Festival-Wochenende:Bunte Streusel aus dem Schmelztiegel

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Biergartenatmosphäre auf dem Bruno-Danzer-Platz beim Kosmos-Festival im Jahr 2019. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mit dem Kosmos-Kulturfestival, das heuer zum zweiten Mal stattfindet, will sich Karlsfeld als weltoffene Gemeinde präsentieren - und als Kulturstandort, der wirklich was zu bieten hat.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Nach mehrjähriger Pause findet an diesem Wochenende zum zweiten Mal das Kosmos-Kulturfestival statt. Auch in diesem Jahr erwartet die Besucher wieder ein vielfältiges Programm mit Konzerten, Ausstellungen, Lesungen und Mitmach-Aktionen. Man kann sich durch die Küchen Kroatiens, Indiens, der Türkei, Griechenlands, Italien und der Ukraine schlemmen, Speisen aus Ländern Afrikas werden angeboten, aus den USA, und natürlich aus Bayern. Im Zelt der Gemeinde lädt Karlsfelds Partnerstadt Muro Lucano ein, lokale Weine zu verkosten.

Den Auftakt für das Kulturfestivals macht der Kunstkreis in der Galerie Kunstwerkstatt mit einer Ausstellung zu einem Kinderbuchprojekt von Gudrun Prölss Feldmann. Beim Vivaldi-Orchester kann man Musikinstrumente ausprobieren, im Bürgertreff findet eine Dichterlesung mit musikalischer Untermalung statt, die Kinder können an einem Yoga-und Musikprogramm teilnehmen, als Abschlussveranstaltung präsentiert das Karlsfelder Sinfonieorchester im Bürgerhaus am Sonntagabend ihre Serenade. Es ist übrigens die einzige Veranstaltung des Festivals, für die man Eintritt zahlen muss.

In Karlsfeld ist man durchaus stolz auf die kulturelle Vielfalt

2019 wurde das Festival erstmals ins Leben gerufen. Maßgeblich angestoßen wurde es vom Zweiten Bürgermeister der Gemeinde, Stefan Handl, der wegen seiner Affinität zu den schönen Dingen, insbesondere zu Kunstausstellungen und Konzerten, im Ort auch gerne als "Kulturbürgermeister" tituliert wird. Das Festival diene dazu, "Karlsfeld einem größeren Publikum positiv zu präsentieren", sagt Handl.

Man will zeigen, dass man was zu bieten hat: eine rege Kulturszene mit hervorragenden Musik-Ensembles und eine große kulturelle Vielfalt. In den vergangenen Jahren zeigten die Griechen sich bei ihren Tänzen in Tracht. Die setzen in diesem Jahr aus, die Lücke füllt dafür ein kroatischer Verein. "Der ist noch sehr jung", sagt Handl, "aber sehr rege."

Karlsfeld war immer ein Schmelztiegel der Kulturen, der Ausländeranteil ist mit rund 30 Prozent vergleichbar mit der Landeshauptstadt München. Im eher ländlichen Landkreis Dachau ist das schon etwas Besonderes, und mit dem Kosmos-Festival wird dieses Alleinstellungsmerkmal bewusst - und auch sehr selbstbewusst - in den Fokus gerückt: Karlsfeld will sich präsentieren als weltoffene und bunte Gemeinde, in der Toleranz und gegenseitiger Respekt einen hohen Stellenwert genießen.

"Integrationskraft, das war schon immer eine Ur-DNA in der Gemeinde"

"Das ist etwas, das in unserer Zeit immer wichtiger wird", betont Stefan Handl. Zwar merke auch er, dass die gereizte Grundstimmung der gestressten Republik auch an Karlsfeld nicht ganz spurlos vorübergegangen ist, aber das Zusammenleben im Ort funktioniere nach wir vor sehr gut. "Karlsfeld hat eine sehr starke Integrationskraft, das war schon immer eine Ur-DNA in der Gemeinde."

Jeder im Ort hat eine Migrationsgeschichte, selbst die ersten Karlsfelder Bauern, die das Königreich Bayern im 19. Jahrhundert rief, um das sumpfige Niemandsland im Dachauer Moos urbar zu machen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen massenhaft Flüchtlinge in das kleine Straßendorf, aus dem zerbombten München und aus den ehemaligen Ostgebieten des kollabierenden Reiches. Ihnen folgten in den Sechzigerjahren die Italiener, die man als Arbeitskräfte gerufen hatte, später die Griechen, die vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land geflohen waren.

