Volksfestfeuerwerk:"Entweder wir machen's traditionell oder gar nicht"

Lesezeit: 3 min

Schon 2019 wurde über das Großfeuerkwerk beim Dachauer Volksfest gestritten. Damals konnten sich die Feuerwerk-Fans durchsetzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Für die einen ist das Feuerwerk im Rahmen des Dachauer Volksfestes eine unverzichtbare Tradition, für die anderen ist das explosive Spektakel aus der Zeit gefallen. Auch aus Rücksicht auf Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

Von Miriam Dahlinger und Anna Schwarz, Dachau

Für manche ist es der beste Teil des Volksfestes, für die anderen ist es eine Tradition, die es zu überdenken gilt. Die Dachauerinnen und Dachauer streiten sich auch in diesem Jahr wieder über das Feuerwerk, das den Nachthimmel über der Ludwig-Thoma-Wiese zur Volksfestzeit zum Funkeln bringt. Losgetreten hat die Diskussion Stadtrat Wolfgang Moll (WIR): "Ich bin der Ansicht, dass das Feuerwerk aus der Zeit gefallen ist", sagt er am Telefon.

Moll hatte bereits 2019 argumentiert, dass ein Großfeuerwerk in "Zeiten ökologischer Verantwortlichkeit" nicht mehr vertretbar sei. Damals scheiterte sein Vorstoß im Stadtrat, Moll gab sein Vorhaben aber nicht auf und reichte am Freitag erneut einen Antrag auf Absage des Volksfest-Feuerwerks ein. Darin führt er drei Hauptgründe an: den Umweltschutz, den Unfallschutz und die Berücksichtigung des Allgemeinwohls. "Ich bin der Auffassung, dass wir als Kommune mit einem positiven Beispiel vorangehen sollten", findet Moll, schließlich gebe es Alternativen, die zeitgemäßer seien als "so ein Brand- und Lärmfeuerwerk": zum Beispiel eine Lasershow.

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Moll hebt die Feinstaubbelastung und die Lärmbelästigung für Tiere hervor. Aus seiner Sicht sei die Absage eines Feuerwerks auch sinnvoll, um die Brandgefahr zu vermeiden. Nach Informationen der Polizeiinspektion Dachau kam es jedoch im Jahr 2019 zu keinen Verletzungen durch das Feuerwerk, ebenso wenig wie in den Jahren 2017 und 2018.

Feuerwerke können auf Kriegsflüchtlinge retraumatisierend wirken

Darüber hinaus gebe es in diesem Jahr noch einen weiteren Aspekt, der gegen das Feuerwerk spreche: "Heuer kommt noch dazu, dass wir immer noch das tragische Kriegstreiben vor der Haustüre haben und traumatisierte Menschen bei uns zu Gast sind, die vor den Bomben geflüchtet sind", führt Moll aus, da sei ein Feuerwerk das falsche Signal.

"Natürlich können Feuerwerke für Kriegsflüchtlinge, nicht nur aus der Ukraine, eine Retraumatisierung bedeuten", sagt auch Andreas Miller vom sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas in Dachau. "Zum Beispiel wenn das Geräusch eines Feuerwerks Kriegsflüchtlinge an einen Raketenbeschuss erinnern und sie die Töne mit schlimmen Erfahrungen wie dem Tod eines Angehörigen verknüpfen". Denn grundsätzlich gelte, so Miller, dass Umstände, die Geflüchtete während einer traumatischen Erfahrung mit den Sinnen wahrgenommen hätten - das heißt Geschmäcker, Gerüche oder Klänge - später retraumatisierend wirken könnten. Eine Empfehlung für oder gegen das Volksfest-Feuerwerk will er aber nicht aussprechen: "Das ist Abwägungssache der Politik."

"Laute Geräusche machen mir immer noch Angst."

Laut Stadt Dachau kostet das Großfeuerwerk auf dem Dachauer Volksfest rund 11 500 Euro, es wird im Hofgarten des Schlosses entzündet. Kulturamtsleiter Tobias Schneider erklärt zur Historie: "Es ist anzunehmen, dass ein Feuerwerk schon früh Bestandteil der Volksfeste war, nachweisbar ist es aber erst ab 1934." Als Stadtratsreferent für Volksfest und Brauchtum hält Robert Gasteiger (Freie Wähler) deshalb nichts davon, das Feuerwerk auf dem Volksfest durch eine Lasershow zu ersetzen, er fasst sich knapp: "Entweder wir machen's traditionell oder in Bezug auf die Ukraine gar nicht, denn auch die hellen Lichter einer Lasershow können ukrainische Flüchtlinge an Explosionen erinnern. Deshalb finde ich den Antrag nicht sehr gelungen."

Anna Huryn ist eine 21-jährige Jura-Studentin aus Kiew, sie wohnt seit rund drei Monaten in einer Dachauer Gastfamilie und erzählt: "Vor dem Krieg konnte ich mir nicht vorstellen, dass mir ein Feuerwerk einmal Angst machen könnte, aber wenn ich heute daran denke, erinnert es mich an die Geräusche von Bomben und Raketen." Mittlerweile lebe sie hier natürlich in Sicherheit, aber gleichzeitig merke sie: "Laute Geräusche machen mir immer noch Angst, zum Beispiel ein lautes Gewitter mit Donner, wenn ich ein Flugzeug oder eine Feuerwehrsirene höre." Schließlich bedeutete letzteres in der Ukraine, dass sie sich in einem Bunker in Sicherheit bringen musste.

Auch viele Tiere geraten in Panik, wenn sie die Raketen am Himmel knallen hören, sagt die Leiterin des Dachauer Tierheims, Silvia Gruber: "Für die Haus- und Wildtiere ist ein Feuerwerk ein Martyrium, denn sie hören viel, viel besser als wir." Einige verkriechen sich dann in die Ecke und zittern, flüchten panisch, und einige Vögel erschrecken derart, dass sie erst hochflattern und dann abstürzen. Auch Tage nach dem Feuerwerk sitze die Angst den Tierheimbewohnern noch in den Knochen: "Viele unserer Tiere haben dann Durchfall, fressen nicht oder wollen nicht mehr Gassi gehen." Deshalb wäre eine Lasershow während des Volksfests eine denkbare Alternative, so Gruber: "Das würde nicht so viel Krawall machen und wäre wohl auch ein tolles und leiseres Spektakel."

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