Dachau:Ende einer Ehe

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Ein Mann verletzte seine eigene Ehefrau. Noch heute trägt sie die Narben am Körper. Weil der Täter geständig war, kommt er fast nur mit einer Bewährungsstrafe davon.

Viktoria Großmann

Mit einem japanischen Küchenmesser hat er seine Ehefrau verletzt, sodass sie davon Narben zurückbehalten hat. Geschlagen, getreten, mit beiden Händen gewürgt und an den Haaren gezogen hat er sie außerdem, so steht es in der Anklage. Derartiges ist nicht Privatsache der Eheleute, es sind Straftaten. Ihre Verfolgung liegt im öffentlichen Interesse. Deshalb wurden sie nun vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt, obwohl die Ehefrau nie Anzeige erstattet hatte.

Häusliche Gewalt: Frauen sind dieser häufig schutzlos ausgeliefert (nachgestellte Szene). (Foto: DPA/DPAWEB)

Mehr als zwei Jahre lang verletzte, bedrohte, beleidigte der Ehemann seine Frau immer wieder, schließlich flüchtete sie erst zu Freunden, anschließend in ein Frauenhaus. Die Freunde der Frau zeigten den Mann an. Er hatte ihnen gedroht, ihr Haus abzubrennen und sie "aufzuschlitzen". Mindestens ein Jahr Gefängnis steht auf alles zusammen genommen. Schmal und klein sieht der Angeklagte aus, als er neben seinem Pflichtverteidiger im Gerichtssaal sitzt. Mehrmals muss er nachfragen, wenn die Richterin sich an ihn wendet. Dann gibt er leise, kurze Antworten in gebrochenem Deutsch.

1999 kam der heute 38-jährige aus Tunesien nach Bayern. Seitdem, so stellt die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift fest, habe er sich andauernd "quer durch das Strafgesetzbuch" schuldig gemacht: Fahren ohne Fahrerlaubnis, Diebstahl, Bedrohung, Betrug. Nachdem sich der gelernte Gas- und Wasserinstallateur zunächst illegal in Deutschland aufhielt, ist er mittlerweile im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Immer wieder war er zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Erneut beantragt die Staatsanwältin, die geforderte Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Die sehnsüchtigen Blicke, die der Angeklagte seiner Frau zuwirft, sind es jedoch nicht, die das Gericht überzeugen. Sein Geständnis ist es. Allen Vorwürfen, die die Staatsanwaltschaft gegen ihn erhebt, gibt er recht. Seine Ehefrau, die unterdessen die Scheidung eingereicht hat, muss deshalb nicht vor Gericht aussagen. Dabei sieht er den Ablauf der Ereignisse eigentlich etwas anders, die Richterin weiß das.

Zu Beginn des Jahres 2008, so steht es in der Anklage, habe der Ehemann seine Frau das erste Mal bedroht und verletzt. Das war kurz nachdem die Jugendfürsorge dem Ehepaar seine drei Kinder entzogen hatte. Die leben seitdem in einem Heim. Der Vater, sagt sein Verteidiger, kümmert sich um sie, so gut er kann. Sehen darf er sie vier Stunden im Monat, Unterhalt zahlt er nicht. Seit drei Monaten arbeitet er wegen einer psychischen Erkrankung nicht mehr und bezieht Grundsicherung; gemeinsam mit seiner Ehefrau hat er 83 000 Euro Schulden.

Ein Jahr und zehn Monate lautet schließlich das Urteil. Über fünf Jahre soll sich der Angeklagte bewähren. Seine Frau darf er während dieser Zeit weder sehen noch sie anrufen oder ihr schreiben. Einer Frauenberatungsstelle muss der Angeklagte außerdem 800 Euro zahlen. Die Ehefrau, die begleitet von Freunden und der Zeugenbetreuerin den Gerichtssaal betreten hat, sieht an ihm vorbei. Die Richterin erteilt ihm das letzte Wort: "Tut mir leid. Mehr kann ich nicht sagen."

© SZ vom 06.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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