Stadtentwicklung:MD-Gelände soll Sehenswürdigkeit werden

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Die Kalanderhalle auf dem ehemaligen MD-Gelände soll im neuen Stadtviertel für Einzelhandel und Gewerbe genutzt werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das neue Stadtviertel wird Dachau prägen. Damit es ein identitätsstiftender Ort wird, haben Experten nun Leitlinien für weitere Planungen verfasst.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

TV-Promi Kai Pflaume, bekannt durch die 90er-Jahre Show "Nur die Liebe zählt", spazierte vor einigen Jahren mal durch den Dachauer Schlossgarten. Anschließend veröffentlichte er Bilder dieses "so schönen" Ortes mit seiner "Megaausicht" auf Instagram. Der Fernsehstar ist keine Ausnahme. Viele Menschen posten in sozialen Medien Bilder, die sehenswerte Orte in Dachau zeigen, darunter freilich das Schloss, die Altstadt oder die Amper auf Höhe des Familienbades, wo der Fluss einem See gleicht. Auch Gäste der KZ-Gedenkstätte fotografieren das ehemalige Konzentrationslager und stellen die Bilder anschließend online, weil sie der Besuch so bewegt.

In Zukunft soll auch das MD-Gelände nach Ansicht von Stadtplanern, Architekten und anderen Experten buchstäblich zu einer Dachauer Sehenswürdigkeit werden. Auf der 18 Hektar großen Industriebrache am Fuße der Altstadt, bis 2007 Standort einer Papierfabrik, soll ein neues Stadtviertel entstehen. Es ist ein Jahrhundertprojekt: Rund 900 Wohnungen für 2000 Menschen, circa 1400 Arbeitsplätze, Einzelhandel, Kultur, ein Museum, ein Jugendkulturzentrum - all das soll sich dort einfügen in möglichst viele grüne Freiflächen. Der Plan ist, dass die Stadt in den nächsten Jahren Baurecht erteilt. Dann können die Eigentümer des Areals, die Quarterback GmbH, mit dem Bau beginnen. Stadtplanerin Sonja Rube sagt, das MD-Gelände soll ein "einzigartiger und identitätsstiftender Ort" werden. "Sodass jeder, der ein Foto davon sieht, sofort sagt: Woah, das ist Dachau."

Experten kritisieren Verkehrsplanung für MD-Gelände

Rube ist stellvertretende Vorsitzende eines achtköpfigen Expertengremiums, das die Stadträte bei der Gestaltung des MD-Geländes unterstützt. Die meisten Mitglieder sind freischaffende Architekten, Städteplaner oder Immobilienökonomen. Auch Johannes Karl, Vorsitzender der Künstlervereinigung Dachau (KVD), ist mit dabei. Das Gremium gründete sich nach einem entsprechenden Beschluss im Bau- und Planungsausschuss im vergangenen Sommer. Viermal kamen die Experten inzwischen zu intensiven Diskussionen zusammen. Aus den Treffen entstanden ist ein Werk mit mehr als 90 Seiten. Der Titel: "Leitlinien Zukunftsquartier".

Darin formulieren die Experten Empfehlungen, die den Stadträten bei künftigen Entscheidungen als Orientierung dienen sollen. "Zweck der Leitlinien für das MD-Gelände ist das Erreichen einer urbanen, zeitgemäßen und lebendigen Vielfalt im Zusammenspiel der prägenden Elemente aus Industriedenkmälern, neuer Architektur, Wasser, Grünflächen und zukunftsgerechter Mobilität an diesem besonderen Ort in Dachau." Jetzt haben Rube und die Vorsitzende des Expertengremiums, Regierungsbaumeisterin Birgit Weber, den Stadträten in einer gemeinsamen Sitzung des Umwelt- und Verkehrs- sowie des Bau- und Planungsausschusses diese Leitlinien präsentiert. Diese behandeln detailliert die einzelnen Teilquartiere des neuen Viertels, machen Vorgaben zu den Themen Verkehr, Freiräume, Klimaschutz oder Nachhaltigkeit.

