Finanzpolitik:Dachauer Stadträte ringen um Haushalt

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Der Gemeinde Schäftlarn kann ihre Ausgaben nicht mehr stemmen. Der aktuelle Haushalt weist ein Loch von 1,7 Millionen Euro aus, das nicht getopft werden kann. (Foto: Hannes P Albert/dpa)

Die Stadt ist finanziell unter Druck. Erstmals seit Jahren wird sie 2024 neue Kredite aufnehmen müssen. Um zu sparen, muss die Politik unliebsame Entscheidungen treffen.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Der Beschluss, in Dachau Mieträder des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) aufzustellen, hielt nur etwas mehr als 24 Stunden. Am Dienstagnachmittag stimmte eine Mehrheit im Umwelt- und Verkehrsausschuss dafür, Stationen für die blauen MVV-Räder in der Stadt zu verwirklichen. Verkehrsreferent Volker C. Koch (SPD) sprach von einem Beitrag zur Mobilitätswende und zum Klimaschutz.

Am Mittwochnachmittag prallte das Vorhaben dann mit Karacho gegen die harte Wand der Sparpolitik. Im Haupt- und Finanzausschuss hob eine Mehrheit den Beschluss auf. Die Stadträte und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der selbst tags zuvor noch für das Mietradsystem gestimmt hatte, sahen sich wegen der angespannten Haushaltslage gezwungen, die Mittel für das Mietradsystem aus dem Haushalt für 2024 (30 000 Euro) und auch aus der Finanzplanung für die Folgejahre (pro Jahr 180 000 Euro) zu streichen. Nur die Grünen wollten das Geld trotzdem im Haushalt behalten.

Wie derzeit in Berlin geht es auch in Dachau finanzpolitisch ins Eingemachte

Immer wenn es auf Weihnachten zugeht, beginnen für die Dachauer Stadträte die schwierigsten Wochen. Ausgerechnet in der Adventszeit müssen sie Wünschen ihres je eigenen Wählerklientels oder von Vereinen eine Absage erteilen. Schließlich sind sie in der Pflicht, noch vor Jahresende einen genehmigungsfähigen Haushalt für das kommende Jahr und eine Finanzplanung für die Folgejahre zu verabschieden. Dies soll in der Stadtratssitzung am 12. Dezember geschehen.

Wie derzeit in Berlin geht es damit auch in Dachau finanzpolitisch ans Eingemachte. Hier wie dort wird der Rotstift angesetzt. Mit dem Unterschied natürlich, dass das Haushaltsloch im Bund mit 60 Milliarden um ein Vielfaches größer ist als in der Stadt. "Die Politik muss auf allen Ebenen ehrlich werden. Bestimmte Dinge gehen einfach nicht mehr", mahnte Stadtkämmerer Thomas Ernst zu Beginn der zweitägigen Haushaltsberatungen. Den vorliegenden Haushaltsentwurf kommentierte er gar mit den Worten: "Wäre ich die Rechtsaufsicht, würde ich diesen Haushalt nicht genehmigen." Damit war der Ton gesetzt für harte Beratungen in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, die am Mittwoch und Donnerstag stattfand.

Ernst und die Stadtverwaltung legten den Stadträten einen Haushaltsentwurf unter schwierigen Rahmenbedingungen vor. Haupteinnahmequellen der Stadt sind auch im kommenden Jahr die Einkommensteuer (voraussichtlich rund 43 Millionen) und Gewerbesteuer (rund 27,5 Millionen). Hinzukommen nach aktuellem Stand etwa 7,1 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen, was ein Minus von fast drei Millionen Euro im Vergleich zu 2023 bedeuten würde.

Kreisumlage geht weiter nach oben

Auf der Ausgabenseite fällt vor allem die Kreisumlage mit voraussichtlich mindestens 37 Millionen Euro ins Gewicht, je nachdem welchen Hebesatz der Landkreis ansetzt. In jedem Fall ist klar, dass die Stadt deutlich mehr als 2023 (rund 34,3 Millionen Euro) an den Kreis abgeben muss. Auch die städtischen Zuschüsse etwa an freie oder kirchliche Träger von Kindertagesstätten sowie an den ÖPNV gehen um mehr als fünf Millionen Euro auf rund 29,5 Millionen nach oben. Außerdem steigen die Ausgaben für Personal im kommenden Jahr aufgrund von Stellenmehrungen und Tariferhöhungen um 2,5 Millionen auf etwa 38,9 Millionen Euro an.

