Asylbewerber in Bayern:Verdammt zur Arbeitslosigkeit

Lesezeit: 4 min

Seine Hoffnung wurde zerschlagen: Samba G. hatte eine Wohnung und eine Arbeit - mittlerweile lebt er wieder in der Asylunterkunft Haimhausen. (Foto: Toni Heigl)

Samba G. ist jahrelang für eine Bäckerei bei Dachau tätig. Dann verlängert das Landratsamt seine Arbeitserlaubnis nicht mehr, weil er keinen Pass vorweisen kann. Die Geschichte reiht sich ein in eine ganze Liste weiterer Vorfälle.

Von Anna Schwarz, Hebertshausen

Bereits vier langjährige Mitarbeiter hat Bäckermeister Thomas Polz heuer verloren. Es waren Asylbewerber aus Mali, Nigeria und Sierra Leone. Sie hofften auf eine dauerhafte Arbeitserlaubnis in Deutschland - vergeblich. Einer von ihnen wurde bislang in sein Heimatland Mali abgeschoben. Vor rund zwei Monaten haben sich die Hoffnungen auch für Samba G. (24) zerschlagen, er lebt seit rund sechs Jahren im Landkreis, seit viereinhalb Jahren arbeitete er für die Bäckerei Polz in Ampermoching. Jetzt wurde seine Arbeitserlaubnis nicht verlängert. Zudem wurde gegen ihn Strafanzeige gestellt wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland.

Peter Barth vom Helferkreis Asyl Hebertshausen ist sauer. Samba G. habe Himmel und Erde bewegt, um seine Identität vollständig nachzuweisen, sagt er. Auch Bäcker Polz hat kein Verständnis für diese Asylpolitik: "Zuerst waren alle froh, dass wir die Leute in Arbeit gebracht haben und dann werden sie uns wieder weggenommen - das kann man nicht verstehen."

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

"Vor allem Westafrikaner, die zu uns kommen, haben oft keinen Pass"

Die Geschichte von Samba G. reiht sich ein in eine ganze Liste weiterer Vorfälle, bei denen das Landratsamt gut integrierten Geflüchteten die Arbeitserlaubnis entzog. Erst Anfang Dezember kritisierte der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi das Vorgehen der Behörde und stellte Landrat Stefan Löwl (CSU) in einem offenen Brief neun Fragen zu den Themen Bleibe- und Asylrecht. Darauf hat Löwl mittlerweile geantwortet.

Hintergrund für den Briefwechsel war der Fall Moussa Nomoko: Der junge Mann aus Mali war Ende Juli ohne Begründung ins Landratsamt gelockt, dort von Polizisten in Handschellen abgeführt, nur wenige Stunden später in ein Flugzeug gesetzt und in sein Herkunftsland abgeschoben worden. Dieses Vorgehen verurteilten die Asyl-Helferkreise scharf: In einem offenen Brief an den Landrat schrieben sie, dass sie "mehr und mehr irritiert sind durch die zunehmend rücksichtslose Weise, wie jahrelange erfolgreiche Integrationsbemühungen der Geflüchteten sowie der Helferkreise und der Caritas missachtet und zunichte gemacht werden". Laut Löwl sei Nomoko ausreisepflichtig gewesen und habe seit eineinhalb Jahren gewusst, dass er Deutschland verlassen müsse. Für Schrodi wiederum zeigte der Fall Nomoko, dass es dringend notwendig sei, "das Aufenthaltsrecht zu modernisieren und rechtssicher zu machen".

Landrat Stefan Löwl fordert mehr Planungssicherheit für die Kommunen. (Foto: Toni Heigl)

Da nun Samba G. seine Arbeitserlaubnis verloren hat und angezeigt wurde, werden wieder Stimmen laut, die das Vorgehen des Landratsamtes scharf kritisieren. Zum Hintergrund: 2020 hatten sich Bäcker Thomas Polz, Asylhelfer Peter Barth, Hebertshausens Bürgermeister Richard Reischl und Landrat Stefan Löwl (beide CSU) zusammengesetzt, um über die Zukunft von Samba G. zu sprechen. Barth sagt: "Damals hat uns der Landrat versprochen, dass Samba eine Beschäftigungsduldung von zweieinhalb Jahren bekommt, wenn wir an der weiteren Identitätsklärung arbeiten." Das heißt: Samba G. müsste einen malischen Pass vorlegen. Diesen habe er aber nie besessen: "Vor allem Westafrikaner, die zu uns kommen, haben oft keinen Pass", erklärt Peter Barth.

