Kultur:Der wahre Don Camillo

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Die Don-Camillo-Statue in Brescello. (Foto: Toni Heigl)

Vor 70 Jahren kam der erste Spielfilm der Reihe "Don Camillo und Peppone" ins Kino. Doch nur die wenigsten wissen: Die Figur Don Camillo ist nach einem katholischen Priester und Gefangenen des KZ Dachau benannt.

Von Ayça Balcı, Dachau

Wer die Namen Don Camillo und Peppone hört, hat sogleich die Schauspieler vor Augen, die sie verkörperten: Fernandel und Gino Cervi. Sie spielen in dem italienisch-französischen Komödien-Klassiker aus den 50er-Jahren den gewitzten, schlagkräftigen Dorfpfarrer Don Camillo und den kommunistischen Bürgermeister Giuseppe "Peppone" Battozzi. In dem fiktiven kleinen norditalienischen Dorf Boscaccio - in den Filmen sieht man die Kulisse von Brescello - vergeht kaum ein Tag, an dem sich die Erzfeinde nicht an den Kragen gehen. Dabei haben beide das gleiche Ziel: Sie wollen ihr Dorf in der Poebene sozial voranbringen und das Leben der armen Landarbeiter verbessern. Dabei setzen der Priester und der Kommunist, dessen Name "Peppone" übrigens eine Anspielung auf Stalin ist, allerdings auf sehr gegensätzliche Mittel.

Die beiden Romanfiguren gehören der Resistenza an

Die Erzählungen des italienischen Schriftstellers Giovannino Guareschi (1908-1968) aus dem fiktiven Dorf werden vor allem humoristisch wahrgenommen. Sie haben aber einen ernsten historischen Hintergrund, der vielen deutschen Zuschauern damals wohl kaum bewusst war - oder verdrängt wurde. Nachdem 1943 Mussolini entmachtet und Italien von den Deutschen besetzt worden war, schlossen sich im italienischen Widerstand (Resistenza) Katholiken, Kommunisten, Republikaner und Monarchisten zusammen. In der Region Reggio-Emilia, aus der Guareschi stammte, war der Kampf zwischen Partisanen und Faschisten sowie zwischen einzelnen Partisanengruppen besonders heftig. Auch Don Camillo und Peppone gehörten laut Roman der Resistenza an.

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Der italienische Autor benannte seinen Roman-Pfarrer nach Don Camillo Valota (1912-1998): Priester, Partisan und einst Gefangener der KZs in Mauthausen, Gusen und ab 1944 in Dachau. Als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus rettete er einigen Juden das Leben, indem er sie mit seiner Partisanengruppe über die Schweizer Grenze führte. Dabei geriet er jedoch ins Visier der Faschisten der Italienischen Sozialrepublik. Auf seinem Leidensweg in den Konzentrationslagern lernte er den Autor Guareschi kennen, der 1943 ebenfalls von den deutschen Besatzern mit anderen italienischen Soldaten in ein Gefangenenlager zuerst nach Polen, später nach Wietzendorf und Sandbostel in Niedersachsen geschickt wurde. Später würde er den Namen Valotas in seiner Romanreihe Don Camillo und Peppone verwenden. Ob Guareschi auch Charakterzüge Valotas in seine gewitzte Pfarrer-Figur einarbeitete, ist allerdings umstritten. Als wichtigstes Vorbild für seinen Don Camillo gilt Don Alessandro Parenti, ein Dorfpfarrer in Trepalle, bei dem Guareschi in der Entstehungszeit der Erzählungen häufig zu Gast gewesen sein soll.

Über die eineinhalb Jahre Gefangenschaft, aus der er mit nur 40 Kilo Körpergewicht zurückkehrte, schrieb Guareschi: "Hunger, Dreck, Kälte, Krankheiten, die verzweifelte Sehnsucht nach unseren Müttern und unseren Kindern, der tiefe Schmerz über das Unglück unserer Heimat haben uns nicht besiegt. Nie haben wir vergessen, zivilisierte Menschen zu sein mit einer Vergangenheit und einer Zukunft."

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