Kommunalfinanzen:"Wir kratzen an unserer Lebensqualität im Landkreis"

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Der Bau von zwei Gymnasien, wie hier in Karlsfeld, ist eine finanzielle Herausforderung für den Landkreis. (Foto: Toni Heigl)

Bei mehreren Projekten im Kreishaushalt soll gespart werden. Außerdem muss die Kreisumlage deutlich steigen - dafür machen einige Bürgermeister vor allem einen verantwortlich: den Freistaat.

Von Lisa Nguyen, Dachau

Die Meinung zur Schuldenbremse für den Bund ändert sich allmählich. Selbst die Wirtschaftsweisen pochen nun auf ihre Reform. Geht man aber ein paar Verwaltungsebenen tiefer, herrscht im Landkreis Dachau noch das eiserne Prinzip der schwäbischen Hausfrau. Eine Lücke von 6,7 Millionen Euro im Verwaltungshaushalt muss der Landkreis in diesem Jahr schließen, sonst gilt der Haushalt als rechtswidrig.

Das sagte Stefanie Weber, Bereichsleiterin für Kommunales bei der Regierung Oberbayern, bei der Kreisausschusssitzung am Freitag. Um das Haushaltsloch zu stopfen, müsse der Landkreis den Hebesatz für die Kreisumlage erhöhen. Einige Bürgermeister aus dem Landkreis stellten sich gegen dieses Vorhaben, ihre Wut richtete sich vor allem gegen den Freistaat Bayern.

Eigentlich sollte in der Sitzung über einen Eilantrag von CSU, Grünen, SPD und Freien Wählern abgestimmt werden. Die vier Fraktionen hatten am Mittwochabend ihren Antrag zu möglichen Sparmaßnahmen eingereicht - mit der Bitte, das Volumen des Kreishaushalts um zehn Prozent zu reduzieren.

Zahlreiche geförderte Projekte stehen auf den Prüfstand

In dem Antrag listen die Fraktionen eine Reihe von geförderten Bereichen auf, die auf den Prüfstand kommen sollen: die Bienenschutzinitiative "Der Landkreis Dachau summt!", die Lernplattform Mint-Campus, der Zweckverband Dachauer Galerien und Museen, der Regionalentwicklungsverein "Dachau Agil", das überregionale Netzwerk "Gesundheitsregion plus" und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Auch der Einsatz eines Klimaschutzbeauftragten soll diskutiert werden. Außerdem plädieren die Antragsteller für einen Einstellungsstopp. Demnach soll das Personal in der Landkreisverwaltung in diesem Jahr lediglich um fünf Azubi-Stellen wachsen. Ein Stellenabbau wird nicht erwähnt.

"Zu massiven Einschnitten" seien die Fraktionen bereit, heißt es im im Antrag. Die Höhe der bisherigen Förderungen unterscheidet sich erheblich. Nach Angaben des Landratsamtes bezuschusste der Landkreis die Bienenschutzinitiative "Der Landkreis Dachau summt!" im vergangenen Jahr mit 6000 Euro. Der Mint-Campus wurde mit 40 000 Euro gefördert.

Den Antrag nahm das Gremium einstimmig an, doch dann brach die eigentliche Diskussion aus: die Frage um die Kreisumlage. Alle Jahre wieder streiten Kreisräte und Landkreis über den Hebesatz der Abgabe, also den Anteil, den die Kommunen an den Landkreis zahlen müssen. Dieser lag im vergangenen Jahr noch bei 49,5 Prozent. Für 2024 schlug Kämmerer Michael Mair bereits im vergangenen Dezember vor, den Hebesatz auf 49,99 Prozent zu erhöhen.

