Wintersport:Dachauer wollen Kunsteisbahn retten

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An der Nachfrage aus der Bevölkerung mangelt es nicht: In den Winterferien bilden sich regelmäßig lange Schlangen vor der Dachauer Kunsteisbahn. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mit einer Petition fordern Tausende den Erhalt des Schlittschuhsports in der Großen Kreisstadt. Dass die beliebte Bahn für den Neubau einer Turnhalle abgerissen werden soll, steht aber schon fest. Der Oberbürgermeister bedauert das Dilemma.

Von Jessica Schober, Dachau

Es knirscht unter den Kufen: Die Dachauer wollen ihre Kunsteisbahn behalten. Das zumindest fordert eine Online-Petition, die inzwischen rund 2700 Menschen unterschrieben haben (Stand Dienstag). Sie alle pochen auf den Erhalt der städtischen Schlittschuhfläche, die dem Neubau der Georg-Scherer-Halle weichen soll. Dass die beliebte Sportstätte aufgegeben werden soll, liegt auch am Geld- und Platzmangel der Stadt. Nun regen sich in der Politik erneut Zweifel an den Plänen.

Wer in den Winterferien Schlittschuhlaufen wollte, der sah an vielen Tagen eine lange Schlange Wartender, die vor dem Freiluft-Stadion in der Gröbenrieder Straße ausharrten. Mit großen eckigen Schlittschuhtaschen behangen standen Familien und Sportbegeisterte zu Dutzenden vor dem Einlass, um auf die begehrte Eisfläche zu gelangen. Dort ein paar Runden drehen und übers Eis gleiten, schien wohl vielen eine geeignete Bewegungsmöglichkeit nach den Feiertagen. Die Nachfrage ist groß: 35 000 Besucher kommen jährlich auf die Kunsteisbahn. Manche drehten dieser Tage beim Anblick der Wartenden gleich wieder um, Kinder mit Tränen im Gesicht in Schlepptau. Nun unterstützen zahlreiche Dachauer eine Online-Petition, um auch im Internet ihrem Wunsch Ausdruck zu verleihen, die Wintersportfläche zu erhalten. Dabei ist der Abriss längst beschlossene Sache.

Die Kunsteisbahn in Dachau ist beliebt. Aber ihre Tage sind gezählt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Sandra Gissmann hat die Petition initiiert. Die 36-jährige Dachauerin lernte schon als Fünfjährige auf der Bahn Schlittschuhfahren und wurde später Leistungssportlerin. Nun fordert sie den Stadtrat auf, weiterhin eine städtische Kunsteisbahn in Dachau zu betreiben. "Zu einer einwohnerstarken und sportbegeisterten Stadt wie Dachau gehört eine beliebte, gut frequentierte und nicht wegzudenkende Kunsteisbahn dazu." Die Idee für die Petition kam Gissmann, als sie mit ihrer Tochter in der Warteschlange stand und sich vorstellte, dass dies womöglich die letzte oder vorletzte Saison auf dem Eis sein könnte.

Viele Jahre war Gissmann als Eiskunstläuferin unterwegs, fuhr bei internationalen Wettbewerben mit und trainiert bis heute einmal wöchentlich in der Münchner Olympiahalle Synchronlaufen im Amateurteam. "Ich finde es schade, dass diese Sportart komplett aus Dachau verschwinden soll", sagt sie. Als Grundschullehrerin habe sie durchaus Verständnis, dass die Georg-Scherer-Halle für den Schulsport neu gebaut werden müsse - sie hofft jedoch auf eine Zukunft für die Eisfläche in den Plänen der Architekten, die bislang einen Abriss der Schlittschuhbahn vorsehen.

In den Kommentaren zu Gissmanns Petition haben Tausende Menschen, von denen viele angeben, aus dem Landkreis Dachau zu kommen, ihrem Unmut Ausdruck verliehen. "Von der Eisfläche profitieren alle und sie ist Teil der Lebensqualität in Dachau", schreibt ein Röhrmooser Nutzer. Ein Dachauer erinnert sich, wie er auf der Eisbahn seinen ersten Kuss erlebte. Eine andere Nutzerin aus Dachau schreibt: "Diese Eisbahn ist ein unersetzbarer Schatz für Dachau und Umgebung, auch für die kommenden Generationen, den lassen wir uns nicht einfach wegnehmen." Auch dass dem Eishockeyverein der Woodpeckers das Aus droht, beschäftigt viele.

