Klassik:Musikalische Ahnenforschung

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Die Operetten-Trilogie im Pfarrsaal Sankt Jakob mit Richard Wiedl und Gesa Jörg, am Piano Anna Nam. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Im Pfarrheim Sankt Jakob gehen Sopranistin Gesa Jörg, Buffotenor Richard Wiedl und Pianistin Anna Nam den Anfängen der Operette auf den Grund. Und das auf furiose Art und Weise.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Seit einiger Zeit feiert die lange mit leichter Verachtung betrachtete Operette ein Revival mit schrägen Inszenierungen und begeistertem Publikum. Doch wo liegen die Wurzeln dieses Musikgenres, das allzu oft mit "leichter Klassik" oder noch schlimmer mit seichter Unterhaltung gleichgesetzt wird? Sopranistin Gesa Jörg, Buffotenor Richard Wiedl und Pianistin Anna Nam sind der Sache auf den Grund gegangen und haben eine Operetten-Trilogie erarbeitet, die sich den Anfängen widmet. Gemeinsam gehen sie den goldenen und den silbernen Zeiten der mitreißenden Melodien und den Geschichten um hohe Herrschaften, gemeines Volk, um erfüllte und verschmähte Liebe auf den Grund.

Am vergangenen Samstag startete die Reihe im Pfarrheim von Sankt Jakob unter dem Titel "Anfänge der Operette 1800 bis 1850" und mit einer Überraschung: Statt schnöder Stuhlreihen hatten Helferinnen und Helfer Tische aufgestellt, servierten auf Wunsch Kaffee, Kuchen, Canapés und diverse Getränke. Das hob die ohnehin gute Laune im Publikum gleich noch einmal an.

Mehr geht immer

Auf der Bühne standen: ein royal gewandeter Herr mit barocker Perücke und venezianisch angehauchter Maske, der locker-flockig auf die in der höfischen Kleiderordnung vorgeschriebenen weißen Strümpfe verzichtet hatte. Ihm zur Seite: eine maskierte Dame im verhüllenden Kapuzenmantel, unter dem sich (noch) ein himmelblauer Traum von Negligé verbarg. Oder war es doch ein sogenanntes Morgenkleid, wie es seinerzeit in der feinen Gesellschaft üblich war? Völlig nebensächlich, denn Outfits und Stimmen von Gesa Jörg und Richard Wiedl steigern sich von Szene zu Szene, wie man sehen und hören wird.

Die Auswahl der Stücke war an manchen Stellen fragwürdig. Sind doch Wolfgang Amadeus Mozarts "Die Entführung aus dem Serail", "Der Schauspieldirektor" und "Die Zauberflöte" zwischen 1782 und 1791 uraufgeführt worden. Für diese Entscheidung dürfte es mindestens zwei Gründe gegeben haben: Einmal haben sie natürlich großartige Arien. Zum anderen verlief die Entwicklung von der Oper zur Operette als eigenständige Musikgattung fließend.

Kein Lob vom Adel

Dem Adel gefiel diese Entwicklung in den großen Opernhäusern damals gar nicht. Denn in den kleinen Zwischenspielen nach Art der Commedia dell'arte spielten "die da oben" einmal nicht die Hauptrolle, wie Richard Wiedl im Plauderton erklärte. Auf der Bühne ist der Buffotenor als singender Dozent ganz in seinem Element, ordnet großzügig die ein oder andere Oper dem Operettengenre zu. Macht aber nichts, denn die genannten Mozart-Werke waren schließlich für Sopranistin Jörg und Buffotenor Wiedl eine gute Gelegenheit, ihr Publikum mit bekannten Arien und Duetten zu unterhalten.

"Buffo", der Spaßmacher, also der Buffotenor, sei "entweder besonders blöd oder besonders intelligent", erläutert Erzkomödiant Wiedl nebenbei. Und springt zwischen seinen Erklärungen von Opera buffa (komische Oper), Operette und Singspiel so gewandt im Thema hin und her, dass es ein wahres Vergnügen ist.

Zwischendurch findet er immer noch Zeit und sehr viel Lust für blitzschnelle Umkleideaktionen, für kraftvolle Soli, wahlweise komische oder berührende Duette und ein paar liebevolle Lästereien wie diese: "Jede anständige Operette braucht eine Diva, und Frau Jörg hat diese Rolle verinnerlicht." Gesa Jörg lacht und zeigt mit einem furiosen Cancan und in etlichen Spielszenen, dass auch sie Witz und Slapstick verinnerlicht hat.

Eine brandaktuelle Kritik

So wird ihre Arie der Olympia aus Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" zu einem der Höhepunkte dieses Operettennachmittags. Auch Vater und Sohn von Johann Strauß dürfen dabei nicht fehlen. Das Uhrenduett aus der "Fledermaus" und "Ja, so singt man nur in Wien" aus "Indigo und die vierzig Räuber" machen Lust auf mehr.

In "Als ich noch Prinz war in Arkadien" (Orpheus in der Unterwelt von Jacques Offenbach) lässt Wiedl eine deutliche Kritik an rechten Umtrieben einfließen. Anna Nam ist das perfekte "Ein-Frau-Orchester". Gesa Jörg darf bei der Zugabe "Schenkt man sich Rosen in Tirol" aus dem "Vogelhändler" von Karl Zeller endlich wieder kurfürstliche Diva sein. Alles in allem: ein gelungener Auftakt.

Weiter geht es am Samstag, 23. März, und am Samstag, 13. April, jeweils um 16 Uhr im Pfarrheim von St. Jakob.

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