Baumaßnahmen schlagen mit rund 48 Millionen Euro zu Buche. Dort sind Ausgaben etwa für die Rathauserweiterung (1,5 Millionen Euro) oder für den Neubau der Georg-Scherer-Halle (0,7 Millionen Euro) vorgesehen. In der Summe kann sich die Stadt dies alles nur leisten, wenn sie zum ersten Mal seit Jahren wieder Kredite aufnimmt. Fast 20 Millionen Euro waren vor Beginn der Haushaltsberatungen veranschlagt.

"Die zwei Tage haben einen deutlichen Fortschritt gebracht"

Diese Summe konnten die Stadträte in den vergangenen Tagen halbieren, indem sie Mittel, die für 2024 eingeplant waren, strichen oder auf Folgejahre verschoben. "Die zwei Tage haben einen deutlichen Fortschritt gebracht", sagte Ernst am Freitag. Ob der Entwurf so genehmigungsfähig wäre, wollte er nicht kommentieren.

Laut dem Kämmerer ließen sich im Bauetat 5,2 Millionen Euro für nächstes Jahr einsparen. Dabei handelt es sich um Geld für Baumaßnahmen wie etwa für die Grundschule Dachau-Ost oder Kindertageseinrichtungen, das zwar eingeplant war, aber aller Voraussicht nach 2024 nicht abgerufen werden würde. Bei der Gewerbesteuer beschlossen die Stadträte, etwas großzügiger zu planen und von Einnahmen in Höhe von 29 Millionen auszugehen. Grund für den Optimismus ist ein außergewöhnlich gutes Ergebnis im laufenden Jahr.

Wie Oberbürgermeister Hartmann sagte, gebe es auch die Möglichkeit, bei den Personalkosten ein wenig nach unten zu gehen. Darüber berieten die Stadträte in nicht-öffentlicher Sitzung. CSU-Fraktionschef Florian Schiller machte zuvor deutlich, dass seine Fraktion keinem Haushalt zustimmen werde, "der mit solchen Stellenmehrungen einhergeht" - im vergangenen Jahr hatte die CSU den Haushalt aufgrund aus ihrer Sicht zu hoher städtischer Personalkosten abgelehnt. Hartmann verteidigte die Stellenmehrung damit, dass die Stadtverwaltung von übergeordneten Stellen immer mehr Aufgaben aufgebrummt bekomme.

Knabenkapelle ist der Verlierer der Haushaltsberatungen

Neben dem Mietradsystem haben sich die Stadträte auch von den Planungen für einen Naturkindergarten verabschiedet. Dieser hätte in den kommenden Jahren rund 650 000 Euro gekostet. Jetzt soll die Verwaltung erst einmal ermitteln, ob in Dachau der Bedarf für so eine Kita besteht. Zu den größten Verlierern der Einsparungen gehört die Knabenkapelle: Die will seit Jahren ihr Musikheim in der Sudetenlandstraße umbauen. Erst im Oktober hat der Kulturausschuss dafür Mittel freigegeben: Mehr als drei Millionen Euro hätte die Knabenkapelle bekommen sollen. Davon übrig geblieben sind nach den Haushaltsberatungen nur noch 290 000 Euro, um 2024 den Saal des Vereinsheims zu ertüchtigen. Das restliche, ursprünglich eingeplante Geld für die Jahre 2025 bis 2027 fiel aus der Finanzplanung heraus.

In der Ausschusssitzung am Mittwoch und Donnerstag diskutierten die Stadträte auch lebhaft über die städtische Sportförderung. Wie Ernst berichtet, einigte man sich schließlich darauf, diese in Zukunft deckeln zu wollen. Zudem sollen die großen Sportvereine, der ASV und TSV Dachau, ab 2025 keine Zuschüsse mehr bekommen, um ihre Schulden zu tilgen.

Über den Haushalt für 2024 und die Finanzplanung für die kommenden Jahre wird der Stadtrat in seiner Dezembersitzung abstimmen. Traditionell nutzen der OB und die Fraktionsvorsitzenden die Gelegenheit, um in ihren Haushaltsreden den politischen Gegner mit deutlichen Worten zu attackieren.

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