Auf der Fläche, auf der momentan Schlittschuh gelaufen wird, soll die neue Georg-Scherer-Halle entstehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt: "Mich bewegt das genauso." Als Kind sei er auf der Eisbahn Schlittschuh gefahren, erzählt er. "Mir ist bewusst, dass viele Dachauer das Angebot gerne nutzen." Gescheitert seien die Pläne für die Eisbahn schließlich am fehlenden Geld. Die sinkenden Gewerbesteuereinnahmen seit der Corona-Pandemie und die steigenden Kosten seit der Ukrainekrise sowie die Inflation hätten den Stadthaushalt so ausgedünnt, dass kein Geld für eine neue Eisbahn übrig bleibe.

Aus Hartmanns Sicht sei der "Todesstoß" für die Kunsteisbahn die Stadtratsentscheidung von 2018 gewesen, als ein Konzept des Eissportvereins für ein neues Eisstadion abgelehnt wurde. "Auch ich habe das sehr bedauert, aber die Mehrheit hat so entschieden." Damals war der Plan, in der Wallbergstraße ein neues Stadion zu bauen, sogar einen Namen hatte es schon. Bis 2022 hieß es noch, dass eine neue Eishalle gebaut werden sollte. Für die Eisfläche sei jedoch im aktuellen Haushalt kein Geld eingestellt, so Hartmann.

Der Betrieb der Eisfläche generiert ein jährliches Defizit von rund 300 000 Euro. Selbst wenn die Eintrittspreise auf zwölf Euro aufgestockt würden, zahlte die Stadt noch drauf. Seit dem 1. Januar kostet eine Eintrittskarte für Erwachsene 5,50 Euro und damit 1,50 Euro mehr als im Vorjahr.

Ein Neubau hätte mehr als zehn Millionen Euro gekostet

Doch die laufenden Kosten seien nicht der Grund für den Abriss. Letztlich werde der Platz schlicht für den Hallen-Neubau gebraucht. Ursprünglich verfolgte die Stadt den Plan, erst eine neue Eishalle zu bauen und sich dann um den Neubau der Georg-Scherer-Halle zu kümmern. Von dem Plan haben sich die Stadträte aber aus finanziellen Gründen wieder abgewandt. Die Mehrzweckhalle, in der auch Schulsport stattfindet, hat Priorität.

Der Unterhalt einer Eisfläche ist eine freiwillige Leistung der Stadt, anders als die Bereitstellung von Turnhallen für den Schulsport ist es keine kommunale Pflichtaufgabe. "Wenn man Geld sparen muss, dann setzt man den Rotstift eben bei den freiwilligen Leistungen an", so Hartmann. Der Neubau einer Eisbahn hätte mindestens zehn Millionen Euro gekostet. Jene Stimmen, die nun einen Erhalt der Eisbahn forderten, hätten den städtischen Haushalt des vergangenen Jahres jedoch in Gänze abgelehnt, so Hartmann. "Ich brauche keine Lippenbekenntnisse für eine Kunsteisbahn, wenn ich kein Geld dafür bereitstellen kann."

Er meint damit wohl auch den jüngsten Vorschlag von Markus Erhorn (Freie Wähler Dachau) und Wolfgang Moll (Wir), die zusammen eine Fraktionsgemeinschaft bilden und ein Bekenntnis des Stadtrates zur Kunsteisbahn fordern. In einem Stadtratsantrag beharren sie darauf, dass mit dem Sporthallenneubau erst begonnen werden soll, wenn für das vorhandene Eisstadion ein adäquater Ersatz gefunden ist. Es gehe ihnen dabei auch um eine Gleichbehandlung der Dachauer Sportvereine. Die beiden Stadträte betonen in dem Antrag, dass dadurch nicht der Neubau der Georg Scherer Halle verzögert werden soll. "Wir dürfen uns Alternativstandorten daher nicht verschließen", so Moll. Dazu stellt Erhorn fest: "Eine funktionierende Eislaufbahn abzureißen, macht keinerlei Sinn."

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