kaum ausgearbeitet sein. Wie präzise Pajzs und Brecher ihre Instrumente in rasenden Skalen koordinieren, ist von hinreißender Perfektion, ebenso, wie nahtlos sich Schuster in jedem Moment ebenfalls darin einfindet - kein Wunder, hält er doch ununterbrochenen Augenkontakt zu seinen Bandkollegen. Beeindruckend ist, wie gut die vielen Tempo-, Dynamik- und atmosphärischen Stimmungswechsel dadurch gelingen. Denn diese sind ein weiteres zentrales Merkmal: Selten werden bei dem Trio Ausdrucksmaxima (sowohl im Lauten als auch im Leisen) durch ausgedehnte Entwicklungsprozesse erreicht. Vielmehr haben die drei ein Faible für das Überraschungsmoment, für unvermittelte Registerwechsel, für plötzliches Pianissimo, das einen aus dem eben erklungenen Forte-Furioso herausreißt, für übergangslos dreinfahrende Rhythmusänderungen.

Das zeigt, dass die freie Improvisation in dieser Darbietung nicht einzig entscheidend ist, sondern dass die Kompositionen in vielen Details exakt austariert sind. Die Darbietung hätte damit das Potenzial, verkopft durchexerziert statt aus der spontanen Kraft des Augenblicks heraus musiziert zu wirken. Sie erscheint aber alles andere als akademisch, denn die Herren von Edi Nulz paaren ihre kammermusikalisch ernstzunehmende Spielkultur mit sprühendem Spielwitz.

Ein bisschen zu viel bisschen

Dazu gehören auch die Gschichterln: Schuster erzählt sie zwischendurch zu den Einzeltiteln, die auf skurrile Banderlebnisse zurückgehen und Namen wie "An der vulgären Kante" oder " . . . und das Geheimnis der Achtelnoten" tragen. Das ist lustig - auch ein bisschen gewollt lustig.

Dieses "bisschen" ist in der Gesamtschau das Problem dieses Konzerts: Von allem, so scheint's, wollen Edi Nulz ein bisserl was. Ein bisschen Rockriff, ein bisschen klangfarbliches Abschattieren, ein bisschen Melodie, ein bisschen Zergliederung, ein bisschen Musikhandwerk, ein bisschen Elektrosounds, ein bisschen Dekonstruktion, ein bisschen Schönheit. Möglichst alles gewitzt in jeder Komposition auf kleinstem Raum kurz angerissen. Das ergibt eine lustig durchkalkulierte Filigrananarchie, durch die die meisten Kompositionen wie beeindruckend feine Zauberstückerl wirken. So kurzweilig die beim Zuhören auch sind - dem Gesamteindruck fehlt etwas die Konsequenz.

Das nächste und den Jazzherbst abschließende Konzert findet am Samstag, 26. November, um 20 Uhr in der Kulturschranne statt. Es kommt das Trio Barry-Altschul-3dom-faktor.

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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