Volksfest:Noch traben die Pferdchen

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Charline Kaiser im Reitsalon auf dem Karlsfelder Siedlerfest: Sie will den Betrieb ihrer Eltern einmal weiterführen. (Foto: Toni Heigl)

Für die einen gehört es zur Tradition, andere würden das Ponyreiten auf dem Karlsfelder Siedlerfest am liebsten verbieten. Was die Betreiberin, eine Tierschützerin und eine Veterinärin dazu sagen.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Wer am Bauzaun zum Karlsfelder Siedlerfest entlang spaziert, riecht die Pferde bereits. Am Festplatz angekommen geht es vorbei am Autoscooter, Kinderkarussell und Crêpes-Stand zum Reitsalon der Familie Kaiser. Die zehn Pferde, die meisten davon Ponys, stehen gegen Mittag in einem mobilen Zeltstall hinter der Manege und werden mit Heu gefüttert. Gegen halb drei werden die ersten Kinder auf ihren Rücken sitzen. Für die einen ist das Ponyreiten Tradition, andere würden es am liebsten sofort verbieten. Fakt ist: Die Siedlerfest-Organisatoren wissen selbst noch nicht, wie es im kommenden Jahr damit weitergehen soll.

Silvia Gruber ist Vorsitzende des Tierschutzvereins Dachau. Während des Siedlerfestes hätten heuer immer wieder "besorgte Mitbürger" bei ihr angerufen und das Ponyreiten kritisiert, so Gruber: "Sie haben gefragt: Warum macht Ihr nichts dagegen?" Der Verein habe in diesem Fall aber keine Handhabe, so Gruber - schließlich sei das Veterinäramt Dachau dafür verantwortlich, die Haltung der Volksfestpferde zu überprüfen.

Über das Ponyreiten auf Volksfesten sagt Gruber generell: "In meinen Augen ist es Tierquälerei und gehört verboten, wie auf dem Dachauer Volksfest." Sie ist überzeugt davon, dass es den Tieren keinen Spaß macht, ständig im Kreis herumzulaufen und "dauernd ein anderes Kind auf dem Rücken zu haben". Dazu komme, dass es auf Volksfesten meist ziemlich laut zugehe. Gruber sagt: "Man darf sich ja gerne dort amüsieren, da habe ich nichts dagegen - aber bitte nicht zum Leid und zu Lasten der Tiere."

"Wir werden regelmäßig vom Veterinäramt kontrolliert"

Virginia Kaiser aus Augsburg ist mit ihrem Mann Ronny, Tochter Charline und ihren Pferden 70 Tage im Jahr auf zehn Volksfesten in Bayern unterwegs. Sie sagt: "Wir machen das mit Leib und Seele und werden regelmäßig vom Veterinäramt kontrolliert." Für sie seien die Pferde ein Teil der Familie. Gegen den Vorwurf, dass ihre Tiere ständig im Kreis laufen, sagt Kaiser, dass sie morgens vor Volksfestbeginn mit den Pferden ausreite. Außerdem würden ihre Tiere nach vier Stunden in der Manege ausgewechselt, die reitenden Kinder seien maximal sechs Jahre alt und 50 Kilogramm schwer - für die Pferde seien sie "Leichtgewichte". Und Kaiser betont, dass ihr Reitsalon auf dem Siedlerfest in einer ruhigen Ecke stehe: "Es ist also nicht so, dass wir hier die volle Beschallung haben", gegenüber ist eine Spicker-Bude, daneben das Enten-Angeln, der Autoscooter ist rund 25 Meter entfernt.

Bei einem Pressegespräch vor Beginn des Siedlerfests verteidigte auch Festreferentin Christa Berger-Stögbauer das Ponyreiten, schließlich sei es eine Traditionsveranstaltung und noch auf der Auer Dult in München zu finden. Außerdem freue sie sich immer wieder darüber, wenn sie Kinder bei den Ponys strahlen sehe: "Und welche Eltern können sich den Reitunterricht für ihre Kinder hier noch leisten?" Doch ob der Reitsalon auch im kommenden Jahr wieder auf dem Festplatz stehen wird, das wollen die Veranstalter erst nach dem Fest entscheiden.

Auf dem Dachauer Volksfest ist das Ponyreiten bereits seit rund sieben Jahren verboten. 2021 hat auch der Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt beschlossen, dass es ab 2024 auf dem Oktoberfest und bei anderen Volksfesten auf städtischen Flächen kein Ponyreiten mehr geben soll.

Die Vorsitzende des Tierschutzvereins Dachau Silvia Gruber findet, dass Tiere generell nicht als Show-Element auf Volksfesten genutzt werden sollten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie die Volksfestpferde gehalten werden, sei entscheidend, sagt Pferdetierärztin Johanna Zauscher, die ursprünglich aus dem Landkreis Dachau kommt und in Berlin praktiziert: Haben sie genügend zu fressen und zu trinken? Gibt es während ihrer Arbeit auf dem Volksfest genügend Pausen? Außerdem dürften die reitenden Kinder nicht zu groß und zu schwer für das jeweilige Pony sein. Zauscher sagt, dass die körperliche Arbeit für die Ponys im Reitsalon wohl nicht negativ sei, weil sie Bewegung bräuchten und nicht nur rumstehen wollten: "Aber ich weiß natürlich nicht, ob das Im-Kreis-Laufen für sie aufregend und schön ist." Sie verweist darauf, dass das Veterinäramt die Haltungsbedingungen überprüfen müsse.

Auf Anfrage teilt das Dachauer Landratsamt mit, dass der Reitsalon Kaiser in diesem Jahr auf dem Siedlerfest noch nicht kontrolliert wurde. Zuletzt wurde dies im vergangenen Jahr auf dem Siedlerfest getan - "ohne Beanstandungen". Dabei wurden die Auflagen überprüft, die das Veterinäramt Augsburg Land Ronny Kaiser im Jahr 2016 auferlegt hat. Demnach habe er dafür zu sorgen, den Gesundheitszustand seiner Tiere regelmäßig zu prüfen und für Pausen zu sorgen.

Tierschützerin Gruber findet hingegen, dass Tiere generell nicht als Show-Element auf Volksfesten ausgenutzt werden sollten. Sie erinnert an Affen in Käfigen, die noch bis Anfang der Achtzigerjahre auf dem Dachauer Volksfest ausgestellt wurden: "In den Käfigen war alles verdreckt, und dann ist das Veterinäramt eingeschritten." Zudem zähle für sie das Argument nicht, dass Ponyreiten zum Brauchtum auf Volksfesten gehöre: "Das ist ein blödes Argument." Wenn Ponyreiten eine Tradition sei, heißt das ja noch lange nicht, dass sie gut sei. Sie empfiehlt Eltern, mit ihren Kindern einen Pferdehof zu besuchen: "Denn mit Reitunterricht hat das kurze Ponyreiten auf dem Volksfest nichts zu tun."

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