Kinderbetreuung:Acht Jahre bis zur neuen Kita

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Noch hat Angela Dirking den Mietvertrag für die Räumlichkeiten an der Brunngartenstraße gar nicht unterschrieben, trotzdem hat sie schon allerlei Pläne für den Umbau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Von 2015 an wollte Angela Dirking die Räume ihres Learning Center Dachau umbauen. Die Genehmigung dafür bekam sie erst, als sie schon neue Räumlichkeiten gefunden hatte. Über die langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie in Zeiten von Kitaplatzmangel.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Was für Außenstehende angesichts des Kitaplatzmangels nur schwer nachvollziehbar ist, hat Angela Dirking schier an den Rand der Verzweiflung gebracht: 2009 hat die 43-jährige Erzieherin ihr Learning Center in Dachau eröffnet, "Little Footprints" ist bis heute die einzige bilinguale Kindertagesstätte im Landkreis. Schon damals war klar, dass die Räumlichkeiten an der Ecke Augsburger Straße/ Krankenhausstraße nur ein Provisorium sein können, weil diese, wie Dirking sagt, "nicht ideal" sind für die Betreuung von Kindern. Es gibt dort zum Beispiel nur eine Toilette und die Räume sind nur über eine Treppe erreichbar. Für ein paar Jahre ging es dann aber doch gut. Spätestens ab 2015 war für Dirking allerdings klar, dass sich räumlich dringend etwas verändern muss.

Trotzdem hat es noch gut acht Jahre gedauert, um die Zukunft der privaten Einrichtung zu retten. Spätestens seit 2018 hat Dirking dafür zahllose Gespräche geführt, mit dem städtischen Bauamt, Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), dem Jugendamt und schließlich Landrat Stefan Löwl (CSU). Zunächst konnte der Bebauungsplan - aus für Dirking bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen - jahrelang nicht geändert werden und ein Erweiterungsbau an der Augsburger Straße war damit nicht möglich. Dann fand die Erzieherin mithilfe des Dachauer Wirtschaftsförderers Alexander Broschell zwar neue Räumlichkeiten an der Brunngartenstraße, allerdings war dort die Freifläche für zu klein befunden worden. Deshalb dachte Dirking Anfang August kurzzeitig ans Aufgeben.

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Der neue Eigentümer der Räumlichkeiten an der Augsburger Straße hatte bereits angekündigt, renovieren zu wollen: Der einmal angedachte Neubau war damit vom Tisch und laut Dirking ohnehin längst zu teuer. Ohne neue Räumlichkeiten hätten die fünf Erzieherinnen und derzeit 25 Kinder allerdings spätestens im neuen Jahr ohne ein Dach über dem Kopf dagestanden. Die Räume an der Brunngartenstraße waren also eigentlich ein Glücksfall. Nur sah sich dort das Jugendamt laut Dirking zunächst nicht dazu in der Lage, ohne einen größeren Garten eine Betriebserlaubnis zu erteilen. Es habe, so sagt es die 43-Jährige, zwar die Aussicht auf die Pacht einer nahegelegenen städtischen Wiese gegeben, die sie umzäunen hätte lassen müssen, aber darüber hätte der Dachauer Umwelt- und Verkehrsausschuss erst im Oktober entscheiden können.

"Dadurch entsteht eine Verzögerung, ja Blockade, weil dadurch die Umbaumaßnahmen der Räume nicht beginnen können", schreibt Dirking am 11. August per E-Mail. Wenn nicht "zeitnah eine Entscheidung zu Gunsten meines Vorhabens fällt, muss ich wohl mein Unternehmen, das ich mit viel Herzblut führe und überzeugt bin, dass es gebraucht wird, nächstes Jahr schließen". Dirking ist zu diesem Zeitpunkt gefrustet. Sie versteht nicht, warum das Jugendamt nicht eine Einzelfallentscheidung in ihrem Sinne oder wenigstens im Sinne der zu betreuenden Kinder treffen kann, wo es doch ausreichend umliegende Freiflächen und Spielplätze gibt, die das Learning Center nutzen könnte. Immerhin sind Kitaplätze doch auch in der Stadt Dachau Mangelware.

Die Stadt weist die Kritik an ihrem Vorgehen zurück

Die Stadt sieht sich selbst nicht als Bremse. Aus dem Rathaus heißt es, tatsächlich hätten vor allem die vielfachen Eigentümerwechsel "zu einer Verzögerung im Planungsprozess" geführt. Der allerdings habe nicht schon 2015 begonnen, sondern erst 2018, sprich nicht vor acht, sondern erst vor fünf Jahren. "Über die Pläne von Frau Dirking als Mieterin der Immobilie zwischen 2015 und 2018 habe ich leider keine Kenntnis", so Stadtbaumeister Moritz Reinhold. Grundsätzlich sei es aber so, dass Dirking von Anfang an keine Notwendigkeit dafür gesehen habe, den Bebauungsplan zu ändern, daher habe die Dauer des Planungsprozesses "bei ihr leider zu Unverständnis" geführt.

