Dachau:"Jetzt wird das ganze Thema wieder verheizt"

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Michael Schrodi warnt davor, das Thema Migration auf "dem Rücken der Geflüchteten" zu instrumentalisieren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nach dem Treffen des "Runden Tisches Asyl" wirft der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi dem Landratsamt vor, geflüchtete Menschen politisch zu instrumentalisieren. Landrat und Kommunalpolitiker weisen das zurück.

Von Carlotta Böttcher, Dachau

Eine Pressemitteilung des Landratsamts Dachau sorgt weiter für Irritationen: Nach dem Treffen des "Runden Tisches Asyl" in der vergangenen Woche teilte die Behörde in einem Schreiben mit, die Belastungsgrenze bei der Dachauer Flüchtlingsaufnahme sei erreicht. Weiter heißt es in der Mitteilung, die vorhandenen Unterkünfte seien nahezu vollständig belegt und "mehrere Teilnehmende bestätigten, dass die aktuellen Asylzuweisungen und eine Integration unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht zu vereinbaren sind".

Sprecher der Helferkreise, die ebenfalls an dem Treffen teilnahmen, widersprechen der Mitteilung des Landratsamts. Der Vorsitzende Joachim Jacob sagt: "Das ist nicht unser Text, wir als Helferkreise stehen da in einem Zusammenhang, in dem wir gar nicht stehen wollen." Nachträglich korrigierte das Landratsamt eine Passage, in der Jacobs Meinung falsch wiedergegeben wurde. Vor allem der Tenor, es dürften nicht mehr so viele Menschen aufgenommen werden, sei bei den Helferkreisen negativ aufgestoßen, so Jacob. In den kommenden Tagen wollen die Ehrenamtlichen in einem eigenen Schreiben Stellung beziehen und konkrete Forderungen formulieren.

"Es war nie Thema, dass wir niemanden mehr aufnehmen können."

Unterdessen äußert sich der Dachauer Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi (SPD) zum Vorgehen des Landratsamtes. Er warnt davor, das Thema Migration auf "dem Rücken der Geflüchteten" zu instrumentalisieren oder sich selbst damit politisch zu profilieren. Er fordert Empathie für die Geflüchteten und "nüchterne Klarheit", um gute Lösungen zu erarbeiten.

Landrat Stefan Löwl (CSU) weist Schrodis Vorwürfe zurück und stellt klar: "Es war nie Thema, dass wir niemanden mehr aufnehmen können und wollen, sondern dass wir das Gespräch suchen. Wenn wir weiterhelfen wollen, müssen wir andere Lösungen finden." Das Landratsamt habe immer gesagt: "Wir werden die Leute unterbringen." Es gehe aber nicht nur um die Unterbringung, sondern vor allem darum, wie die Menschen integriert werden können. "Da brennt es", so Löwl, und da brauche der Landkreis Hilfe.

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Bürgermeister, Landrat und Asyl-Experten sehen den Landkreis an der Belastungsgrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten. Die Helferkreise wehren sich gegen Forderungen eines Aufnahmestopps und werben für kreative Lösungen.

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Auch Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD) zeigt sich irritiert über die Aussagen seines Parteikollegen Schrodi. Auf Dirlenbachs Bitte hin lud Löwl zum runden Tisch Asyl. "Wir wollten alle Player vor Ort bekommen und einfach mal diskutieren, wo wir stehen und was wir leisten können", so Dirlenbach. Niemand sollte instrumentalisiert werden, es sei "völlig fehl am Platz, hier irgendwelche Wahlkämpfe oder sonstige Scharmützel auszutragen".

Er habe den Austausch im Landratsamt als sehr gut und konstruktiv wahrgenommen. "Und jetzt wird das ganze Thema wieder verheizt, das ist wirklich schade." Den Kommunalpolitikern gehe es ausschließlich darum, auf die Missstände aufmerksam zu machen und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten, sodass "der innere Frieden in der Gemeinde bewahrt werden kann", so Dirlenbach. Man wolle nicht das Signal aussenden, es sei alles in Ordnung in den Gemeinden; in München, Berlin und Brüssel müsse Gehör gefunden werden.

Stefan Löwl will Landtags- und Bundestagsabgeordnete einladen

Auch für Landrat Löwl ist es Konsens, weiterzuhelfen, "aber nicht mit diesen Rahmenbedingungen, unter diesen Standards und Vorgaben, da brauchen wir Hilfe". Auch die Helferkreise stimmen zu, dass es erheblichen Druck auf die Kommunen gebe und es an allen Stellen fehle. "Der Vorwurf an Berlin gilt genauso an Bayern, die Regierungsbezirke und Kommunen. Es ist auf allen Ebenen wirklich viel Zeit verschenkt worden", so Jacob.

In einem nächsten Schritt will Löwl diese Woche die Landtags- und Bundestagsabgeordneten zu einem Gespräch einladen. Zur Vorbereitung werden die Helferkreise, die Kommunen und das Landratsamt nun individuelle Forderungen formulieren, welche jedoch vorerst nicht in der Öffentlichkeit besprochen werden sollen.

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