Kokainhandel in Dachau:Das Geheimnis der weißen Trüffel

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Er ist inzwischen wegen Kokainhandels verurteilt, doch die Ermittlungen gehen weiter: Ein Dachauer Gastronom hat vor Gericht filmreife Taten gestanden.

Florian Tempel

Irgendwann Ende Herbst 2009 war er auf einmal weg. Der Betreiber zweier bekannter italienischer Lokale in der Dachauer Altstadt war von heute auf morgen verschwunden. Er war freilich alles andere als untergetaucht oder abgehauen, wie sich Mitte Juni zeigte, als er plötzlich wieder da war: als Untersuchungshäftling und Angeklagter in Landshut. Der Gastronom war in Kokaingeschäfte von nicht unerheblichem Ausmaß verstrickt, in erstaunliche und dreiste Drogenstraftaten mit gleichermaßen lokaler wie internationaler Dimension, für die er nun drei Jahre und elf Monate im Gefängnis büßen muss.

Beschlagnahmte Kokainpäckchen: Ein Dachauer Gastronom war in Kokaingeschäfte von internationalem Ausmaß verstrickt. Dafür muss er nun drei Jahre und elf Monate im Gefängnis büßen. (Foto: dpa)

Die Ermittlungen, die zu seiner Festnahme, Überführung und Verurteilung führten, nahmen im Januar 2009 in Erding ihren Anfang. Die Drogenfahnder der Kripo Erding begannen damals, ein italienisches Restaurant in Erding unter die Lupe zu nehmen. Am 11. November 2009 rückten sie zur Razzia an. Das alles geschah in aller Stille und unter Vermeidung jeglichen Aufsehens. Die Pressestelle im Polizeipräsidium in Ingolstadt spielte die Sache zunächst herunter.

Das Ganze sei "nicht gerade der große Aufmacher", befand der Pressesprecher der Polizei. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" bat er sich noch etwas Zeit aus, bis Näheres bekannt gegeben werde. Als die Pressemitteilung mehr als eine Woche nach der Razzia herauskam, war sie in der Tat wenig spektakulär. Drei Männer waren festgenommen und gerade mal 45 Gramm Kokain sichergestellt worden. Das Einzige, was schon damals auf größere Rauschgiftgeschäfte und einen mindestens semiprofessionellen kriminellen Hintergrund deutete, war die Beschlagnahme von erstaunlich viel Bargeld - 80.000 Euro - und einer Pistole vom Kaliber 9.

Die Ermittlungen der Erdinger Drogenfahnder waren bis zur Razzia mühsam gewesen. Es gab nur schwer zu verwertende Mitschnitte aus Telefonüberwachungen. Von kiloweise "weißen Trüffeln" war die Rede, von tausenden Euro, die endlich abkassiert werden müssten, weil die Lieferanten ungeduldig würden. Eindeutig war das alles nicht, denn: Der Erdinger Restaurantbetreiber war tatsächlich Trüffelhändler.

Zu schlau für die Kripo?

Seit Jahren fuhr er durch ganz Bayern und verkaufte die weißen und schwarzen Feinschmeckerpilze an Spezialitätenrestaurants. Sein Kompagnon sagte vor Gericht aus, alle an den Drogengeschäften Beteiligten hätten sogar gewusst, dass die Polizei sie schon seit Monaten im Visier hatte. Und trotzdem hätten sie weiter gemacht. Sie glaubten offensichtlich, sie wären zu schlau für die Kripo. Vielleicht war ihre Hybris aber auch nur eine Folge ihres eigenen, ständigen Kokainkonsums.

Doch der Pizzabäcker des Lokals verlor schließlich die Nerven und wandte sich an die Polizei. Er war es auch, der den Namen des Dachauer Gastronomen nannte und ihn erheblich belastete. Eine Flucht nach vorn, die ihm nichts brachte. Auch er wurde wegen Drogenhandels zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Für die Aufklärung des vielleicht dreistesten Gaunerstücks des gesamten Prozesskomplexes waren seine Aussagen jedoch wesentlich. Nachdem er geredet hatte, wurden auch die anderen überführt.

Der Dachauer Restaurantbesitzer räumte in seinem Prozess seine filmreife Tat schließlich ein. Im Juni 2008 hatte er zwei Männer beauftragt, irgendwo vom Balkan ein Kilogramm Kokain zu besorgen. Er hatte sie mit seinem Auto losgeschickt. Weil seine Kuriere bei der Rückfahrt dummerweise zwei Mitfahrer mit gefälschten Pässen mitnahmen und das in Igoumenitsa dem griechischen Zoll auffiel, wurden die Männer verhaftet und das Auto beschlagnahmt. Monatelang stand es in einer Zollhalle, beladen mit einem Kilogramm Kokain.

Doch der Dachauer Gastronom wollte nicht mehr länger auf die Freigabe seines Autos warten. Er fuhr mit dem Schankkellner der Erdinger Pizzeria nach Igoumenitsa, brach nachts in die Halle ein und holte völlig unbemerkt das Kilogramm Rauschgift aus seinem Auto. Zurück in Deutschland, besprach man sich in dem Erdinger Lokal und beschloss, das Kokain in Süditalien zu verkaufen. An wen? Die Ermittler wissen es nicht genau, doch allem Anschein nach an die kalabrische Mafia.

Auch der Erdinger Pizzeria-Wirt und Trüffelhändler packte in seinem Prozess aus, nachdem er lange eisern geschwiegen hatte. Mit der neuen Information, dass in Dachau noch ein weiterer Mann lebe, der in die Kokaingeschäfte massiv verwickelt sei, ein "gewisser Conny". Die Prozesse in Landshut sind vorbei. Doch die Ermittlungen gehen weiter.

© SZ vom 16.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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