Gemeinderat:"Die bitterste Entscheidung für Karlsfeld in den letzten 50 Jahren"

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Tausende Kinder haben in den vergangenen Jahrzehnten in Karlsfeld das Schwimmen gelernt und sich an das kalte Nass herangetastet, wie bei diesem Baby-Schwimmkurs. (Foto: Niels P. Joergensen)

Das Hallenbad schließt endgültig, das hat der Karlsfelder Gemeinderat am Donnerstagabend beschlossen. Zwar gibt es Ideen für einen Neubau, aber auch dafür fehlt das Geld.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Sogar Tränen flossen am Donnerstagabend im Publikum des Sitzungssaales, auch Gemeinderäte waren den Tränen nahe, als sie entschieden, dass das Karlsfelder Hallenbad endgültig schließt. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) sagte: "Das ist die bitterste Entscheidung in meiner Amtszeit und die bitterste Entscheidung für Karlsfeld in den letzten 50 Jahren." Aber nun zähle allein die Finanzlage der Gemeinde. In den vergangenen Wochen habe er viele Gespräche geführt, um das Bad noch zu retten - am Ende vergeblich.

Bereits seit Oktober ist das Bad geschlossen, Grund dafür sind Statikprobleme am Dach. Außerdem wäre eine Kernsanierung für rund 15 Millionen notwendig, was sich die Gemeinde aber nicht leisten kann. Zwar hatte der Bund einen Zuschuss von 5,1 Millionen Euro zugesichert, aber das reiche nicht, so Gemeindekämmerer Alfred Giesinger. Deshalb prüfte er andere Fördermöglichkeiten, ebenfalls erfolglos. Auch gebe es ein Bayerisches Sonderprogramm Schwimmbadförderung (SPSF) und einen Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), um Hallenbäder zu sanieren, aber von dort fließt kein Geld, wenn der Bund bereits eine Finanzspritze zugesagt hat. Problematisch seien auch die Betriebskosten. Pro Jahr würden sie wegen der hohen Energiekosten ein Defizit von rund einer Million Euro im Gemeindehaushalt verursachen. In den vergangenen Jahren lag es nur zwischen 400 000 und 600 000 Euro. Gleichzeitig gebe es kein Förderprogramm zur Finanzierung der Betriebskosten, so Giesinger.

Das Landratsamt würde eine hohe Kreditaufnahme nicht genehmigen, so Kolbe

Kolbe hat daher bei anderen Landkreisgemeinden nachgehakt, ob sie sich beteiligen oder einen Zweckverband gründen wollen, um das Bad zu finanzieren. Aber dazu gebe es keine Bereitschaft: Die Gemeinden, deren Schulkinder bislang in Karlsfeld schwammen, signalisierten zwar, dass man bereit sei, einen höheren Nutzungsbetrag zu zahlen, mehr jedoch nicht. Später gab Kolbe jedoch zu, dass er noch nicht mit München gesprochen habe. Zuletzt kamen auch Allacher und Untermenzinger zum Schwimmen nach Karlsfeld, merkte Elisabeth Leukhart aus dem Publikum an. Kolbes Fazit: Die Gemeinde müsste einen Kredit von rund zehn Millionen Euro aufnehmen, um die Sanierung zu finanzieren. Doch diese hohe Kreditaufnahme wäre im Haushalt eine freiwillige Leistung und würde von der Rechtsaufsicht im Landratsamt nicht genehmigt werden.

1971 wurde das Karlsfelder Hallenbad eröffnet. (Foto: Toni Heigl)
Als der Gemeinderat über die Hallenbadschließung entscheidet, sitzen auch Mitglieder der DLRG im Publikum. (Foto: Toni Heigl)
Dazu gehört auch Hermann Bendl. Er fragt sich, wie er die zahlreichen Anfragen an Schwimmkursen in Zukunft beantworten soll. (Foto: Toni Heigl)

Viele Gemeinderäte betonten, dass ihnen die Entscheidung schwerfalle. Die Stimme von SPD-Gemeinderat Franz Trinkl stockte, als er sagte: "Wir müssen schweren Herzens für die Schließung stimmen", daraufhin legte er sein Mikrofon weg und schlug die Hände vor den Mund. Zuvor argumentierte er, die Gemeinde habe schwierige finanzielle Zeiten vor sich, eine Besserung sei nicht in Sicht, weil große Einnahmen wie Gewerbesteuern fehlen. Auch Mechthild Hofner (Bündnis) bedauerte, dass sich die Gemeinde zwar um Gewerbeansiedlung bemühe - aber die Pläne nicht so recht aufgingen. Ein Beispiel ist der Prinzenpark-West, wo sich Gemeinde und Investor nicht über die Bebauung einig werden. Parteikollege Adrian Heim schlug vor, ein neues kompakteres Schwimmbad nur für Vereine und Schulschwimmen zu bauen.

Doch auch für so ein Bad mit nur einem Becken und fünf Bahnen fielen mindestens acht Millionen Euro an, rechnete Gebäudemanager Marco Mühlenhoff vor, das könne sich die Gemeinde frühestens 2030 leisten, als Standort schlug er eine Fläche hinter der Dreifachturnhalle an der Mittelschule vor.

"Wir rechnen mit einem rapiden Anstieg an Austritten"

Michael Fritsch (Grüne) hoffte, dass die Einsparungen beim Hallenbad künftig zu mehr Spielraum für andere Investitionen führen, etwa Freiräume für Jugendliche oder den Klimaschutz. Schließlich stimmten alle Gemeinderäte außer Janine Rößler-Huras (Grüne) für die Schließung. Sie sagte: "Aus finanzieller Sicht verstehe ich diese Entscheidung", aber aus moralischen Gründen könne sie nicht dafür stimmen.

Die Schließung des Hallenbades ist für den Schwimmabteilungsleiter des TSV Karlsfeld Martin Nowak "sehr erschütternd, aber war absehbar". Er frage sich, wo die Karlsfelder Kinder nun schwimmen lernen. Zumindest für die Schulkinder hatte Kolbe eine positive Nachricht, sie können das Oberschleißheimer Bad nutzen. Für Nowak hingegen ist unklar, wie es mit seiner Schwimmabteilung weitergeht: "Wir rechnen mit einem rapiden Anstieg an Austritten", derzeit können nur etwa 15 Prozent der Schwimmer auf andere Bäder ausweichen. Gegen Ende des Jahres will die Schwimmabteilung darüber beraten, ob sie ohne eigenes Bad noch Sinn mache. Nowak wünschte sich, dass die Gemeinde nochmal alle Interessenvertreter an einen Tisch holt, wie den TSV, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), Wasserwacht, Landkreisgemeinden und die Landeshauptstadt, vielleicht gelinge ja doch noch eine Rettung. Andernfalls plädierte er für den Neubau eines Schul- und Vereinsschwimmbades.

Der Karlsfelder DLRG-Vorsitzende Hermann Bendl verfolgte die Sitzung mit und fragte sich: "Wie sollen wir die Jahre bis 2030 überbrücken, bis das neue Schwimmbad fertig ist?" Er befürchtete, dass er mit seinen Wasserrettern künftig von einem Hallenbad ins nächste ziehen muss, derzeit trainieren einige in Dachau und Oberföhring. Auch habe er viele Anfragen für Kinderschwimmkurse, könne diese aber nicht anbieten, weil es keine freien Plätze in umliegenden Bädern gebe. "Im Sommer werden wir versuchen, den See besser zu nutzen", sagt Bendl, doch dort Kindern das Schwimmen beizubringen, sei eher schwierig.

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