"Von Stahl und Schraube zu Holz und Grün"

Rube und Weber hoben in der Ausschusssitzung hervor, dass das Quartier die ganze Stadt prägen werde. Den Experten ist es daher wichtig, dass auf dem MD-Gelände eine "unverwechselbare Identität" entsteht, wie Rube sagte. Sie verwies auf viele andere große Projekte der Stadtplanung, die austauschbar geworden seien. Auf dem Areal in Dachau dagegen solle man noch in vielen Jahren spüren, "dass es ein Ort der Transformation ist".

Die Experten machen sich stark dafür, dass das Viertel weiterhin als ehemalige Papierfabrik erkennbar bleibt. Die Transformation "vom Industriequartier zum belebten Naturraum" soll ein zentrales Leitmotiv sein, dies sollte nach Ansicht des Gremiums nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich interpretiert werden. Die Experten nennen das Konzept: "Von Stahl und Schraube zu Holz und Grün". Im Norden des Geländes, wo die denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Papierfabrik wie der markante Wasserturm stehen, ist das "Mühlenforum" unter anderem mit einem Industriemuseum geplant. Hier beginne die Transformation, historische Putzfassaden kombiniert mit "Stahl und Schraube" würden optisch dominieren.

In den mittig gelegenen Teilquartieren südlich des Turbinenhauses und am Bahnrand sollen sich dann Industrie und Landschaft vermischen. "Die Putzfassaden werden von Norden nach Süden zunehmend mit naturbelassenem Holz kombiniert und sind zunehmend begrünt. Die Freiraumgestaltung wird nach Süden immer naturnäher", so das Expertengremium. In dem ganz im Süden liegenden Teilquartier "Amper" werde die Transformation optisch vollendet; allein Holz, Landschaft, Fassadenbegrünung und Wasser sollen diesen Bereich mit seinem 50 Meter Uferstreifen entlang der Amper prägen. Von Norden nach Süden solle das Quartier immer naturnaher werden, sagte Rube.

"Eine Riesenchance, einen inklusiven Stadtteil zu schaffen"

Die Experten bewerten die meisten bisherigen Planungen positiv. Doch sie üben auch leise Kritik. Die Gremiumsvorsitzende Weber hob das Thema Inklusion und Barrierefreiheit hervor. Die Stadt habe "eine Riesenchance, einen inklusiven Stadtteil zu schaffen", sagte sie. Doch da sehe man aus fachlicher Sicht in den aktuellen Plänen noch Luft nach oben. Den Vorgaben der Bayerischen Bauordnung nach würden nur rund 45 Prozent der geförderten Wohnungen barrierefrei sein. Für ein zukunftsfähiges Quartier sollte aber ein Anteil von mindestens 75 Prozent angestrebt werden.

Auch beim Thema Verkehr und Mobilität kritisieren die Experten den Stadtrat. In den Leitlinien schreiben sie, dass die Stadt aufgrund der zentralen und gut angebundenen Lage des MD-Geländes den Stellplatzschlüssel eigentlich drücken könnte, und zwar auf 0,5 Parkplätze pro Wohneinheit. Gleichwohl haben sich die Stadträte erst kürzlich nach intensiver Diskussion auf eine neue Mobilitätssatzung geeinigt, wonach ein Bauherr die Zahl der Stellplätze nur um maximal 35 Prozent reduzieren darf.

"Die Leitlinien halten uns den Spiegel vor."

Wie es in einer abschließenden Stellungnahme der Experten heißt, würden steigende Zahlen beim motorisierten Individualverkehr die aktuellen Planungen zu sehr dominieren. Die Fachleute nennen als Beispiel die Tiefgaragen, die der Bebauungsplanentwurf vorsieht. "Zeitgemäß wäre hingegen die Planung von Quartiersgaragen." Auch die neuen, das Viertel umgebenden Kfz-Straßen sehe man als Ergebnis der Verkehrsplanung und Entscheidung des Stadtrates kritisch.

Alle Fraktionen äußerten sich positiv zu den Empfehlungen der Experten. "Die Leitlinien halten uns den Spiegel vor und sollten eine Grundlage sein für künftige Stadtratsbeschlüsse", sagte Michael Eisenmann (Bündnis). Einzig die CSU lehnte die Leitlinien ab. Es handle sich um ein "hervorragendes Papier", sagte Peter Strauch. "Aber es als Grundlage für weitere Planungen zu nehmen, geht uns zu weit."

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