Betreuungseinrichtungen:Kindergarten ohne Garten

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In Sulzemoos im Landkreis Dachau gehört der umzäunte Spielplatz zum Kinderhaus dazu - andernorts fehlen eigene Außenspielflächen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Brauchen Kitas eigene Außenspielflächen? Oder können die Kleinsten stattdessen mit ihren Betreuenden öffentliche Spielplätze besuchen? Der Jugendhilfeausschuss beschließt eine Ausnahme für umgenutzte Gebäude.

Von Jessica Schober, Dachau

Zehn Quadratmeter Außenspielfläche pro Kind - so lautet die Faustformel für die Berechnung der Größe von Außenspielflächen bei Kinderbetreuungseinrichtungen. Zumindest beim Neubau. Diese Regelung soll Kindern Bewegung und Frischluft ermöglichen, ohne dafür im Straßenverkehr unterwegs sein zu müssen. Zu einem Kindergarten gehört ein Garten - so lautete bisher, salopp gesagt, die Jugendamtslinie. Doch in Zeiten immer knapper werdender Grundstücke und Gebäude und mangelnder Betreuungsplätze, wecken Freiflächen architektonische, planerische aber auch pädagogische Begehrlichkeiten. Braucht wirklich jede Kita einen eigenen Außenbereich? Oder könnten die Kinder nicht mit ihren Betreuenden naheliegende öffentliche Spielplätze und Flächen aufsuchen? Darüber diskutierte der Jugendhilfeausschuss des Landkreises - und einigte sich auf eine Ausnahmeregelung für die Umnutzung von Bestandsgebäuden.

Auslöser für die Diskussion war der Fall von Angelika Dirking, die seit 2009 eine bilinguale Kita in Dachau betreibt und dringend neue Räume suchte. Als sie diese im Sommer in der Brunngartenstraße gefunden hatte, wurden die vorhandenen Freiflächen vom Jugendamt für zu klein befunden. Dirking wollte hinschmeißen, doch schließlich erhielt sie eine Betriebserlaubnis vom Jugendamt auch ohne ausreichende eigene Außenspielfläche, unter der Bedingung, dass die benachbarte städtische Wiese zum Spielen genutzt werden könne. Nach diesem Präzedenzfall stellte Landrat Stefan Löwl (CSU) das Thema nun im Jugendhilfeausschuss zur Debatte. Der Vorschlag der Verwaltung fand dabei volle Zustimmung: Für Neubauten soll die Gartenpflicht weiter gelten, für Bestandsgebäude können - unter bestimmten Umständen - Ausnahmen erteilt werden.

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Laut bayerischem Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz gibt es keine Mindestanforderung für solche Außenflächen. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass "Kinder ausgiebig ihre motorischen Fähigkeiten erproben und ihre Geschicklichkeit im Rahmen eines ausreichenden und zweckmäßigen Bewegungsfreiraums entwickeln können sollen". Grundsätzlich will der Landkreis Dachau daran festhalten, wie auch zahlreiche Nachbarlandkreise. Im Einzelfall könnte aber eine Betriebserlaubnis erteilt werden, wenn ein öffentlicher Spielplatz oder vergleichbarer, geeigneter Ort in "kurzer Entfernung und ohne verkehrstechnische Gefahren" erreicht werden kann, heißt es in der Beschlussvorlage.

Heidi Schaitl, Geschäftsführerin der Caritas Dachau und Jugendhilfeausschussmitglied, befürwortete den Vorschlag des Jugendamtes. Sie betonte: "Jedes Kind sollte sich mindestens drei Stunden am Tag bewegen. Vielerorts gibt es ein Problem mit Bewegungsmangel."

Neubauten sollten weiter einen Garten aufweisen

Sylvia Neumeier (SPD) sagte, dass es wichtig sei, bei Neubauten weiterhin Außenspielflächen für Kinder einzufordern. "Sonst wird jeder Bauträger so günstig wie möglich bauen." Auch die Sicherheit der Kinder müssen vom Betreuungspersonal gewährleistet werden, wenn öffentliche Spielplätze genutzt würden.

Dem stimmte auch Ludwig Gasteiger (Grüne) zu. "Das ist echt schwierig für Erzieherinnen und Erzieher, wenn sich auf einem öffentlichen Spielplatz private und betreute Kinder mischen." Eine Einrichtung ohne eigene Außenflächen könne also nur eine "Übergangslösung" sein.

In der Zwischenzeit hat auch Angela Dirking für die neuen Räume ihrer bilingualen Kita wieder Hoffnung geschöpft. Im Sommer 2024 soll die Einrichtung in die Brunngartenstraße ziehen. Der Mietvertrag sei unterschrieben, der Antrag auf Nutzungsänderung laufe. "Bloß das Jugendamt verlangt jetzt nochmals ein extra Schreiben, dass wir die städtische Wiese nebenan auch wirklich nutzen dürfen", erzählt Dirking am Telefon, hörbar herausgefordert von der Bürokratie, "denen reicht das Schreiben vom Dachauer Oberbürgermeister nicht aus".

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