Dachauer Ausbildungsoffensive:Einfallsreichtum gegen Erziehermangel

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In ganz Deutschland mangelt es an Erzieherinnen und Erziehern. In Dachau warten deshalb 195 Kinder auf einen Betreuungsplatz. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Dachau begegnet dem Mangel an Kita-Personal mit einem ungewöhnlichen Maßnahmenkatalog: Denn von den 17,5 neuen Stellen sind nur drei für ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher.

Von Leonard Scharfenberg, Dachau

Erst im März hat die Stadt Dachau eine neue Kindertagesstätte am Amperweg eingeweiht. In zwei Gruppen werden hier seitdem jeden Tag 63 Kinder betreut. Doch eigentlich wäre Platz für eine weitere Gruppe. Im Herbst soll sie folgen, sofern genug Personal gefunden wird. Auch bei den Neufelder Strolchen in Dachau Ost blieb dieses Kita-Jahr eine Gruppe unbesetzt. Der Grund auch hier: Personalmangel.

In der Stadtverwaltung macht diese Not jetzt erfinderisch. Dachau hat ein Programm vorgestellt, mit dem 17,5 neue Stellen geschaffen werden sollen. Nur drei davon sind tatsächlich für ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher. Stattdessen sollen Auszubildende, Küchenhilfen und Assistenzkräfte das pädagogische Personal entlasten und so die Kapazitäten der Kitas erhöhen. Die sogenannte Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive wurde am Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrats beschlossen.

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:Dachau ringt mit Erziehermangel

Der Bedarf an Plätzen in städtischen Kindertageseinrichtungen wird immer größer. Gleichzeitig fehlt pädagogisches Personal, um alle Kinder zu betreuen. Die Stadt sucht in ihrer Not nach kreativen Lösungen, um allen Eltern ein Angebot machen zu können.

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195 Anmeldungen für einen Kinderbetreuungsplatz ab kommendem Herbst stehen derzeit laut der Stadt noch offen. Viele davon für einen Platz in einer der 13. städtischen Kindertagesstätten. Diese Ungewissheit ist besonders für alleinerziehende Eltern oder solche mit geringem Einkommen ein große Belastung. Eigentlich haben Eltern in Deutschland seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Der müsste von den Kommunen erfüllt werden. Doch die Realität sieht vielerorts anders aus: Die Plätze reichen nicht. Viele Familien gehen leer aus. Und mit einer Klage haben Eltern meist nur Erfolgsaussichten, wenn die Gemeinde noch über freie Betreuungsplätze verfügt, was so gut wie nie der Fall ist. Denn bundesweit fehlen laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung knapp 100 000 Erzieherinnen und Erzieher. Und das Problem dürfte sich ab 2026 mit dem Anspruch auf Ganztagesbetreuung an bayerischen Grundschulen noch einmal verschärfen.

Dass das Problem ein gesamtdeutsches ist und kein Dachauer, das wird man im Stadtrat bei der Beratung des geplanten Programms nicht müde, zu betonen. Selten herrscht im Haupt- und Finanzausschuss so große Einigkeit. Die Ausbildungsoffensive sei "ein großer Wurf", heißt es aus der SPD. Von Seiten der CSU-Opposition hebt man hervor, die Stadt habe "rechtzeitig gehandelt". Die Ausbildungsoffensive sei "durchdacht, attraktiv und zukunftsweisend". Reihum wird das Programm von allen Fraktionen gelobt.

Und die Pläne, die der Oberbürgermeister bereits im Mai vage angekündigt hatte, sind tatsächlich außergewöhnlich: Da ist zum Beispiel die geplante Anstellung zehn sogenannter Assistenzkräfte, die im Kita-Alltag die Erzieherinnen und Erzieher unterstützen sollen. Bei drei der insgesamt 13 städtischen Kitas werden diese Aufgaben von Menschen übernommen, die gerade ihr Freiwilliges Soziales Jahr leisten. Die Assistenzkräfte sollen in den übrigen Kindertagesstätten angestellt werden. Ziel sei es, diese Menschen mit Weiterbildungen auf Dauer als pädagogisches Personal zu gewinnen.

Auf befristete Stellen bewerben sich keine Erzieher mehr

Auch bei der Ausbildung will die Stadt Dachau neue Angebote machen. Statt die Auszubildenden nach ihrem Vorpraktikum, mittlerweile Soziales Einführungsjahr (SEJ) genannt, an die jeweiligen Schulen ziehen zu lassen, will man sie künftig direkt in den städtischen Kitas halten. Dafür werden drei Stellen für die sogenannte Praxisorientierte Ausbildung geschaffen. Die Stellen sollen mit den bestehenden Berufspraktikantenstellen austauschbar sein, damit flexibel auf Anfragen reagiert werden kann.

Mit den restlichen Stellen will die Stadt vor allem auf Krankheitsfälle und Ausfälle durch Elternzeit reagieren. So kommen noch zwei Springerstellen für Küchenkräfte dazu, die das pädagogische Personal entlasten sollen. Um dem Ausfall durch Erzieherinnen und Erzieher in Elternzeit zu begegnen, sollen drei Ausgleichsstellen geschaffen werden. Die Stellen sind unbefristet, da sich auf die befristeten Ersatzstellen wegen des Fachkräftemangels kaum jemand beworben habe, schreibt die zuständige Fachabteilung in der Begründung.

Günstig ist der Maßnahmenkatalog nicht. Die neuen Stellen würden den Haushalt mit knapp 600 000 Euro belasten. Durch Förderungen und Zuschüsse des Freistaats sollen die Kosten aber auf etwa 150 000 Euro begrenzt werden, schreibt das zuständige Referat der Stadt in der Beschlussvorlage. Das sei bei der aktuell schwierigen Haushaltslage immer noch "eine Menge", sagt Hartmann. Aber besser ginge es eben nicht. Einziges Problem: Die Landesmittel sind nur noch für das kommende Jahr gesichert. Ob sie auch darüber hinaus verlängert würden, sei noch nicht klar, sei aber wahrscheinlich, heißt es. So oder so wolle man den neuen Beschäftigten aber Planungssicherheit bieten, auch über 2024 hinaus - schließlich bleibe das Problem ja bestehen.

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