Alles ging rasend schnell, als im Dezember der erste Impfstoff gegen das Coronavirus so etwas wie ein kollektives Weihnachtswunder auslöste. Innerhalb von nur knapp einer Woche stellten das BRK Dachau und die Johanniter in Karlsfeld jeweils ein funktionstüchtiges Impfzentrum auf die Beine. Aufregung, Vorfreude und große Erwartungen trieben die Helfer bei ihrer Meisterleistung an. Vom überschwänglichen Elan aller ist nun jedoch nur noch wenig zu spüren, stattdessen machen sich Ernüchterung und Enttäuschung breit. Nicht nur, weil die Impfquote nur noch langsam steigt, sondern auch, weil die entsprechenden Strukturen ab Oktober deutlich reduziert werden.
Paul Polyfka, Kreisgeschäftsführer des BRK Dachau berichtet, dass das Landratsamt vergangene Woche die Bitte an seine Organisation und die Johanniter gerichtet habe, eine Kostenaufstellung für ein reduziertes Impfangebot einzureichen. Demnach sollen beide Organisationen je zwei mobile Teams an vier Werktagen stellen, auch eine Telefonhotline soll es geben. Mit einem Vorlauf von sieben Tagen sollen bis zu zwei weitere Teams bereitstehen. Eine Entscheidung über die eingereichten Angebote für die mobilen Teams soll laut Polyfka und Sina Török, Sprecherin des Landratsamts, noch in dieser Woche fallen. Keine Rede ist dahingegen mehr von den stationären Impfzentren in Dachau und Karlsfeld: Deren Verträge laufen mit 30. September aus und werden nicht verlängert. Insgesamt wird die Impfkapazität, die BRK und Johanniter bisher zur Verfügung gestellt haben, somit auf etwa 30 Prozent reduziert, schätzt Polyfka.
Die Enttäuschung über diese Entwicklung kann der BRK Kreisgeschäftsführer selbst am Telefon nicht verbergen. Denn andere Lösungsmöglichkeiten, etwa einen kostenlosen "Standby-Betrieb" des Rotkreuzhauses in der Hinterhand, hatte Polyfka durchaus vorgeschlagen. Zwar gehen auch andere Landkreise denselben Weg wie Dachau, doch längst nicht überall wird der Betrieb der Impfzentren vollständig eingestellt, weiß Polyfka: "Es gibt auch deutlich kreativere, mutigere Konzepte." Auch im Bericht aus der Sitzung des bayerischen Kabinetts von Ende Juli, in der die bayernweite Impfstrategie angepasst wurde, ist die Rede von "bewährten Impfzentren", deren Betrieb die Staatsregierung "in angepasster Kapazität" bis 30. April 2022 verlängern wollte.
Meinung Impfzentren:Kurzsichtige Entscheidung
Mit der Entscheidung, künftig nur noch auf mobile Impfteams zu setzen und die bestehenden Impfzentren nicht weiter zu betreiben, zeigt Landrat Stefan Löwl fehlende Weitsicht.
Liegt es also an Landrat Stefan Löwl (CSU), dass es im Landkreis bald kein Impfzentrum mehr geben wird? Polyfka ist sich nicht sicher und sagt nur so viel: "Es ist wirklich schade, dass sich die öffentliche Hand auf so eine optimistische Prognose stützt. Ich bin zwar selber Optimist, aber ich habe aus der Vergangenheit gelernt." In einem Punkt kann Polyfka seinen Groll auf den Landrat aber nicht verheimlichen: "Es herrscht schon sehr viel Gelassenheit." Denn nur noch drei Wochen bleiben, um Arbeitsverträge zu verlängern, Strukturen umzubauen, Abläufe umzuorganisieren - doch feste Vereinbarungen, auf die man sich stützen könnte, gibt es noch nicht.
Im Landratsamt ist derweil keine Eile zu spüren, vielmehr sagt Pressesprecherin Török: "Unsere Erfahrung ist, dass wir relativ schnell und flexibel anpassen können." Polyfka bezweifelt indes eher, dass ähnliche Hauruck-Aktionen wie im Dezember wieder möglich wären: "Das Startup-Feeling, das Gefühl der Wende ist nicht mehr da". Stattdessen würde im Moment "der Kohlewaagen von der Dampflok abgehängt" und funktionierende Strukturen zerstört.
Doch nicht nur die Sorge um das Impfen stimmt den BRK-Kreisgeschäftsführer derzeit nachdenklich. Auch wie es mit den Teststationen weitergeht, ist im Moment noch völlig offen. Denn mit Einführung der kostenpflichtigen Tests für Ungeimpfte ab 11. Oktober steht das BRK vor ganz neuen Herausforderungen: Kassensysteme und Abrechnung, Buchhaltung und Mahnwesen seien für die gemeinnützige Organisation im Normalfall kein Thema. "Wir unterstützen ja eigentlich nur, wo wirklich Not am Mann ist", sagt Polyfka. Zwar wäre es denkbar, nachträglich ein Bezahlsystem ins Online-Buchungsportal zu integrieren, doch der Kreisgeschäftsführer befürchtet, dass es dabei zu technischen Problemen kommen könnte. Er hofft deshalb, dass sich im BRK Landesverband eine Lösung findet, deutet jedoch schon vorsichtig an, dass selbst Landkreise wie das Berchtesgadener Land, in denen auf Grund des Grenzverkehrs überaus viel getestet werde, vor dem kostenpflichtigen Angebot zurückschreckten und es deshalb sein könnte, dass sich der Aufwand für das BRK nicht lohne. "Vielleicht gibt es auch ein Mittelding und wir machen erst mal dicht, bis wir eine gute Lösung kopieren können", sagt Polyfka. Bis zum 29. September werde man noch verschiedene Möglichkeiten prüfen und dann intern über die Zukunft der drei BRK-Teststationen im Landkreis entscheiden.