Er setzte alle Hebel in Bewegung. "Samba hatte regelmäßig Kontakt mit seiner Botschaft in Berlin. Er fuhr dort auch hin und kontaktiere den Vorsitzenden des Vereins der Malier in Bayern Oumar Dembélé", sagt Barth. Dembélé sollte Samba G. helfen, eine malische nationale Identifikationsnummer (Nina) zu bekommen. Mit Unterstützung der Caritas wurden Vertrauensanwälte in Mali angeschrieben, Barth nahm Kontakt zum Onkel von Samba G. in Mali auf, der sich um die Passbeschaffung vor Ort kümmern sollte. Eine Geburtsurkunde konnte der Onkel von Samba G. organisieren. Diese reichte Samba G. bei der Ausländerbehörde in Dachau ein. Doch dort wurde erneut nach der Nina-Nummer gefragt. Das Landratsamt bestätigt, dass Barth und Samba G. immer wieder Unternehmungen getätigt haben, um den Pass zu beschaffen, so Pressesprecherin Sina Török: "Allerdings waren diese Unternehmungen aus Sicht der Ausländerbehörde nicht geeignet, die gesetzliche Passbeschaffungspflicht nachzuweisen."

Barth kritisiert: "Ich finde es skandalös, dass die Identitätsklärung in Deutschland so hochgehängt wird." In manchen Ländern sei es einfach schwierig, einen Pass zu bekommen, das gelte zum Beispiel für Asylbewerber aus Mali, Sierra Leone oder Palästina. Löwl sagt dazu: "Es ist eine gesetzliche Voraussetzung, um hier arbeiten zu können, dass die Identität geklärt ist oder man aktiv daran mitwirkt." Im Januar wird der Fall um Samba G. vor dem Dachauer Amtsgericht behandelt. "Ich hoffe, der Richter kann nachvollziehen, dass wir alles dafür getan haben, um einen Pass für ihn zu bekommen", sagt Barth.

Hebertshausens Bürgermeister Richard Reischl ist ebenfalls enttäuscht von der Asylpolitik: "Wir haben es in den acht Jahren nach der ersten Flüchtlingswelle nicht geschafft, eine Regelung zu finden, wie Menschen mit wenig Bildung in unserem Land bleiben können und damit unserer Wirtschaft, unserem Handwerk und unserer Region guttun." Außerdem kritisiert er, dass die Dachauer Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis von Samba G. nicht verlängert hat: "Ich glaube, man hätte den Ermessensspielraum mehr ausnützen können", sagt Reischl und fügt hinzu: "Die Beteiligten haben ja viele Anstrengungen unternommen, um den Pass zu bekommen." Nun fehle wieder eine wichtige Arbeitskraft. Insbesondere im Handwerk würden Fachkräfte händeringend gesucht.

"Solange jemand hier arbeitet, soll er doch hierbleiben dürfen"

Reischls Vorwürfe weist das Landratsamt zurück: "Die Kritik von Bürgermeister Richard Reischl ist für uns nicht nachvollziehbar, beziehungsweise zielt vor allem auf gesetzlich nicht vorgesehene Aspekte ab. Beispielsweise erwähnt er immer den Fachkräftebedarf in bestimmten Bereichen, welcher zu berücksichtigen sei. Dies erkennt die Ausländerbehörde grundsätzlich an und ist bei Fristsetzungen oder Fristverlängerungen großzügig, die Pflicht zur Vornahme von gesetzlich vorgeschriebenen Bemühungen kann dadurch jedoch nicht (dauerhaft) ersetzt werden." Im Fall von Samba G. wäre dies die Beschaffung der Nina-Nummer.

Reischl hofft indes, dass die neue Ampel-Koalition in Sachen Einwanderungsgesetz einiges voranbringt. "Solange jemand hier arbeitet, eine Wohnung bezahlt, kranken- und sozialversichert ist, soll er doch hierbleiben dürfen", sagt er. Auch Thomas Polz wünscht sich ein "Bleiberecht durch Arbeit" für ausländische Mitarbeiter. Die Ampel-Koalition habe sich bereits auf einige Änderungen geeinigt, wie Schrodi in seinem offenen Brief erklärt. Im Koalitionsvertrag heißt es unter anderem: "Wir werden das komplizierte System der Duldungstatbestände ordnen und neue Chancen für Menschen schaffen, die bereits ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind: Gut integrierte Jugendliche sollen nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland und bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen."

Doch es dürfte dauern, bis dies geschieht. Für Samba G. kommt es in jedem Fall zu spät. Er hat inzwischen nicht nur seine Arbeit bei Bäcker Polz verloren, sondern lebt seit Anfang Dezember auch wieder in der Flüchtlingsunterkunft in Haimhausen. Eine trostlose Container-Anlage - während er in der Backstube dringend gebraucht würde.

© SZ vom 30.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungAsylpolitik
:Dachau ist kein sicherer Hafen

Landrat Stefan Löwl betreibt eine restriktive Asylpolitik. Er versteckt seine politische Verantwortung dafür hinter gesetzlichen Vorgaben aus Berlin.

Kommentar von Jessica Schober

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: