NS-Gedenken:"Ein Vierteljahrhundert historische Verantwortung"

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Der erste pädagogische Leiter des heutigen Max Mannheimer Haus, Bernd Schossig, erinnert sich an die Anfänge der Einrichtung. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit 25 Jahren prägt das Max-Mannheimer-Haus die Erinnerungsarbeit in Dachau. Bei den Feierlichkeiten in der Bildungseinrichtung geht es darum, wie Jugendliche für die Vergangenheit interessiert werden können. Der Nahost-Konflikt überschattet den Abend.

Von David Schmidhuber, Dachau

Es ist ein eindrücklicher Satz, mit dem Charlotte Knobloch die Verbindung zwischen den aktuell in Gaza kämpfenden Israelis und den Jüdinnen und Juden im Ersten Weltkrieg zieht: "Sie wussten nicht, ob sie wieder zurückkommen." Nicht nur in der Rede der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern war damit der aktuelle Krieg in Nahost das beherrschende Thema der Feierstunde im Max-Mannheimer-Haus . im Raum waren Geschichte wie Gegenwart präsent.

Gäste aus Politik, Bildungsarbeit und Interessierte und Unterstützende aus der Gesellschaft hatten sich am Sonntagabend im Max-Mannheimer-Haus eingefunden, um das Jubiläum der Bildungseinrichtung zu feiern, die seit 25 Jahren bei zahlreichen Seminaren und Projekten den Nationalsozialismus und die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau in den Blick nimmt.

Angebote der Erinnerungskultur als wichtiger Kompass

Nachdem das Jazzensemble Elias Prinz Trio die Anwesenden musikalisch mit akustischen Klängen eingestimmt hatte, führte Felizitas Raith in den Abend ein und begrüßte die Gäste, zu denen zur Freude der Studienzentrumsleiterin auch die Tochter von Max Mannheimer gezählt werden konnte.

Die bayerische Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf (CSU), betonte, wie wichtig es sei, diesen Ort der Erinnerungsarbeit geschaffen zu haben, der gleichzeitig "ein Vierteljahrhundert historische Verantwortung" bedeute. Ebenso würdigte Scharf den Namensgeber der Einrichtung, Max Mannheimer, und dessen Engagement, "den Dialog zwischen den Generationen herzustellen".

Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf mit Charlotte Knobloch. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Die pädagogoische Leiterin der Einrichtung Felizitas Raith. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Sie wolle dringend appellieren, sich für Demokratie und Erinnerung einzusetzen. In diesem Zusammenhang sprach Scharf sich für die von der CSU erst am Sonntag vorgeschlagene Grundgesetzänderung aus, wonach Straftäter mit zwei Staatsangehörigkeiten in bestimmten Fällen der deutsche Pass entzogen werden soll. Dabei gehe es um schwere antisemitische Straftaten und Gewalt, die "das wesentliche Interesse unseres Gemeinwohls" beeinträchtigen. Sie schloss ihre Rede damit, dass die "Angebote der Erinnerungskultur ein wichtiger Kompass sind, der uns auf dem richtigen Weg hält" und sicherte dem Studienzentrum auch in Zukunft volle Unterstützung zu.

Charlotte Knobloch sprach über die Freunschaft, die sie und Max Mannheimer zeitlebens verbunden habe. Sie hatten gemeinsam für den Bau des Hauses gekämpft. "Es hat ihn sehr gefreut, dass es ein Haus gibt, das der Erinnerungsarbeit eine Zukunft gibt", so Knobloch.

Paradigmenwechsel in Dachau

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) erwähnte die schwierigen Anfänge des Max Mannheimer Hauses, da viele politische Akteure bis in die 90er-Jahre hinein gegen den Bau Einrichtung gewesen seien. "Der erinnerungspolitische Paradigmenwechsel ist nur durch das Haus möglich gewesen." Landrat Stefan Löwl (CSU) wiederum stellte den Jugendaustausch als wichtiges Element der Völkerverständigung heraus. Außerdem müsse dem Ausspruch "Nie wieder" eine Stimme gegeben und die Demokratie verteidigt werden.

Schließlich blickte Bernhard Schoßig, der der erste pädagogische Leiter des Studienzentrums war, auf die letzten 25 Jahre zurück: Schon Anfang der 80er-Jahre war die Idee gereift, die Bildungseinrichtung ins Leben zu rufen. Doch es sollte noch eineinhalb Jahrzehnte dauern, bis das Haus stand.

Max Mannheimer als Namensgeber

Er sprach auch über die Anliegen, die er hatte, nachdem er 2004 seinen Posten abgab. Für ihn sei unter anderem die Namensänderung der Bildungseinrichtung ein wichtiger Aspekt gewesen. 2016 wurde die Bildungsstätte von Jugendgästehaus in Max-Mannheimer-Haus umbenannt.

Studienzentrumleiterin Raith ging im Anschluss auf die aktuell herausfordernde Situation der Jugendlichen ein und erwähnte die Jugendwahl in Bayern vor wenigen Wochen, bei der 15 Prozent der Jugendlichen die AfD gewählt hatten. "Die Spaltung der Gesellschaft wird größer", warnte Raith. Gleichzeitig erklärte sie, dass die Bildungseinrichtung immer mehr Anfragen bekommen würde, doch aktuell sprenge die Nachfrage die Kapazitäten. Ludwig Gasteiger, Vorsitzender der Stiftungsarbeit, erklärte sodann auch sein größtes Anliegen: Alle Schulklassen sollten in Zukunft die Möglichkeit erhalten ins Max-Mannheimer-Haus zu kommen.

Da die Jugend, die so zentral ist für die Bildungsstätte, in der Feierstunde wenig vertreten war, wurde im Folgenden ein Kurzvideo über einen Videoworkshop vom vergangenen Freitag gezeigt, der sich mit der Biografie von Max Mannheimer beschäftigte. Die Jugendlichen erarbeiteten darin auch Mannheimers Wirken als Künstler. Eine Jugendliche zeigte sich beeindruckt, "dass Mannheimer die Kunst verwendete, um Dinge zu zeigen, die er nicht Worte fassen konnte".

Am anschließenden Podiumsgespräch nahmen Sozialministerin Ulrike Scharf, Ludwig Spänle (CSU), der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung gegen Antisemitismus, und Elke Gryglewski, Direktorin der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, teil. Gryglewski sprach dabei das Dilemma an, dass es eine "ständige Diskrepanz zwischen Ansprüchen und dem, was möglich ist" gebe. Spänle erinnerte, dass das immer wieder geforderte "Nie wieder" auch eine Erkenntnis mitbringen müsse und die richtigen Schlüsse gezogen werden müssten.

Medienkompetenz wird immer wichtiger

Ein wichtiges Thema der Podiumsdiskussion war außerdem die Bildung der Jugendlichen im Bereich der Erinnerungskultur, insbesondere welche Möglichkeiten aktuell und in Zukunft bestehen, sowohl im außerschulischen als auch schulischen Kontext. Der gezeigte Film des Videoworkshops habe erklärte Scharf einen guten Eindruck gegeben, sagte sie. "Das wollen wir fördern."

Auch Gryglewski unterstrich, dass "Medien einen guten ersten Kontakt zu Jugendlichen mit der Erinnerungsarbeit herstellen können". Gleichzeitig mahnte sie, dass ein kritischer Umgang notwendig sei und deshalb eine digitale Medienkompetenz immer wichtiger werden würde. Die anschließenden Fragen aus dem Publikum drehten sich ebenfalls unter anderem um den Ausbau der historisch-politischen Bildung und darum, wie eine Verbindung zu jungen Menschen entstehen könne. Das fange zum Beispiel damit an, erklärte Gryglewski, dass bei dem Besuch einer Gedenkstätte die Wünsche und Interessen der Schülerinnen und Schüler im Vorfeld auf Augenhöhe diskutiert werden müssten. "Es ist wichtig, dass Jugendliche auch spüren, was Demokratie ist."

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