Reinhold betont, dass man generell alle Möglichkeiten nutze, um dem Bedarf nach Kinderbetreuungsangeboten gerecht zu werden. Gerade deshalb habe man den Bebauungsplan für den jetzigen Standort geändert, auch die Baugenehmigung für den Erweiterungsbau an der Augsburger Straße habe man in der Folge erteilt. Am neuen Standort sei man seitens der Stadt zunächst davon ausgegangen, dass eine Umzäunung der städtischen Flächen notwendig sei. Doch nachdem das Landratsamt mitgeteilt habe, dass dies nicht der Fall sei, habe man Dirking Mitte August informiert, dass die Grünfläche in der Nähe der Amper auch weiterhin unter die Grünanlagensatzung fällt und damit frei genutzt werden könne. Das habe man so auch dem Landratsamt mitgeteilt, so Reinhold.

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Dort heißt es: Kindertageseinrichtungen würden im Landkreis Dachau "grundsätzlich nur genehmigt, wenn der Einrichtung auch eine eigene Außenfläche zur Verfügung steht". Dies werde auch von anderen Jugendämtern so gehandhabt und entspreche den fachlichen Empfehlungen. Ohne eigene Außenflächen müssten die Kitagruppen auf öffentliche Spielplätze ausweichen: "Dadurch geht mehr Zeit durch den Hin- und Rückweg verloren und es steht weniger Zeit für das Spielen und die erzieherische Betreuung zur Verfügung." Erwartbar würden diese Flächen weniger genutzt, weil der Aufwand für das Personal größer sei. Eine Änderung dieser Linie, also ein genereller Verzicht auf Außenflächen, müsse daher vom Jugendhilfeausschuss des Landkreises getroffen werden und "bezüglich der Folgen für die betreuten Kinder gut überlegt sein".

Aus reiner Verzweiflung wendet sich Dirking irgendwann sogar an Söder

Ergo: Alles nicht so einfach. Trotzdem ist Dirking gut einen Monat nach ihrer verzweifelten Mail voll neuer Hoffnung: Nachdem sich die resolute Erzieherin, wie sie selbst sagt, "auf die Hinterbeine" gestellt und alle Kommunalpolitiker und sogar den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) um Hilfe gebeten hat, hat sich ihr zufolge Landrat Löwl eingeschaltet. Als Chef des Jugendamts habe er sich dafür eingesetzt, dass Dirking eine Betriebserlaubnis bekommt - auch ohne die gesetzlich vorgeschriebene Freifläche. Dafür, dass Löwl "im Alleingang" entschieden habe, gebühre ihm, findet die Erzieherin, "ihr höchster Respekt".

Fragt man dazu noch einmal beim Landratsamt nach, wird die Rolle des Landrats eher vermittelnd dargestellt: Richtig ist demnach, dass sich direkt neben den vorgesehenen neuen Räumen des Learning Centers eine Fläche der Stadt Dachau befindet, "die wohl brach liegt". Auf Bitten der Jugendamtsleitung habe sich Löwl "unterstützend" an den Dachauer Oberbürgermeister gewandt, um zu erfragen, ob diese Fläche für die Einrichtung ohne Einschränkungen genutzt werden könne. Dies zu entscheiden, obliege letztlich als Eigentümerin der Stadt Dachau. Erst wenn Dirking nachweisen könne, dass sie diese städtische Fläche "kindgerecht als Außenfläche ihrer Kita nutzen darf und kann", könne die Genehmigung für die neuen Räume in diesem Ausnahmefall final erteilt werden. Ein Antrag auf Betriebserlaubnis sei bislang von Dirking übrigens noch nicht eingegangen.

Eine Eröffnung der neuen Räumlichkeiten ist für 2024 geplant

Noch einmal nachgefragt bei Dirking. Die 43-Jährige sagt, dass sie ja erst den Mietvertrag unterschreiben und diesen gemeinsam mit einem Konzept dem Jugendamt vorlegen müsse. Eine Zusage, dass die Betriebserlaubnis dann bewilligt werde, habe sie aber erhalten. Wenn man Angela Dirking glauben mag, ist das im Prinzip jetzt alles nur noch reine Formalie. Sie jedenfalls steht kurz davor, den Mietvertrag zu unterschreiben, weil sie ja auch erst dann mit dem Umbau loslegen kann. Und Zeit wird es, immerhin will sie, wenn alles nach Plan läuft, pünktlich zum neuen Kitajahr 2024 ihr neues, größeres Learning Center eröffnen. Statt bislang 25 sollen dann rund 50 Kinder dort betreut werden können.

Im Landratsamt will man den Fall von Dirking und ihrer Einrichtung unterdes zum Anlass nehmen, die Thematik noch einmal ganz grundsätzlich zu diskutieren. In der Jugendhilfeausschusssitzung am 23. Oktober beabsichtigt Landrat Löwl demnach "eine generelle Linie des Jugendhilfeausschusses für künftige Fälle festzulegen".

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