Seit ein paar Tagen ist sie online, die Homepage von Lukas Strasser: Unter landratsamtdachauerhalten.de findet man sie - und der Name ist Programm. Dem gebürtigen Dachauer, der aktuell in Berlin Architektur im Master studiert, geht es darum, das rund 40 Jahre alte Gebäude am Bürgermeister-Zauner-Ring 11 zu erhalten und nicht, wie aktuelle Pläne es vorsehen, abzureißen und einen Neubau an diese Stelle zu setzen. Und auch wenn der 28-Jährige sehr wohl weiß, dass er kaum eine Chance hat, die seit Jahren bestehenden Beschlüsse noch rückgängig zu machen, so war es ihm vor allem angesichts der aktuellen Weltlage doch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass ein solcher Neubau nicht nur "extrem unzeitgemäß, sondern rückschrittlich" sei.
In dem an Landrat Stefan Löwl (CSU) und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) adressierten offenen Brief, den man auf der Homepage nachlesen kann, bezieht sich Strasser in seiner Argumentation unter anderem auf das sogenannte Abrissmoratorium. Dieses Schreiben wurde mittlerweile von mehr als 500 Menschen unterzeichnet und ging im September an die Adresse von Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
Zentral in dem offenen Brief an die SPD-Politikerin ist aus Sicht von Strasser die Beweislastumkehr: "Nicht der Erhalt von Gebäudestrukturen sollte erklärungswürdig sein. Es ist ihr Rückbau, der in Zeiten schwindender Ressourcen erklärungsbedürftig wird." Nicht nur werde eine "riesige Masse an bereits bei der Erstellung aufgebrachter Energie einfach zunichte gemacht", es fielen auch noch "enorme Mengen Sondermüll" an, die nicht recycelt werden könnten. Zudem kritisiert Strasser in seinem Schreiben die "immer weiter steigenden Baukosten, welche hier von den Dachauerinnen und Dachauern getragen werden müssen".
"Gehen Sie mit der Zeit, denken Sie an die Zukunft"
Strasser zieht aus alledem eine klare Schlussfolgerung: "In Anbetracht des spürbar gewordenen Klimawandels, der Energiekrise und den damit verbundenen steigenden Kosten, ist es schwer nachzuvollziehen, ein 43 Jahre junges Gebäude abzureißen." Vor allem dann nicht, wenn man sich, wie das Landratsamt, Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf die Fahne schreibe. Der Appell des 28-Jährigen an Löwl und Hartmann lautet daher: "Gehen Sie mit der Zeit, denken Sie an die Zukunft und passen Sie Ihre Planungen an." Noch sei es nicht zu spät, die Entscheidung zu überdenken.
Fragt man bei Landrat Stefan Löwl und Oberbürgermeister Florian Hartmann nach, dann sind den beiden die von Strasser vorgebrachten Kritikpunkte zwar grundsätzlich schon bekannt, von der Existenz der Homepage wussten aber anscheinend weder Löwl noch Hartmann bisher etwas. Es handelt sich demnach also um einen offenen Brief, der seine Adressaten gar nicht erreicht hat - zumindest nicht auf direktem Wege. Beide erklären, wenn man Kritik vorbringe, müsse man schon dafür sorgen, dass sie auch diejenigen erreiche, an die sie gerichtet sei.
OB Hartmann sieht sich nicht als richtiger Adressat
Zur inhaltlichen Kritik erklärt Hartmann, dass der Verfasser damit bei ihm ohnehin nicht an der richtigen Adresse sei: Als Stadt beschäftige man sich zwar aktuell mit dem Bauleitplanverfahren, ein Bauplan befinde sich also in Aufstellung, später werde auch der Bebauungsplan durch die Dachauer Gremien gehen. Aber dabei gehe es weniger um die Beschaffenheit des neuen Landratsamts, also aus welchen Material es besteht, sondern streng genommen "rein um die Form". Auch die Frage Neubau oder Erhalt des jetzigen Gebäudes sei nicht Sache der Stadt, sondern die des Bauträgers, sprich des Landratsamts.
