Flüchtlinge:Willkommen im Himmelreichweg

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Im März wurde die Container-Unterkunft für Flüchtlinge im Himmelreichweg in Dachau-Süd fertiggestellt. (Foto: Niels P. Jörgensen)

Nach Protesten gegen die Flüchtlingsunterkunft in Dachau-Süd veranstaltet der Runde Tisch gegen Rassismus eine Kundgebung.

Von Helmut Zeller, Dachau

Der Runde Tisch gegen Rassismus plant eine Kundgebung für solidarische Flüchtlingspolitik und gute Nachbarschaft vor der neuen Flüchtlingsunterkunft in Dachau-Süd. Am Mittwoch, 23. März, treffen die ersten Familien mit Kindern aus der Sammelunterkunft in der Kufsteiner Straße in den Wohncontainern am Himmelreichweg ein. Mit seiner Willkommen-Aktion am Mittwoch um 17 Uhr will der Verein ein Zeichen gegen eine Initiative setzen, die im Vorfeld gegen die neue Unterkunft heftig protestiert hat.

Mit anonymen Flugblättern und durch eine Internetaktion versuchte die Initiative die Pläne für das Containerdorf in Dachau-Süd zu Fall zu bringen. In Dachau wurde die Initiative deren Angaben zufolge von 543 Bürgern unterstützt. Inzwischen ist es um die Initiative ruhig geworden. Der Runde Tisch gegen Rassismus kritisiert, dass die Drahtzieher der Initiative gegen Flüchtlinge mit "haltlosen Vorwürfen" agiert habe. "Kursierende Gerüchte über Flüchtlinge sind aber erwiesenermaßen reine Lügengeschichten", heißt es in einer Pressemitteilung. Die neuen Anwohner des Himmelreichwegs, darunter viele Familien mit Kindern, seien sehr dankbar, dass sie aufgenommen und von ehrenamtlichen Helfern viel Unterstützung bekommen würden. Das habe, so der Runde Tisch, sich auch auf dem Infotag des Arbeitskreises Asyl am Samstag wieder einmal gezeigt.

In Augustenfeld gibt es keine lauten Proteste

Geäußerte Bedenken wegen möglicher krimineller Übergriffe seitens der Asylsuchenden hatten Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und Landrat Stefan Löwl (CSU) schon auf einer Info-Veranstaltung im Januar zu zerstreuen versucht. 600 Besucher waren ins Thoma-Haus in der Dacher Altstadt gekommen. "Von derzeit 1944 Asylsuchenden im Landkreis machen 20 Probleme", sagte Löwl. Die meisten davon innerhalb ihrer Unterkunft, sodass im Wesentlichen andere Flüchtlinge davon betroffen sind. Polizist Björn Scheid sagte: "Wir haben einen Diebstahl und einen Schwarzfahrer." Sexuelle Übergriffe auf Frauen durch Flüchtlinge seien der Polizei bisher keine bekannt. "Wir kennen keine Toleranz bei Vergehen", sagte Löwl. "Wir verschweigen Ihnen nichts."

Warum ausgerechnet hier, fragten Anhänger der Initiative. Die Antwort: Das Grundstück am Himmelreichweg gehört der Stadt, private Areale zu erwerben, ist fast ausgeschlossen. An jedem Stadtrand, sagten OB und Landrat zu den Kritikern, gebe es in der Nähe ein Erholungsgebiet. Überall gebe es skeptische Anwohner, sagte Hartmann. Trotzdem: In Augustenfeld gibt es keine lauten Proteste. Auch das Zusammenleben mit den Flüchtlingen auf dem MD-Parkplatz geht leise und unauffällig vonstatten.

Bessere Wohnbedingungen als in der Kufsteiner Straße

Der Runde Tisch gegen Rassismus will vor diesem Hintergrund zusammen mit der Nachbarschaft in Dachau-Süd ein Zeichen setzen, dass die neuen Nachbarn willkommen sind. Der Verein wurde mit 24 Gründungsmitglieder quer durch alle Parteien, Kirchen und Vereine Anfang 2015 gegründet. Insgesamt werden in den Osterferien etwa 60 Menschen aus dem Barackenlager in der Kufsteiner Straße auf die Unterkünfte an der Parzivalstraße in Karlsfeld und die Wohncontainer am Himmelreichweg in Dachau verteilt. Die fünf völlig maroden Baracken in der Kufsteiner Straße, die seit gut 25 Jahren bewohnt sind, werden im Herbst abgerissen, nachdem sich die Regierung von Oberbayern mit dem Eigentümer des Geländes nicht auf einen Pachtzins einigen konnte. 123 Menschen leben heute in dem Sammellager unter menschenunwürdigen Bedingungen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte der Stadt Dachau vor zweieinhalb Jahren einen Neubau versprochen - geschehen ist nichts.

Landrat Löwl nutzt seinen Worten zufolge bereits jetzt die Gelegenheit, einen Teil der Bewohner in anderen Unterkünften unterzubringen. Mussten vor wenigen Monaten noch wöchentlich etwa 60 Asylsuchende untergebracht werden, sind es nun unter 30. Außerdem stünden mit den neuen Anlagen in Karlsfeld und Dachau freie Kapazitäten zur Verfügung. "Wer weiß, was im Sommer ist", sagt Löwl. Auch könne man den Menschen bessere Wohnbedingungen als in der Kufsteiner Straße bieten.

Die Flüchtlinge schätzen den Lagerverwalter John Mitterbacher

In den Himmelreichweg ziehen jetzt Familien um, deren Kinder Schulen in der Stadt Dachau besuchen. Löwl stößt sich, wie er sagte, an der Formulierung, dass die Asylsuchenden aus der Kufsteiner Straße ausziehen müssen. "Sie dürfen", sagt er und verweist darauf, dass es doch schon seit langem Kritik an den menschenunwürdigen Barackenunterkunft gebe.

Aber die Bewohner waren von der Ankündigung des Umzugs in nur zwei Wochen überrascht und reagierten verängstigt. So schäbig das Sammellager auch ist, die Menschen haben sich dort eingerichtet, eine Privatsphäre aber auch eine Gemeinschaft und Freunde gefunden. Nicht zuletzt schätzen die Flüchtlinge den Lagerverwalter John Mitterbacher.

Der Runde Tisch, der zunächst auch gegen die Auflösung des Barackenlagers zum jetzigen Zeitpunkt protestiert hatte, befürchtet, dass die über Jahre gewachsene Helferstruktur nun zerschlagen werden könne. Zumindest die Sorge, dass die Asylsuchenden in Massenunterkünften wie Traglufthallen umziehen müssten, hat sich momentan nicht bestätigt. Die Unterkünfte in Holzständerbauweise in Karlsfeld oder auch in Holzmassivbauweise seien Beispiele, die Schule machen müssten. Aber auch Container seien eine gute erste Lösung.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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