Coronavirus:Ärger über Impfchaos

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Die 2G-Regelung hat zu einem Ansturm auf die Impfstationen geführt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die 2G-Regel hat einen Ansturm auf die mobilen Teams von BRK und Johannitern ausgelöst. Lange Warteschlangen, zu wenig Vakzin für alle und Personalknappheit haben eine Flut von Beschwerden zur Folge. Das Landratsamt beschwichtigt.

Von Eva Waltl, Petershausen

Auch wenn es zwischenzeitlich im Landkreis Dachau beim Impfen sehr gesittet zuging, so herrscht jetzt wieder Chaos. Seit Einführung der 2G-Regel in Bayern, die in fast allen Bereichen greift, ist der Ansturm auf das hiesige Impfangebot groß. Eine Flut an Impfwilligen, auf die das Personal und die zur Verfügung stehenden Kapazitäten nicht vorbereitet sind. Bürger im Landkreis erzählen von unorganisierten Zuständen und erfolglosen Versuchen, an die begehrte Impfung zu gelangen, wo diese doch mit steigenden Inzidenzen und Patienten auf Intensivstationen noch einmal dringlicher wird. Eine vergebliche Suche nach der Impfung.

Hermann-Josef Mehring, 68 Jahre, lebt in Petershausen. Bereits im Frühjahr erhielt er seine Erst- und Zweitimpfung. Nun möchte er sich, wie für Menschen in seiner Altersgruppe empfohlen und in einem Landkreis lebend, dessen Inzidenz bei 527,34 (Stand Donnerstag) liegt, eine Boosterimpfung geben lassen. Ein Vorhaben, das für Mehring beschwerlich wird und ihm die hiesigen Missstände der Impforganisation aufzeigt.

Mehring erzählt von zwei Versuchen, an den Impfstoff zu kommen - zwei erfolglosen Versuchen. Vergangene Woche erlebt er in Petershausen "die Katastrophe", wie er sagt. Bei einem Termin des mobilen Impfteams warten etwa 50 bis 60 Personen in der Schlange vor dem Container. Knapp drei Stunden steht auch Mehring dort. "Ich stand bereits kurz vor dem Container, als die Meldung kam, der Impfstoff sei aus", erzählt er enttäuscht. Während die Temperaturen in den winterlichen Bereich sanken, seien immer mehr Bürger gekommen, um eine Spritze zu erhalten. "Es war eine ganze Schlange Menschen jeden Alters, die vergeblich wartete." Einen Blick in den Container konnte er aber noch erhaschen und erzählt, dass die Menschen zusammengepfercht "wie in einer Sardinendose" gestanden hätten. Abstandsregeln hätten in dem Container unmöglich eingehalten werden können.

Das zuständige Impfteam des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) bestätigt die geschilderte Situation. Paul Polyfka, Geschäftsführer des Kreisverbandes Dachau, bedauert, dass "die Strukturen nicht ausgereicht hätten, um alle Impfwilligen in Petershausen zu versorgen." Er sieht die Verantwortung aber nicht beim Personal vor Ort, sondern beim Landratsamt. Das BRK sei nur die "rein ausführende Organisation". Man sei von der neuen 2G-Regelung schlicht überrascht worden, heißt es unterdessen im Landratsamt. Man hätte keinerlei Vorlaufzeit gehabt, um sich auf den Ansturm vorzubereiten. Es ergibt sich also eine Aneinanderreihung von Schuldzuweisungen. Das ärgert Mehring. Er erläutert in ausführlichen E-Mails seine Erfahrung und erhält sowohl vom Petershausener Bürgermeister Marcel Fath (FW) als auch von Polyfka nicht mehr als tröstende Worte. "Niemand hat mir konkret geraten, was ich tun sollte", sagt er - noch immer ohne gesundheitswichtige Drittimpfung. Man würde einfach ratlos zurückgelassen. Von Landrat Stefan Löwl (CSU) bekam er keine Antwort.

Mehring ist allerdings nicht der einzige, der von "Chaos hoch drei" bei der Impfvergabe im Landkreis spricht. Die Stimmen der Bürger über zu lange Wartezeiten im Freien bei kalten Temperaturen, Missachtung der Abstandsregelungen, unkoordiniertes Impfangebot, mangelhafte Kommunikation und letztendlich auch kein vorhandener Impfstoff werden lauter. Sina Török, Sprecherin des Landratsamts Dachau, bestätigt, es hätte "sehr viel Feedback" gegeben und sie hätte bereits mit "vielen Betroffenen telefoniert". Die Verärgerung der Bürger könne sie verstehen. Aber das Landratsamt benötige mehr Zeit, um das Chaos zu beseitigen, Personal zu rekrutieren und Impfstoff zu besorgen. Besondere Schwierigkeiten sieht auch Polyfka bei der Personalfrage. Es werde sich "schwierig gestalten, so kurz nach der Schließung der stationären Impfteams", das notwendige Personal wieder aufzubringen. Dennoch ist man im Landratsamt optimistisch, dass sich die Lage stabilisieren wird. "Mit der Wiedereinführung von Impfterminen werden Wartezeiten im Optimalfall komplett vermieden", sagt Török. Zudem soll die Impfkapazität erhöht werden. Török hofft, dass von Anfang Dezember an 3000 Impfdosen pro Woche zur Verfügung stehen. Der BRK-Kreisgeschäftsführer wünscht sich seitens der Politik mehr Unterstützung für das Impfpersonal vor Ort. Für ihn wäre der beste Weg, die Impfzentren wieder zu eröffnen. Das würde zumindest das Witterungsproblem lösen. Und sein Wunsch wird nun offenbar erhört: Nachdem Löwl sich lange gegen eine Neuauflage der Impfzentren ausgesprochen hatte, soll es neben dezentralen Angeboten nun doch auch wieder stationäre Impfangebote geben, etwa am Rotkreuzplatz in Dachau. Mehring hat sich nun für kommende Woche einen Impftermin bei seiner Hausärztin gesichert. "Als ich erfahren habe, dass ich endlich einen sicheren Impftermin habe, fiel all die Anspannung von mir ab", erzählt er.

© SZ vom 19.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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