Dachauer Grüne:Neue Begehrlichkeiten

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Die Dachauer Grünen etablieren sich als ernstzunehmende Konkurrenz für die CSU - wegen der Rekord-Umfrageergebnisse spekulieren einige sogar mit dem Posten des künftigen Landrats.

Helmut Zeller

Das Leben ist schön. So empfindet jedenfalls Roderich Zauscher, Kreisvorsitzender des Bundes Naturschutz und Grünen-Kreisrat, in diesen Tagen. Denn der Forsa-Wahltrend hat den Naturschützer im Landkreis Dachau in Hochstimmung versetzt. Laut Umfrage würden die Grünen in Bayern, wären am Sonntag Bundestagswahlen, die SPD (19 Prozent) weit überholen und 23 Prozent der Wählerstimmen bekommen. Wie bei der Bundestagswahl 2009 wären die Grünen im Landkreis wohl ganz vorne dran. Sie lagen schon damals mit 12, 5 Prozent über dem Bayern-Ergebnis der Partei. Naturschützer wie Zauscher freuen sich über den Aufstieg der Grünen, nicht nur deshalb, weil sie ihre Partner im Umweltschutz sind. "Die Grünen sind die besten Bayern, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat", sagt Zauscher.

Die Dachauer Grünen protestierten von Anfang an mit den Bürgern gegen die geplante dritte Startbahn am Münchener Flughafen - das hat ihnen Sympathien und Wählerstimmen gebracht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zum Beispiel Marese Hoffmann: Die 61-jährige Sprecherin der Kreis-Grünen bewirtschaftet mit ihrem Mann seit 1986 den Biobauernhof Moorwurmhof und arbeitet als Wissenschaftlerin in der sozial-ökologischen Forschung. Seit 13 Jahren vertritt Hoffmann als Kreisrätin grüne Politik. Vor fünf, vier Jahren noch kam lediglich eine Handvoll Besucher zu den Veranstaltungen der Grünen. Sichtbares Zeichen des allmählichen Wandels in der Wählergunst war dann die Kommunalwahl 2008, als Marese Hoffmann als Gegenkandidatin zu Landrat Hansjörg Christmann (CSU), seit 30 Jahren im Amt, über 15 Prozent errang. In manchen Gemeinden ließ sie die SPD-Bewerberin und Kreisrätin Marianne Klaffki hinter sich. Die Ursachen des Erfolgskurses liegen auf der Hand: Die Dachauer Grünen protestierten mit den Bürgern von Anfang gegen den Flughafenausbau. Der SPD-Unterbezirk hat sich in dieser Frage bis heute zu keinem einhelligem Votum durchringen können. Der CSU-Vorsitzende Christmann, so Hoffmann, habe einen "Eiertanz" aufgeführt, bis er auf die Seite der Startbahngegner gewechselt seien. Die Bürger hätten das sehr genau wahrgenommen.

Das sieht der Dachauer CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath anders: In den künftigen Anliegergemeinden Erding, Freising und Dachau hat doch die FDP als Befürworter der dritten Startbahn ihre bayernweit besten Wahlergebnisse erzielt. Die Beliebtheit der Grünen erklärt Seidenath damit, dass sie für die kompetente Umweltpartei gehalten würden, obwohl die wertkonservative CSU der Schrittmacher auch in dem Zukunftsthema Klimaschutz sei. Seidenath verweist auf die beispielhafte Energiepolitik der CSU in seiner Heimatgemeinde Haimhausen. Hinter dem Grünen-Erfolg wirke ein "Lebensgefühl", das Seidenath nicht teilen will. Man wolle zwar bewahren, sei aber zugleich gegen alles Neue.

Der Forsa-Umfrage interpretiert der populäre Freisinger Landtagsabgeordnete Christian Magerl als Zeichen von etwas völlig Neuem im Bayernland: "Da bricht was auf, was ein halbes Jahrhundert festzementiert war." Das hat Marese Hoffmann auch schon bemerkt. Zu ihren Veranstaltungen kommen inzwischen viele Nicht-Grüne - Bauern, Imker, Vertreter der Mittelschicht und der Wirtschaftsjunioren. Eher konservativ denkende Menschen, die den Grünen auch Kompetenz in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zutrauen. Unter Dachauer Landwirten, auch denen im CSU-nahen Bayerischen Bauernverband, galt etwa der kürzlich gestorbene Sepp Daxenberger gar als einzig vertrauenswürdiger Politiker. Nur laut haben sie das (noch) nicht gesagt. Als die Grünen über die Rolle des Dachauer Landrats als ehemaliges Verwaltungsratsmitglied in der Landesbank-Affäre informierten, waren alle Stuhlreihen besetzt. Die CSU, sagt Hoffmann, spüre die Bedürfnisse der Menschen nicht mehr, habe den Wandel verschlafen. "Wir lieben Bayern", sagt die Grünen-Vorsitzende - und den Wählern, auch von CSU und SPD, erscheint das glaubhaft. Hoffmann, die lieber auf Inhalte als auf Personen setzt, hat den Bundestagswahlkampf 2009 ohne Plakate geführt. Geschadet hat es nicht.

Der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete und Parteichef Martin Güll lässt sich von den Forsa-Zahlen nicht beirren. Die SPD in Bayern brauche noch Zeit, um sich komplett neu zu positionieren. Die Grünen hätten erstaunlich zugelegt, aber auch wegen des Streits über die Atompolitik der Bundesregierung. In den Gemeinden und im Landkreis seien sie aber nicht so präsent, dagegen sei die SPD wieder da. "Wir profitieren nur noch nicht davon." In drei Jahren werde man sehen, ob die Grünen in Bund und Land die SPD wirklich überholt haben. Naturschützer Zauscher denkt an die Kommunalwahl 2014: Nicht nur einen Bürgermeister, auch den Landrat könnten die Grünen stellen. "Das wäre doch so schön für Dachau."

© SZ vom 17.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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