Neue Beratungsstelle:Gemeinden gehen gegen Obdachlosigkeit vor

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Obdachlosigkeit ist auch auf dem Land ein Problem. (Foto: dpa)

Unter der Federführung von Markt Indersdorf kooperieren sechs Gemeinden mit der Caritas. Im Herbst wird eine Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit eingerichtet.

Von Petra Schafflik, Markt Indersdorf

Bezahlbare Wohnungen fehlen in der Region, wer aus seiner vertrauten Unterkunft ausziehen muss, steht deshalb allzu schnell auf der Straße. Damit es soweit möglichst gar nicht kommt, wird die Caritas in Markt Indersdorf eine Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit einrichten. Ihr Ziel ist es, dass Menschen bei Problemen mit dem Mietverhältnis ihre Wohnung nicht verlieren und der Umzug in eine Notunterkunft vermieden werden kann.

So eine Anlaufstelle bietet bisher nur die Stadt Dachau ihren Bürgerinnen und Bürgern. Die Grünen hatten gefordert, dass auch der Landkreis eine vergleichbare Einrichtung installieren solle. Aber sie waren mit einem entsprechenden Antrag im April dieses Jahres im Kreistag gescheitert.

Nun aber sind einige Landgemeinden selbst aktiv geworden. Sie finanzieren unter Federführung von Markt Indersdorf in interkommunaler Zusammenarbeit das Caritasangebot. Fest mit im Boot sind bereits die Gemeinden Haimhausen, Röhrmoos, Schwabhausen, Vierkirchen und Weichs. In Erdweg stimmen die Gemeinderäte erst noch ab. Nicht beteiligen wollen sich Hilgertshausen-Tandern und Petershausen, Altomünster ist aufgeschlossen, wartet aber vorerst noch ab. Die Beratungsstelle wird im Caritas-Zentrum Markt Indersdorf, das im Herbst im neuen Maria-Gwendtner-Haus eröffnet, eingerichtet werden. Der Indersdorfer Bürgermeister Franz Obesser (CSU) ist seinen Worten zufolge überzeugt vom Sinn des Konzepts, das Caritas-Kreisgeschäftsführerin Heidi Schaitl den Rathauschefs präsentiert hat. "Jeder einzelne Fall, in dem wir so helfen können, ist ein Gewinn", sagt Bürgermeister Obesser.

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Obdachlosigkeit ist nicht nur, wie gerne geglaubt wird, ein Problem der Großstädte. Vielmehr gibt es auch auf dem Land immer wieder Menschen, die aufgrund von Schicksalsschlägen, persönlichen Notlagen oder anderen schwierigen Lebensumständen ihre Wohnung verlieren. "Es ist nicht so, dass wir aktuell überrannt würden, aber es gibt immer wieder Fälle", betont Bürgermeister Obesser. Er will auf lange Sicht planen: Wenn schon in der aktuellen wirtschaftlichen Hochkonjunktur Bürger ihr Obdach verlieren, was passiert dann bei einer Rezession oder gar Wirtschaftskrise, fragt sich der Rathauschef. Und die Herausforderung für die Gemeinden wächst, sobald die anerkannten Flüchtlinge als Fehlbeleger die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen müssten, betont Haimhausens Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU).

Ein niedrigschwelliges Angebot

Weil es eine Beratungsstelle im Landkreis bisher nicht gibt, ist Felbermeier froh, dass sich sein Indersdorfer Kollege "da engagiert." Denn die Fachstelle, das betont der Röhrmooser Bürgermeister Dieter Kugler (CSU), kann leisten, was die Gemeinden nicht bieten können. Nämlich nicht nur Unterstützung im Notfall, sondern auch präventive Beratung und Nachsorge, also Begleitung der Betroffenen über einen längeren Zeitraum. Und weil es sich um ein niederschwelliges Angebot handelt, hofft Kugler, dass sich Betroffene früher melden. Nicht wie bisher, wo Bürger aus Scham oft erst dann im Rathaus vorstellig werden, wenn der Räumungstermin ihrer Wohnung schon fest steht. Grundsätzlich sinnvoll findet auch Altomünsters Bürgermeister Anton Kerle (CSU) die Fachstelle, doch die Gemeinde will die Unterstützung aktuell noch nicht in Anspruch nehmen. "Wir wollen noch abwarten und eventuell später beitreten."

Das Konzept der geplanten Fachstelle hat Caritas-Kreisgeschäftsführerin Heidi Schaitl entwickelt, die viel Erfahrung in der Obdachlosenhilfe hat. Im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck hat sie bereits als Gemeinschaftsprojekt von Caritas und Arbeiterwohlfahrt eine Fachstelle Wohnen aufgebaut. Ziel der geplanten Einrichtung sei, eine Unterbringung von Bürgern in Notunterkünften zu vermeiden. Deshalb sollen Mieter, die mit den Zahlungen für ihre Wohnung in Rückstand geraten, rasch und effizient Hilfe bekommen. "Wir wollen möglichst schnell eine Lösung mit den Betroffenen finden und nachhaltig dafür sorgen, dass sie ihre Wohnung behalten können oder eine alternative, passende Wohnmöglichkeit finden."

"Nicht ausgeschlossen, dass sich auch der Landkreis engagiert"

Aber es geht den Experten auch darum, die Ursache für die Problemsituation herauszuarbeiten. Bei Bedarf steht dann das professionelle Beratungsangebot der Caritas zur Verfügung, etwa Schuldner- oder Suchtberatung. Allerdings seien bei Sorgen rund um die Wohnung nicht immer nur persönliche Probleme mit im Spiel. "Mit einer Eigenbedarfskündigung kommen auch Menschen in einer guten Lebenssituation nicht unbedingt locker klar." Weil die wenigsten Vermieter noch gesprächsbereit sind, wenn ein gerichtlicher Räumungstitel vorliegt, gelte es das Frühwarnsystem zu verbessern und noch früher Kontakt zu den Betroffenen zu bekommen. Die Fachstelle wird sich auch um Menschen kümmern, die schon in einer Notunterkunft leben, deshalb oft unter Stigmatisierung leiden und es schwer haben, von dort aus wieder eine reguläre Wohnung zu bekommen.

Die Entscheidung der Bürgermeister, jetzt mit der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit zu starten, begrüßt Heidi Schaitl ausdrücklich als "vorausschauend, mit Blick auf die Zukunft." Im Spätherbst wird das Angebot mit einer halben Stelle starten, nach zwei Jahren soll eine Evaluation erfolgen. Wenn das Modell in Kooperation einer Handvoll Gemeinden gut funktioniert, könnten weitere Kommunen vielleicht dazukommen wollen, überlegt Bürgermeister Obesser. Und sein Kollege Felbermeier sagt: "Nicht ausgeschlossen, dass sich dann auch der Landkreis engagiert."

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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