Ein Hebesatz über der Schmerzensgrenze vieler Kreisräte

Mair machte am Freitag deutlich, dass der Hebesatz wohl über der 50-Prozent-Marke angesetzt werden müsse - eine Schmerzensgrenze für viele Kreisräte. Ohne Einsparungen müsste der Kreistag den Hebesatz für 2024 auf 52,85 Prozent erhöhen, um die Finanzlücke von 6,7 Millionen Euro zu schließen. Dies sei vor allem notwendig, um den Bau der beiden Gymnasien in Röhrmoos und Karlsfeld zu finanzieren.

Die Rechtsaufsicht, vertreten durch Stefanie Weber, bekräftigte Mairs Forderung. Ihre Rolle ist es, die Landkreise in Oberbayern zu beraten und zu überprüfen, ob deren Haushaltsentwurf rechtmäßig ist. Das Kernproblem bestehe ihrer Ansicht nach darin, dass der Verwaltungshaushalt 2024 einen Fehlbetrag aufweist. Diesen könne man nicht mit Krediten tilgen, denn Schulden dürfe man in der Regel nur für Investitionen aufnehmen. Damit der Landkreis leistungsfähig bleibe, müsse der Hebesatz bei über 50 Prozent angesetzt werden: "Ich bitte Sie, sich von der Fixierung auf die böse Fünf zu lösen", lautete ihr Appell.

Hilferufe an den Freistaat bleiben ungehört

Dagegen erhob sich Widerstand: Franz Obesser (CSU), Bürgermeister von Markt Indersdorf, sah vor allem den Freistaat in der Verantwortung: "Wir bekommen zu wenig Mittel vom Freistaat". Gleichzeitig bekämen die Gemeinden immer mehr Aufgaben zugewiesen. Dass eine höhere Kreisumlage die einzige Lösung ist, um das Haushaltloch zu stopfen, wollte Obesser nicht akzeptieren: "Das ist mir zu platt, das ist mir zu plump." Von anderen Kreisräten gab es dafür ein zustimmendes Tischklopfen.

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Ähnlich äußerte sich Hubert Böck (SPD), er kritisierte: Der Freistaat ziere sich damit, keine Schulden zu machen. Dafür müssen Kommunen und Gemeinden in ihrer Notlage welche aufnehmen - ein Fall von Umschuldung also.

Auch der Karlsfelder Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) brachte seine Verzweiflung zum Ausdruck. Denn immer mehr Kommunen und Gemeinden klagten über leere Haushaltskassen: "Uns steht das Wasser bis zum Hals". Erst im vergangenen Jahr musste das Hallenbad in Karlsfeld wegen der schlechten Finanzlage schließen. Sämtliche Hilferufe, gerichtet an den Ministerpräsidenten oder den Finanzminister, verhallten laut Kolbe ins Leere. Diese Sparpolitik sei auch für die Bürgerinnen und Bürger zu spüren: "Wir kratzen an unserer Lebensqualität im Landkreis."

"Wir haben keine Traktoren für Demos, aber Fahrzeuge des Bauhofs"

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagte, dass man "vielleicht drastischere Maßnahmen ergreifen muss". Das bedeutet für ihn: einen rechtswidrigen Haushalt einzureichen. Natürlich seien die Kommunen und Landkreise in der Lage, einen Entwurf aufzustellen, der dem Gesetz entspreche. "Das wird aber nicht gesehen", sagte Hartmann und kritisierte den Freistaat. "Wir haben keine Traktoren für Demos, aber dann machen wir es mit den Fahrzeugen des Bauhofs." Auch dafür gab es lautes Tischklopfen.

Stefanie Weber von der Rechtsaufsicht hielt nichts von der Idee. Sie bat darum, die rechtliche und die politische Ebene nicht miteinander zu vermischen. Politische Signale sollten über andere Wege gesendet werden. Auch Landrat Stefan Löwl (CSU) sagte: "Ich werde keinen rechtswidrigen Haushalt einreichen." Im März will die Verwaltung einen neuen Entwurf vorstellen, der endgültige Haushalt soll im April stehen.

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