Also Anruf beim Chef des Landratsamts: "Ich nehme die Kritik zu Kenntnis", sagt Landrat Löwl am Telefon. Allerdings sei damals, als man sich auf Kreisebene für den Neubau entschieden habe, lange über das Für und Wider diskutiert worden, auch im Zusammenhang mit dem Thema graue Energie. Darunter versteht man jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes - oder, wie in diesem Fall eines komplett neuen Landratsamts - aufgewendet werden muss. Schließlich sei man aber zu dem Ergebnis gekommen, dass der Altbau den Bedürfnissen der heutigen Zeit schlicht nicht mehr gerecht werde. Weder was die Brandschutz- und Datenschutzvorgaben anbelange, noch reiche der vorhandene Platz aus. Das Gebäude lasse sich schlicht nicht "energetisch sinnvoll sanieren".
Spricht man noch einmal mit Strasser, dann zeigt dieser Verständnis für die vorgebrachten Einwände: Sie seien "durchaus nachvollziehbar". Nur ist der Architekturstudent auch überzeugt: Bestünde der Wille, das Gebäude zu erhalten, dann könnte man sicherlich Lösungen finden für Probleme wie den Brand- oder Datenschutz. Lösungen, die er selbst, auch das gibt Strasser zu, im Übrigen nicht parat hat - aber er ist ja auch noch Student.
An Ideen mangelt es ihm aber nicht. Was wäre zum Beispiel damit, den Altbau umzunutzen und das Landratsamt woanders hinzubauen? Tatsächlich gab es in der Vergangenheit Überlegungen, ein neues Landratsamt in S-Bahnnähe zu errichten, etwa auf dem MD-Gelände. Daraus wurde aber bekanntlich nichts.
Strasser will, dass öffentlich über das geplante Landratsamt diskutiert wird
Ein Träumer oder gar naiv ist Strasser keineswegs. Er wisse sehr wohl, dass der Neubau "längst beschlossene Sache ist". Trotzdem sei es ihm wichtig, den Bau eines solch zentralen Gebäudes weiter öffentlich zu diskutieren. Denn anders als die geringe Beteiligung bei der letzten Info-Veranstaltung im Landratsamt im Juli vielleicht glauben gemacht habe, sei das Interesse der Dachauerinnen und Dachauer am Planungsstand des neuen Landratsamts groß, da ist sich Strasser sicher. Und wenn nicht, dann gelte es umso mehr, sie für das, was da bei der Planung gerade falsch laufe, zu sensibilisieren. Immerhin, auch davon ist Strasser überzeugt, gehe all das "auf Kosten des Klimas, der Natur und des Steuerzahlers".
Bleibt die Frage: Warum beschäftigt er sich eigentlich so intensiv mit dem Dachauer Landratsamt, wo er doch mittlerweile längst in Berlin lebt? "Dachau ist meine Heimat", sagt Strasser schlicht. Und nein, in unmittelbarer Nähe des Bürgermeister-Zauner-Rings 11 lebe er nicht, er sei also kein Anwohner, der sich um Baulärm oder überflutete Keller sorge und deshalb Kritik übe. Im Übrigen ist der 28-Jährige auch nicht allein mit seiner Meinung: einen weiteren offenen Brief auf seiner Homepage haben neben Lukas Strasser auch sein Bruder Andreas und Tobias Heckmair, ein guter Freund, unterschrieben. Eine ganze Liste weiterer Unterstützender habe er ebenfalls schon in der Hinterhand, versichert Strasser. Veröffentlicht habe er ihre Namen aber bewusst noch nicht.
Auf die Frage, warum er so vorgeht, sagt Strasser, er habe erst mal schauen wollen, wie sich die Sache entwickle. Auch gegen eine Petition habe er sich aus diesem Grund zum jetzigen Zeitpunkt entschieden. Er suche einen "kommunikativen Weg", um über das Thema zu sprechen, keinen "aggressiven". Weil er nicht gewusst habe, wie er sich selbst an die Kommunalpolitiker und die breite Öffentlichkeit hätte wenden können, habe er sich für den Weg über die Presse entschieden. Nun wolle er sehen, ob ein Dialog zustande komme. Für Fragen und Anregungen stehe er jedenfalls immer zur Verfügung.
Ob es selbst dafür nicht schon zu spät ist, ist fraglich: Schon Ende dieses, Anfang des kommenden Jahres könnte der Stadtrat die Baugenehmigung erteilen.