Demo:Zeichen für ein vielfältiges Bayern

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Der Demonstrationszug bewegt sich vom Unteren Markt auf die Ludwig-Thoma-Wiese in Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Eine Woche vor der Landtagswahl gehen in Dachau rund 250 Menschen auf die Straße, um für eine "Heimat ohne Ausgrenzung" zu demonstrieren. Sie verurteilen Queerfeindlichkeit und populistische Aussagen zum Thema Migration von Politikern rechter Parteien.

Von Walter Gierlich, Dachau

Die "Münchner Ruhestörung" führt den Demonstrationszug am Samstagnachmittag an. Zu den Klängen der Trommlergruppe ziehen knapp 250 Menschen vom Unteren Markt zur Thoma-Wiese, wo eine Kundgebung mit dem Titel "Heimat ohne Ausgrenzung!" stattfinden wird. Die Veranstalter - der Runde Tisch gegen Rassismus und die Partnerschaft für Demokratie - wollen zeigen, dass sich große Teile der Dachauer Zivilgesellschaft ein tolerantes, vielfältiges und demokratisches Bayern wünschen. Eine Woche vor der Landtagswahl machen verschiedene Redner deutlich, dass sie gegen Ausgrenzung von Minderheiten eintreten, wie sie von rechten Parteien und Populisten propagiert wird. Musikalisch begleitet wird die Kundgebung von der Band Jamaram, die für beste Stimmung unter den Besuchern sorgt.

"Dachau bleibt bunt" sowie "Kein Platz für Rassismus" ist auf einem Transparent an der Bühne zu lesen. Als erster steht dort oben der Slam-Poet Samuel Otto aus dem Allgäu, der dem Publikum zu Beginn deutlich macht, wie leicht Menschen manipulierbar sind: Als er die Zuhörer auffordert, laut zu schreien, passiert genau das. Niemand hinterfrage warum, alle folgten einfach dem Kommando. Später wird er über die in weiten Teilen rechtsextreme AfD reimen: "Sie gehen in die Offensive und behaupten, wir brauchen eine Alternative. Doch die Alternative von Demokratie ist Diktatur."

"Das AfD-Programm steht gegen alles, wofür ich stehe"

Den ersten Redebeitrag liefert Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Er zeigt auf, wie das bayerische "Heimatbild von Klischees und Stereotypen geprägt ist und jede Abweichung als Störung empfunden wird". Gefährlich werde das dann, wenn daraus Ausgrenzung und Rassismus entstünden. "In Dachau leben Menschen aus 131 Ländern und für alle sind Dachau und Bayern ihre Heimat", sagt der OB und betont: "Eine vielfältige, demokratische und tolerante Heimat."

Pamela Burandt von der Seebrücke Dachau setzt sich dafür ein, "dass die Geflüchteten hier eine Heimat finden". Für sie selbst sei Heimat etwas Selbstverständliches. "Ich weiß nicht, wie es ist, seine Heimat zu verlieren oder eine neue Heimat suchen oder gar in eine neue flüchten zu müssen." Sie ist unzufrieden mit der derzeitigen Migrationspolitik. "Wir können den Menschen eine Heimat geben, können sie ihnen aber auch wieder nehmen, indem wir sie abschieben, selbst wenn sie hier gut integriert sind, oder können sie gar schon an den Außengrenzen abweisen", sagt Burandt und appelliert: "Machen wir Dachau zu einem sicheren Hafen."

