Landtagswahl:Wahlkampfthema Bildung

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Haben zur Ideenwerkstatt eingeladen: Dennis Behrendt, Daniel Liebetruth, Martin Eberl und Hubert Böck. (Foto: Toni Heigl)

Die SPD-Bezirks- und Landtagskandidaten Dennis Behrendt und Hubert Böck diskutieren im Adolf-Hölzel-Haus über Lehrermangel, schulische Inhalte und politische Verantwortlichkeiten - und das fast ganz ohne Bierzeltparolen.

Von Martin Wollenhaupt, Dachau

Dass die SPD eine Reihe von zwölf Ideenwerkstätten veranstaltet und dann auch noch zum Thema Bildung, wäre in anderen Zeiten nichts Ungewöhnliches. Doch vor dem Hintergrund eines Wahlkampfs, der gerade mit anderen Themen und zu einem großen Teil in Bierzelten ausgetragen wird, wirkt es fast schon wie ein Statement.

"Es ist in diesem Wahlkampf so wahnsinnig schwer, über Inhalte zu sprechen", sagt Daniel Liebetruth, Landtagskandidat für Fürstenfeldbruck-Ost und Mitorganisator der Veranstaltungsreihe, bei seiner Begrüßung am Dienstagabend. Das möchte er ändern. Bildung, sei "das landespolitische Megathema" und "fast das einzige Thema, für das ausschließlich die Länder zuständig sind", sagt er.

Ein gutes Dutzend Besucher sind in den Adolf-Hölzel-Saal in Dachau gekommen. Noch nicht ganz Bierzelt-füllend, aber das ist man bei dem Veranstaltungsformat bereits gewöhnt. Auch die Dachauer SPD-Kandidaten Hubert Böck (Landtag) und Dennis Behrendt (Bezirkstag) begrüßen die Runde. Lange dauert das nicht, denn man will schnell zum eigentlichen Thema übergehen.

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Vier Tische mit vier Themen sind vorbereitet, die Gruppen rotieren - ganz wie in der Schule. Eine Gruppe setzt sich an den Tisch "Fachkräftemangel". Liebetruth spricht von einem "hausgemachten Mangel" an Grundschulen. Man habe zu wenig Studienplätze geschaffen, obwohl man von dem Bedarf eigentlich gewusst habe. Ein weiteres Problem sei, dass Bildungsberufe "ein sau schlechtes Image" genössen. Das sei, wenn man sich die Gehaltstabellen anschaue, nicht gerechtfertigt. Man verdiene dort zum Teil "richtig gut".

Wie man den Fachkräftemangel an Kitas und Schulen lösen kann? "Ich glaube, dass es von Vornherein anders gedacht werden muss", schlägt der 16-jährige Luis vor, der dieses Jahr seinen Realschulabschluss gemacht hat. Er schlägt vor, dass die sozialen Berufe - ob in der Kita, Schule oder Pflege - schon in den Schulen positiver präsentiert werden: "Dass man den Schülern sagt: Das ist so viel wichtiger als Milliardär zu sein."

"Ich kann die Kinder gar nicht in dem Maße betreuen, wie es nötig wäre"

Genauso schlecht wie Milliardäre kommt bei der Gruppe das bayerische Schulsystem weg. Aufgebracht erzählt die 85-jährige Hauke Dieter von ihrer Enkelin. Diese habe auf eine kostenpflichtige Montessori-Schule gehen müssen, weil sie im Schulsystem "keine Chance" gehabt habe. Später sei sie mit einem Schnitt von 1,2 von der Uni abgegangen. Wie das sein kann? Stadträtin Brigitte Hinterscheid, ehemalige Grundschullehrerin, meint, das sei "eine Sache der Lehrer". Liebetruth stimmt zu, sieht es aber systemischer. "Letztes Jahr hatte ich 230 Schüler. Ich kann die Kinder gar nicht in dem Maße betreuen, wie es nötig wäre."

Stattdessen fordert er, wie Landtagskandidat Böck und die gesamte bayerische SPD, sogenannte "multiprofessionelle Teams" an Schulen. Die Idee: Ein zusätzliches Team unterstützt den Schulalltag, damit sich die Lehrer auf den Unterricht konzentrieren können. Sozialpädagogen haben ein Auge auf benachteiligte Kinder. IT-Fachkräfte kümmern sich, dass die Technik funktioniert. Lehrer werden entlastet.

Doch bei der Frage, was Schule inhaltlich leisten soll, gehen die Vorstellungen auseinander. Ist Mathe wichtig? Physik? Religion? Das Thema Steuererklärung, Schwangerschaftsabbruch oder Sterbehilfe? Oder doch Politik und Gesellschaftskunde? Konsens will sich da nicht so richtig einstellen. Daniel Liebetruth moderiert daher in Richtung fächerübergreifender Themen.

"Ich bin für die Gesamtschule, mindestens bis zur sechsten Klasse"

Ungerecht sei, dass das Thema Ausstattung "auf die Kommunen runtergedrückt" werde. "Da kommt es darauf an: Habe ich das Glück, dass ich in einer reichen Kommune wohne oder bin ich in einer schwierigen Kommune?" Einig wird man sich bei dem Vorschlag, durch kostenloses Mittagessen und kostenlose Kitaplätze die soziale Ungleichheit zu dämpfen.

Viele Ideen, viel Veränderungswille. Als die Veranstaltung vorbei ist und die Gespräche ausklingen, die Frage an den Dachauer Landtagskandidaten Böck: Mit welchen Forderungen tritt die SPD eigentlich selbst an? Seine Hauptthemen in der Bildung, sagt er, sind die Schulteams, der Fachkräftemangel und drittens: "Ich bin für die Gesamtschule, mindestens bis zur sechsten Klasse." Er habe es selbst bei seinen Kindern erlebt: "In der vierten Klasse war es totaler Stress zu schauen, wo das Kind hingeht."

Bezirkstagskandidat Behrendt ist eines besonders wichtig: "Imagearbeit leisten, junge Menschen begeistern für soziale Berufe, auch durch Social Media." Und wo er schon beim Thema Image ist: "Am ehemaligen MD-Gelände wollen wir ein Museumsform umsetzen", bei dem es um die Arbeiter- und Industriekultur gehen soll: "Dass sie wieder positiver gesehen wird, dafür setzen wir uns als Arbeiterpartei ein." Ein Satz, mit dem dann doch auch das Bierzelt zufrieden gewesen wäre.

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