Kreishaushalt 2024:"Wir verplanen das Geld unserer Kinder"

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Die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist einer der größten Kostenpunkte im Kreishaushalt. (Foto: Toni Heigl)

Der Kreiskämmerer stellt einen Rekordhaushalt von rund 310 Millionen Euro vor. Er sieht nur einen Weg, dessen Genehmigungsfähigkeit zu sichern: Die Kreisumlage muss erhöht werden. Doch dagegen regt sich unter den Kreisräten Widerstand.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Im Umwelt- und Verkehrsausschuss geht es am Freitagmorgen eigentlich gerade nur darum, ob man eine Neuausschreibung der Buslinie 708 und eine Bündelung der Linien 723 und 725 möchte. Streng genommen geht es sogar nur darum, sich diese Option in Zukunft offenzuhalten. Final darüber entscheiden müssen die Ausschussmitglieder erst in einem Jahr. Vorabbekanntmachung heißt das im Fachjargon. Aber weil jede Entscheidung, die die Kreisrätinnen und Kreisräte einmal treffen, früher oder später bekanntlich Geld kostet, wird es schon lange, bevor Kreiskämmerer Michael Mair zum ersten Mal grob den Haushaltsplan für das Jahr 2024 vorstellt, grundsätzlich, ja fast pathetisch. Plötzlich geht es nämlich um nichts Geringeres als Generationengerechtigkeit.

Anlass ist ein kleiner Nebensatz in der Beschlussvorlage: Dort steht die vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen "können nach heutiger Einschätzung nur mit einer Erhöhung des Kreisumlagehebesatzes finanziert werden". Er steht so oder so ähnlich schon seit Monaten fast in jeder Beschlussvorlage unter dem Punkt "finanzielle Auswirkungen". Und deshalb schickt Landrat Stefan Löwl (CSU) an dieser Stelle gleich mal einen "Spoiler" für die noch folgenden Haushaltsdebatten vorweg, auch wenn er damit nichts Unbekanntes verrät: "Uns fehlt das Geld." Allein für die Umsetzung des Nahverkehrsplans, den das Gremium einmal beschlossen habe, fehlten, rechnet Löwl vor, schlappe fünf Millionen Euro.

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Die Landkreisverwaltung sieht deshalb nur eine Möglichkeit: Die Kreisumlage muss drastisch erhöht werden. Das lässt sich diesem Nebensatz und den Ausführungen des Kreiskämmerers entnehmen. Doch da streiken Kreisräte wie Stefan Kolbe (CSU) und Florian Hartmann (SPD), die eben zudem auch noch Karlsfelder Bürgermeister und Dachauer Oberbürgermeister sind. Die Diskussion ist nicht neu, seit Jahren wiederholt sie sich so oder so ähnlich um diese Jahreszeit mit ähnlichen Positionen.

Hartmann fordert nicht nur, endlich die "Notbremse" zu ziehen, sondern schickt auch gleich vorweg, dass er heute nicht und auch in Zukunft nicht für einen Beschluss stimmen werde, der eine Erhöhung der Kreisumlage erfordere. Dass, wenn man alles umsetzen wolle, was man sich einmal überlegt habe, nicht nur ein Hebesatz um die 50 Prozentpunkte notwendig wäre, sondern einer um die 60, hat Kämmerer Mair da noch gar nicht gesagt.

Aktuell rechnet der Kämmerer mit einem Hebesatz von 49,99 Prozent

Wenig später legt der Kreiskämmerer dann im Kreisausschuss einen ersten Entwurf des Gesamthaushalts 2024 inklusive der Finanzplanungsjahre bis 2027 vor. Darin steht, mit welcher Kreisumlagehöhe Mair momentan kalkuliert hat: 49,99 Prozent, das macht ein Plus von 0,49 Prozent im Vergleich zum laufenden Haushaltsjahr. Da steht aber eben auch: Wenn sich die Kreisrätinnen und Kreisräte nicht auf eine weitere Erhöhung einigen können, dann wird trotz bereits getätigter Einsparungen von zehn Prozent in allen Sachgebieten ein Defizit von mehr als sechs Millionen Euro im Verwaltungshaushalt die Folge sein.

Und das, so heißt es weiter, bedeutet nichts weniger, als dass "die Handlungsfähigkeit des Landkreises und die Genehmigungsfähigkeit des Kreishaushaltes sehr gefährdet" ist. Nur mit einem Hebesatz von mindestens 53,75 Prozentpunkten sei eine Mindestzuführung möglich und auch damit würden nur die Kredite getilgt. Nach aktueller Planung sehe es aber noch düsterer aus, denn derzeit finanziere man den laufenden Betrieb vor allem über eines: Schulden. Und das bedeutet laut Mair eben letztlich: "Wir verplanen das Geld unserer Kinder." Anders als mit Investitionen, von denen die nachfolgende Generation profitiere, habe sie von einem Schuldenberg nämlich rein gar nichts und könne wiederum selbst nur wenig investieren.

Auch die Krankenhausumlage bereitet dem Kreiskämmerer Sorgen

Freilich sind daran nicht allein die Kreisrätinnen und Kreisräte Schuld, die Anschaffen ohne über die Finanzierung nachzudenken. Es liegt auch an äußeren Faktoren wie der Inflation, gestiegenen Energiepreisen, hohen Tarifabschlüssen, einem steigenden Zinsniveau, immer mehr Aufgaben, die auf den Landkreis entfallen, Leistungsausweitungen - und nicht zuletzt natürlich zwei neuen Gymnasien, die es bis zum Schuljahr 2025/26 zu bauen gilt. Und nicht alles, was viel Geld kostet, ist eine freiwillige Leistung. Ginge es danach, dann würden die Busse im Landkreis nämlich nur noch fahren, wenn sie Kinder und Jugendliche von und zur Schule befördern. Und das will niemand, da immerhin sind sich alle im Sitzungssaal einig.

Neben dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), den Kosten für die beiden neuen Gymnasien und der Bezirksumlage sind die Personalkosten der Verwaltung einer der größten Ausgabenpunkte. Heuer sieht Kreiskämmerer Mair zudem noch die sogenannte Krankenhausumlage als "zusätzliches Finanzierungsrisiko". Damit fördern die Kommunen zusammen mit dem Freistaat die bayerischen Krankenhäuser. Die genauen Kosten, die dabei auf den Landkreis zukommen, sind allerdings laut Mair noch ungewiss.

Ein Rekordhaushalt ohne Gegenfinanzierung

Auch auf der Einnahmenseite gibt es noch Unbekannte: Wie hoch die Schlüsselzuweisungen ausfallen werden, weiß der Kreiskämmerer zum Beispiel noch nicht genau. So viel aber immerhin vermag er Anfang Dezember schon zu sagen: Es wird einmal mehr ein Rekordhaushalt mit einem Gesamtvolumen von rund 310 Millionen Euro werden - mit schwindenden Rücklagen und steigenden Schulden. Eine Gegenfinanzierung oder ein Sparplan fehle bislang, so Mair.

Die Frage, um die es in den kommenden Wochen im Streit um die einzelnen Posten im Haushalt gehen wird, ist folgende: Was will, was kann man sich noch leisten und auf was wird man in Zukunft schweren Herzens verzichten müssen? Noch bis zum Frühjahr haben die Kreisrätinnen und Kreisräte Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.

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