Mietpreise:Angriff der Immobilien-Haie

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Die Einwohnerzahl der Gemeinde Karlsfeld wächst schnell. (Foto: Niels P. Joergensen)

Wieder einmal hat eine fragwürdige Studie Karlsfeld zur Kommune mit den höchsten Mietpreisen in Deutschland ausgerufen: Stoff für einen sehr schlechten Katastrophenfilm.

Glosse von Thomas Radlmaier, Karlsfeld

Das Jahr 2013 ist historisch gesehen insofern bedeutend, als damals der vielleicht schlechteste Katastrophen-Film aller Zeiten erstmals im Fernsehen lief: "Sharknado - Genug gesagt!" Der Titel sagt, wie gesagt, genug: Ein Tornado zieht über dem Meer vor der Küste von Los Angeles auf. In seinem Inneren wirbeln Salzwasser und unzählige Haie umher, die alles und jeden fressen, der ihnen vors Maul fliegt. Der Sharknado verwüstet die Stadt, viele Menschen sterben. Doch einem Helden-Trio gelingt es, mit einem Helikopter und Dynamit, den gefräßigen Sturm zu stoppen. Ende gut, alles schlecht.

Es gibt Tausende Filme, in denen Haie das Böse verkörpern. Hier kommt ein Vorschlag für einen weiteren Katastrophen-Streifen: Weltraum-Haie vom Wasser-Planeten Sharkku tauchen mit ihren Ufos, die wie Flossen aussehen, am Himmel über Deutschland auf. Es handelt sich um fiese Immobilien-Haie, die nur eines im Sinn haben: Wohnungen und Häuser aufkaufen, den Bestand abreißen, dafür teure Luxusbauten hinstellen und diese zu außerirdischen Preisen an Menschen mit zu viel Geld verscherbeln. Um die unmoralischsten Angebote machen zu können, fallen die Haie über die Kommune her mit den teuersten Mietpreisen Deutschlands: Karlsfeld. Der Titel: "Real Shark-Estate in Karlsfeld".

Karlsfeld ist die teuerste Kommune Deutschlands?

Ja, das ist ein Riesenschmarrn. Aber in Karlsfeld sind mal wieder die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwommen. Das Hamburger Beratungsunternehmen "F+B" hat seinen Mietspiegel-Index für 2020 veröffentlicht. Es verglich darin die Mietspiegel von 352 Städten und Gemeinden. Wie schon bei der Mietspiegel-Untersuchung für 2018 steht jetzt erneut Karlsfeld auf Platz eins. Nirgendwo in Deutschland sind die Mietpreise angeblich höher. Laut "F+B" zahlt man in Karlsfeld für eine Wohnung mit einer Fläche von 65 Quadratmetern, mittlerer Ausstattung und Lage die durchschnittliche Nettokaltmiete von 10,90 Euro pro Quadratmeter. Auf Platz zwei folgt Stuttgart mit 10,38 Euro pro Quadratmeter. München rangiert in der Statistik an sechster Stelle mit durchschnittlich 9,72 Euro pro Quadratmeter. Die Stadt Dachau liegt noch knapp darüber. Schon beim letzten Mal hat das Hamburger Beratungsunternehmen Karlsfeld als "teuerste Kommune Deutschlands" bekanntgemacht. Die Bild lichtete eine Wohnanlage ab und titelte: "Wer hier wohnt, hat Kohle." Doch stimmt das wirklich?

Es gibt Zweifel an der Studie. Erstens ziehen die Forscher immer den aktuellsten Mietspiegel heran, der von Karlsfeld stammt aus dem Jahr 2020. Der Münchner Mietspiegel, der in die Statistik einfloss, ist von 2019. Zudem haben sich die Forscher auf Städte und Gemeinden begrenzt, in denen mindestens 20 000 Menschen wohnen. Gemeinden im traditionell teuren Münchner Süden wie Grünwald oder Pullach fallen damit raus. Zudem ist es auch fragwürdig, Mietspiegel als Datengrundlage heranzuziehen. In München liegen die Nettokaltmieten eher bei mindestens 15 Euro pro Quadratmeter. Und auch in Karlsfeld dürfte es schwer sein, bei Neuvermietungen die Grenze von elf Euro pro Quadratmeter zu unterschreiten. Kurzum: Der Mietspiegel-Index ist mit Vorsicht zu genießen. Wenngleich die Aussage natürlich stimmt, dass die Mietpreise im Münchner Speckgürtel aberwitzig sind. Doch dass Karlsfeld die teuerste Kommune Deutschlands sein soll, ist Fiktion - und guter Stoff für einen Katastrophenfilm.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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