Gedenkfeier:Das Massaker von Dachau

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Förderverein und Kirche erinnern an 4000 ermordete Sowjetsoldaten

Der ehemalige "SS-Schießplatz Hebertshausen" war einer der Schauplätze eines beispiellosen Vernichtungskrieges, der mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begonnen hatte. Zum 80. Jahrestag gedenken die evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau und der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit der Millionen Opfer dieses Vernichtungskrieges der Wehrmacht. Auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion wurden während des Zweiten Weltkriegs mehr als zwei Millionen jüdische Kinder, Frauen und Männer ermordet. Insgesamt wird die Zahl der sowjetischen NS-Opfer auf 27 Millionen geschätzt, wie Kirchenrat und Historiker Björn Mensing, Pfarrer der Versöhnungskirche, mitteilt. Und auch Dachau spielte eine Rolle: Zwischen Herbst 1941 und Sommer 1942 hat die SS am ehemaligen Schießplatz mehr als 4000 Soldaten der Roten Armee erschossen, die zuvor nach rassistischen oder ideologischen Kriterien aus Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht ausgesondert worden waren. Wie Andrea Heller erklärt, hat der Ort des Massakers mitten im Dachauer Land jahrzehntelang kaum Beachtung gefunden. Erst im Mai 2014 wurde dort ein Gedenkort errichtet und mit einer Außenausstellung versehen.

Mit einer Konzertandacht erinnert die Versöhnungskirche am Sonntag, 20. Juni, an den Überfall von Hitler-Deutschland auf die Sowjetunion. Fast wäre auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Dachau gekommen, aus terminlichen Gründen ist das aber nun nicht möglich, wie das Bundespräsidialamt an Mensing geschrieben hat. "Der Bundespräsident hat sich sehr gefreut zu erfahren, dass Sie in Dachau an den deutschen Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren und an Tod und Leid der Kriegsgefangenen der Roten Armee erinnern. Viel zu lange waren der deutsche Vernichtungskrieg in Osteuropa und der Mord an den sowjetischen Kriegsgefangenen im kollektiven Gedächtnis kaum präsent."

Nikola David, Kantor der liberalen jüdischen Gemeinde Beth Shalom, wird das Gedenken musikalisch gestalten. Aus der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern kommt Rabbiner Steven Langnas. Neben Gästen aus der Politik werden auch Holocaustüberlebende und Veteranen der Roten Armee aus den Münchner jüdischen Gemeinden erwartet. Mensing betont, dass es in der NS-Zeit aus den deutschen Kirchen viel Zustimmung zum Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion gegeben habe. Kirchlicher Antikommunismus und Antisemitismus hätten viele Christen anfällig für den "Kreuzzug gegen den jüdischen Bolschewismus" gemacht.

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Mehr als 25 000 Sowjetbürger sind als Häftlinge ins KZ Dachau verschleppt worden, die meisten aus der Ukraine, Belarus, Litauen und Russland. Jeder vierte ist unter 19 Jahre alt gewesen. In der Andacht wird auch an die 4000 Opfer des Massakers am "SS-Schießplatz", darunter viele Juden, gedacht.

Die Andacht findet unter Einhaltung der Corona-Regeln in und vor der Versöhnungskirche statt. FFP-Masken sind Pflicht. An der Präsenz-Gedenkveranstaltung von 16 bis 17.30 Uhr kann man auch via Livestream teilnehmen: www.facebook.com/events/317121586476068. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist ohne Anmeldung möglich. Auch bei der Veranstaltung des Fördervereins für internationale Jugendbegegnung am Dienstag, 22. Juni, um 17 Uhr gilt die Maskenpflicht.

Der Förderverein hat auch 2020 in der Corona-Pandemie am Jahrestag eine Gedenkveranstaltung am ehemaligen "SS-Schießplatz" abgehalten, allerdings in kleinem Kreis. Dieses Jahr kann die Veranstaltung im Freien am 22. Juni wieder mit mehr Öffentlichkeit stattfinden. Seit mehr als 20 Jahren erinnert der Förderverein in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte am 22. Juni an die Geschichte des Ortes.

Es laufen weitere Recherchen, so Heller, um weitere Namen von Opfern auf den Stelen am Gedenkort sichtbar zu machen. Ebenso werden weitere Biografien erarbeitet, die Einzelschicksale näher beleuchten. Bisher sind auf den Stelen am Gedenkort 816 Namen sichtbar - die langfristig auf ungefähr 2000 erweitert werden sollen. Bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung wird Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, ein Grußwort sprechen und Reinhard Otto die Gedenkrede halten. Otto war maßgeblich an der Gestaltung des Gedenkortes beteiligt. In jahrelanger Arbeit, auch in russischen Archiven, trug er die Namen und Daten von Opfern zusammen, die in Hebertshausen ermordet wurden.

© SZ vom 18.06.2021 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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