Teilnehmer der Kundgebung beziehen mit selbstgebastelten Schildern Stellung gegen Rechts. (Foto: Toni Heigl)
Die Reggae-Band "Jamaram" setzt ein musikalisches Zeichen für Weltoffenheit... (Foto: Toni Heigl)
...genauso wie die Trommelgruppe "Münchner Ruhestörung". (Foto: Toni Heigl)
Pamela Burandt von der Seebrücke will Dachau zu seinem sicheren Hafen für Geflüchtete machen. (Foto: Toni Heigl)
Die Stimmung auf der Volksfestwiese ist entspannt, friedlich und fröhlich. (Foto: Toni Heigl)

Ausgrenzung erleben aber auch Menschen wie Jona Ott. Jona Ott lebt als non-binäre Person und hat den ersten Christopher Street Day in Dachau mitorganisiert. Auch in der Mitte der Gesellschaft werde Stimmung gegen queere Menschen gemacht, betont Jona Ott eindringlich, etwa durch die Verwendung des Wortes "Gendergaga". Der Kampf gegen die Zunahme von Gewalt gegen queere Menschen oder für eine bessere Krankenversorgung für Nichtbinäre sei wichtiger als der Kampf gegen Gendersprache. Als abschreckendes Beispiel nennt Jona Ott, dass die CDU in Sachsen Gendersprache in Politik, Behörden und öffentlich-rechtlichen Medien verbieten möchte. Jona Ott hält es jedoch für wichtig, dass auch an Schulen darüber geredet werde, "dass es Menschen wie mich gibt". Kritik übt Jona Ott an den Ampelparteien, die sich von der Queerfeindlichkeit hätten beeinflussen lassen und nun "ein sehr verwässertes Gesetz" zur geschlechtlichen Selbstbestimmung lieferten.

In Kontrast zu den ernsten Themen der Reden sorgen nun Jamaram knapp 20 Minuten lang für fröhliche Ausgelassenheit beim Publikum, die das sonnige Wetter noch unterstreicht. Die achtköpfige Band aus München tritt mit ihrer Mischung aus Ska, Reggae, Latin und Afrobeat seit 20 Jahren für Weltoffenheit ein und unterstützt beispielsweise auch soziale Projekte in Afrika. In Anspielung auf den Slogan "Dachau bleibt bunt" ruft Sänger Tom Lugo das Publikum auf, den Song "Let's go back to the rainbow" mitzusingen.

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Kommentar von Walter Gierlich

Danach wird die Stimmung wieder ernst, als Landrat Stefan Löwl (CSU), der als einziger Politiker seiner Partei auf der Volksfestwiese zu sehen ist, die Bühne betritt. "Es ist traurig, dass wir unsere Stimme gegen Rassismus und Ausgrenzung erheben müssen", sagt er. Was lasse sich dagegen tun? Menschen nicht in Schubladen stecken, sondern "jeden Einzelnen so akzeptieren, wie er ist". Teile man Menschen in Gruppen ein, grenze man sie aus, antwortet er auf seine eigene Frage.

Deutlich offensiver wird die Münchner DGB-Vorsitzende Simone Burger in ihren Ausführungen: "Wir Gewerkschafter kämpfen darum, wie wir das Leben der Menschen besser machen können. Wir kämpfen für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit." Rechte Parteien und Populisten hingegen böten keine Lösungen, holten vielmehr das Schlechteste aus den Menschen heraus und schürten die Angst. "Das AfD-Programm steht gegen alles, wofür ich stehe", betont sie, "hier braucht es Widerspruch, dass wir in so einer Gesellschaft nicht leben wollen".

Geradezu heiter klingen die Redebeiträge aus, als der ehemalige Dachauer Kreis- und oberbayerische Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler satirisch beleuchtet, was es mit dem hiesigen "Mia san mia" so auf sich habe. Das Volk, das hier lebe, sei von Beginn an von Migration geprägt: durch römische Legionäre, keltische Einwanderer, germanische Einsprengsel aus Böhmen, schwedische Landsknechte bis hin zu amerikanischen GIs. Die Religion wurde von einem aramäisch sprechenden Vorderasiaten gestiftet und von Iren und Schotten hier verbreitet, Gotik sei aus Frankreich herübergeweht, Barock aus Italien. Das Mia-san-mia-Symbol, der FC Bayern, "ist ein Seppl-Kult mit fast hundert Prozent Nichtbayern".

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