Man darf nicht so tun, als hätte es nie Reibereien gegeben, Karlsfeld hatte seine erste Das-Boot-ist-voll-Debatte bereits in den Siebzigern, und wenn man Ilsa Oberbauer, Leiterin des Karlsfelder Heimatmuseums, fragt, wie sie ihre Jahre als Kind einer Flüchtlingsfamilie im Nachkriegs-Karlsfeld erlebt hat, bekommt man Geschichten übelster Feindseligkeiten zu hören. "Damals gab es noch nicht viel zu verteilen", meint Handl. Heute hat die Gemeinde einen engagierten Asylhelferkreis. Viele, die hier mithelfen, sind motiviert von ihrer eigenen Familiengeschichte. Auch sie mussten in Karlsfeld erst mal Fuß fassen.

Stefan Handl bei einer Ausstellung mit Kinderbildern aus Karlsfelds Partnerstadt Muro Lucano im Karlsfelder Rathaus. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Immer ein Hingucker sind die Tanzvorführungen der Griechischen Gemeinde in Karlsfeld. In diesem Jahr setzen sie aus, dafür kommen erstmals kroatische Tänzer. (Foto: Toni Heigl)
Wenn Fußball-WM ist, zeigen die Karlsfelder Flagge. (Foto: Toni Heigl)
Die "Seh-am-See"-Ausstellungen des Künstlerkreises Karlsfeld finden alle zwei Jahre statt. Der Karlsfelder See wird dabei auch schon mal zum symbolisch zum Mittelmeer. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Im Bürgertreff am Rathaus bietet der Jugendrat einen Antidiskriminierungs-Workshop an. Zu sehen ist an dem zweitägigen Festival auch die Foto-Wanderausstellung "Ukraine Kyiv - the unbreakable heart of europe", deren Schirmherr Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ist. Nach dem brutalen Überfall Russlands sind auch viele Menschen aus der Ukraine nach Karlsfeld geflohen, das durch den Verein Haus Odessa schon seit Jahrzehnten einen direkten Draht in die südliche Ukraine hat. "Wir versuchen, auch ihnen eine Heimat zu geben, wo sie sich fernab der Kriegswirren sicher fühlen können", sagt Handl.

Corona hat alles aus dem Takt gebracht

Konzipiert wurde das Festival vom "Runden Tisch Kunst und Kultur", der seit dem Jahr 2017 unter Federführung der Gemeinde besteht. Der wiederum wurde gegründet, um Kulturschaffende zu vernetzen und gemeinsam größere Kulturveranstaltungen auf die Beine zu stellen, die "eine Organisation alleine nicht im Kreuz hätte", wie Handl sagt. Erfolge konnte man bereits sehen: Die früher allein vom Kunstkreis organisierte Aktion "Seh am See" ist inzwischen weitaus mehr ist als eine Freiluftausstellung an den Ufern des Karlsfelder Sees, bei der es "nur" Kunst zu sehen gibt.

Das Kosmos-Festival ist selbst nur ein Mosaikstein in diesem größeren Bild des neuen Karlsfelder Kulturfestivallebens. Handl zufolge war das Ziel ursprünglich, ein jährlicher Wechsel von "Seh am See" und dem Kosmos-Festival und dazwischen alle fünf Jahre ein gemeinsames Veranstaltungsformat der Korneliuskirche mit dem Kunstkreis. "Aber durch Corona ist alles wieder aus dem Takt gelaufen."

"Nicht alles plattmachen"

Zudem ist Karlsfelds Haushaltslage alles andere als rosig, inzwischen ist man soweit, das Hallenbad zuzusperren. "Wir haben finanziell stark zu kämpfen", räumt Handl ein - und natürlich sei auch so ein kleines Festival mit Bierbänken und Zelten nicht zum Nulltarif zu haben.

Wie viel das Festival genau kostet, will der Kulturbürgermeister nicht sagen, nur dass es eine überschaubare Summe sei, die man klug und kreativ einsetze, um möglichst viel daraus zu machen. Das gerade erst eingeführte Festival gleich wieder abzuschaffen, sei nie eine Option gewesen. Trotz des Sparzwangs sei man sich in der Gemeinde einig, dass man nicht "alles plattmachen" wolle.

Das komplette Programm zum Festival am 22. und 23. Juli gibt es auf der Homepage der Gemeinde Karlsfeld www.karlsfeld.de .

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