Dachau:Eine Erfindung, die für Aufsehen sorgt

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Walter Reichel (links) und Peter Heller sind glücklich. Ihr Papier ist eines der innovativsten Materialien für die Umwelt aus ganz Europa. (Foto: oh)

Walter Reichel und Peter Helfer haben stromleitendes Papier entwickelt. Jetzt werben sie in der Sendung "Die Höhle der Löwen" dafür.

Von Johannes Rockstuhl, Dachau

Papieringenieur Walter Reichel ärgert sich eines Tages, dass bei der Papierherstellung zu viel weggeworfen wird. Vor allem Karbonfasern müssen bei der Produktion aussortiert werden, sind also Abfallprodukte. Dass Karbon jedoch sehr gut Strom leitet, könne sich als nützlich herausstellen, überlegt der 76-Jährige. Aus einer Laune heraus denk er, was wenn man die Karbonfasern "einfach mal dazu gibt". Der Pensionär wendet sich an seinen Freund und Kollegen Peter Helfer (55), der eine kleine Druckerei in Dachau besitzt. Gemeinsam versuchen sie eine Verbindung herzustellen, doch Karbon- und Zellfasern vertragen sich nicht allzu sehr. Es wird schnell klar, es muss ein perfektes Mischverhältnis bestehen. "Nach vielen, vielen Versuchen", berichtet Reichel, "klappt es": Sie entwickeln das erste Papier, das Strom leitet.

Das war vor über zehn Jahren. Zunächst wissen Reichel und Heller nicht so richtig, was sie damit anfangen sollen. Ein Freund rät ihnen Patente anzumelden und das tun sie 2012 und 2013. Reichel ist ihm im Nachhinein sehr dankbar. Viele große Konzerne wollen nun ebenfalls ein stromleitendes Papier entwickeln und versuchen die beiden unerfahrenen Unternehmer vom Markt zu drängen. Doch Reichel und Helfer sind sich ihres Produktes sicher.

Im kleinen Kreis, der allein aus Freunden und Familie besteht, entwickeln und vermarkten sie ihr Produkt unter dem Firmennamen Kohpa. Derzeit suchen sie Investoren und Abnehmer, weshalb sie an diesem Montagabend in der Fernsehsendung "Die Höhle der Löwen" ihr Produkt präsentieren und um finanzielle Unterstützung werben.

"Nachhaltigkeit war immer unser oberstes Prinzip"

Stromleitendes Papier kann zweierlei: Einerseits wird es zur Abschirmung elektromagnetischer Strahlung verwendet und andererseits zum Beheizen dünnster Flächen. Reichel und Heller haben ihr Abschirmprodukt Kohpa-protect getauft. Einige Firmen verwenden es bereits zum ökologischen Hausbau, damit es vor Elektrosmog schützt. Der Schirmwirkungsgrad könne bei bis zu 99 Prozent liegen, so die Erfinder. Dies bedeute einen Schirmfaktor von 400 bei einem Leistungsdurchlass von 0,3 bis 0,4 Prozent. Das Heizpapier firmiert unter dem Namen Kohpa-therm. Es zählt als weltweit dünnste und leichteste Flächenheizung. Das Papier kann im Niedervoltbereich an den elektrischen Strom angeschlossen werden. Durch geringen Platzbedarf und gute Formbarkeit sind Fußböden, Decken und Wände ebenso einfach zu beheizen, wie schwer zugängliche Flächen und komplexe Formen. Es würden Temperaturen zwischen 35 und 60 Grad Celsius erreicht, so Walter Reichel.

"Nachhaltigkeit war immer unser oberstes Prinzip", sagt er und wirbt, dass sein Start-up-Unternehmen aus Dachau globales Potenzial im Bereich der anstehenden Energiewende offeriere. In der Produktion verwende man nur recycelte Ausgangsmaterialien und die Endproduktion biete einen hohen Grad an Energieeffizienz. Deshalb wurde das stromleitende Papier von Kohpa von der Europäischen Union als eines von fünf besonders innovativen Materialien für Umwelt aus ganz Europa für die repräsentative "Green Materials Box" ausgewählt und ausgezeichnet. Sie hätten sich dafür nicht einmal beworben, sagt Reichel, der sich sehr darüber freut. Anschließend wurden Reichel und Heller zum Greentech-Festival in Berlin eingeladen, wo sie sich in die Liste renommierter Aussteller und namhafter Firmen einreihen konnten.

"Wir wollten da eigentlich nie hin"

In der Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen" wollen die beiden ihre Produkte vorstellen, um Geld von Investoren zu akquirieren. Von 20.15 Uhr an läuft die Sendung, in denen sie um ein Investment von 200 000 Euro werben und im Gegenzug 15 Prozent der Unternehmensanteile bieten. "Wir wollten da eigentlich nie hin", sagt der Meringer. Sie würden sich im kleinen und überschaubaren Markt der Papierherstellung bereits sehr gut auskennen und empfanden es deshalb nie als nötig. Ein reiner Zufall brachte sie zum Privatsender. Eine Bekannte seines Sohnes arbeite für die Produktionsfirma der Sendung und wurde bei einem Treffen auf das stromleitende Papier aufmerksam, erzählt Reichel. So wurde er und sein Kollege Peter Helfer von dem Sender eingeladen. "Wieso nicht?", dachten sie. Ob die Produktvorstellung erfolgreich sein wird oder nicht, Reichel ist froh darüber, "dass wir überhaupt auftreten dürfen".

Für ihre Produkte haben Reichel und Heller viel Zeit und Energie gesteckt und sich selbst nie Gehalt ausgezahlt. Jedes gewonnene Geld wäre wieder in die Firma zurückinvestiert worden, versichert der Meringer. Auch auf weitere Mitarbeiter verzichten sie bisher. Hilfe kommt allein aus dem engsten Familien- und Freundeskreis. Einer von Reichels Söhnen und dessen Frau kümmern sich um die Pressearbeit, der andere hilft mit seiner naturwissenschaftlichen Expertise. Die Tochter kümmert sich um die Internetseite und deren Freundin ist für die Übersetzung ins Englische zuständig. Man könnte also von einem Familienunternehmen sprechen. Reichel und Helfer wirken jedenfalls nicht wie knallharte Unternehmer, die mit ihrer Idee das große Geld holen wollen. Vielmehr lassen sie ihr Produkt für sich selbst sprechen. Bisher hatte sie damit auch Erfolg.

© SZ vom 13.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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