Bergkirchen:Auf den letzten Drücker

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An der Indersdorfer Gabel hat es auch 2022 oft gekracht - bis im November endlich eine Ampel installiert wurde. (Foto: Polizei Dachau)

An der Indersdorfer Gabel stoßen nicht nur zwei Staatsstraßen zusammen, hier ereignen sich auch ungewöhnlich viele schwere Verkehrsunfälle. Eine Ampel soll nun Abhilfe schaffen.

Von Gregor Schiegl, Bergkirchen

Dort, wo die Staatsstraße 2050 aus Markt Indersdorf in die Staatsstraße 2047 mündet, krachen regelmäßig Autos ineinander, frontal oder - was oft noch fataler ist - in die Seite. Im vergangenen Jahr ereigneten sich im Bereich der sogenannten Indersdorfer Gabel nach Angaben der Dachauer Polizei 21 Verkehrsunfälle. Bei elf Unfällen wurden Menschen verletzt. Insgesamt waren 2021 sechs Schwerverletzte und 18 Leichtverletzte zu beklagen.

Thomas Jakob, Pressesprecher des Staatlichen Bauamts Freising, ist selber schon mal rausgefahren zu dieser berühmt-berüchtigten Stelle. Die Fahrspuren sind breit, die Sicht ist frei. Da fragt man sich natürlich: Warum verunglücken hier so viele? Das hat sich Jakob auch gefragt: "Es ist mir ein Rätsel." Die Unfallkommission, bestehend aus Kreis-Verkehrsbehörde, Staatlichem Bauamt Freising und Polizei Dachau, hat die Stelle schon mehrfach bei Ortsterminen inspiziert und hat sich angeschaut, was da eigentlich passiert. Schon fast typisch sind die Crashs mit Linksabbiegern: Entweder kollidieren die Linksabbieger aus Stetten, die Richtung Assenhauser Berg wollen, mit entgegenkommenden Fahrzeugen. Oder Linksabbieger aus Indersdorf krachen mit den Fahrzeugen auf der Staatsstraße 2047 zusammen. "Ich fühle mich auch immer ein bisschen unsicher, wenn ich da rausfahre", sagt eine Autopendlerin aus Vierkirchen. Es ist einfach zu viel Verkehr, das sagt auch die Polizei.

"Die brettern da oft immer noch mit 90 durch"

"Dieser Knotenpunkt gehört zu einer der am stärksten frequentierten Hauptverkehrsadern des Landkreises Dachau", heißt es aus der Verkehrsabteilung der Polizeiinspektion Dachau. "Zunehmendes Verkehrsaufkommen führt hier insbesondere zu den Stoßzeiten zu einer erhöhten Belastung und zu erhöhtem Verkehrsdruck, welche individuell fehlerhaftes Fahrverhalten begünstigen." Bei 14 Unfällen ordneten die Beamten die Ursache einem "Fehlverhalten beim Linksabbiegen" zu.

Viele Autofahrer versuchen, noch in eine freie Lücke zu stoßen, und genau darin scheint das Problem zu liegen: Dass die, die abbiegen, nicht schnell genug sind. Beziehungsweise, dass die anderen zu schnell sind. Inzwischen wurde die Höchstgeschwindigkeit auf der Strecke schon auf 60 Stundenkilometer heruntergeschraubt, sicherheitshalber hat man extra noch ein Stoppschild für abbiegende Autofahrer aufgestellt. Gebracht hat auch das nichts. Vermutlich auch, weil es die meisten Autofahrer auf der Strecke mit mit dem Tempolimit nicht so genau nehmen. Warum nur 60 fahren, die Strecke ist ja schnurgerade? "Die brettern da oft immer noch mit 90 durch", hat Jakob beobachtet. Das hat die Polizei auch schon festgestellt: "Bisher mussten 203 Verkehrsteilnehmer beanstandet werden." Die Geschwindigkeitskontrollen werde man weiter fortsetzen.

Schon seit Monaten ist klar: Man muss diese überlastete Kreuzung umbauen, sonst wird das nichts. Die Gemeinde Bergkirchen hat bereits Grundstücksverhandlungen mit den Eigentümern der umliegenden Flächen aufgenommen, damit man in halbwegs überschaubarer Zeit einen Verkehrskreisel errichten kann. Das Staatliche Bauamt Freising hat sich aber nun überraschend für eine andere Lösung entschieden: eine Ampel.

Staatsstraßen, die relativ große Verkehrsströme bewältigen müssen, auf freier Strecke mit solchen Lichtanlagen auszustatten, ist nicht unbedingt üblich, aber so ungewöhnlich ist es nun auch nicht: Eine Ampelanlage gibt es beispielsweise an der Einmündung der Autobahnausfahrt Dachau/Fürstenfeldbruck in die B 471 oder westlich von Oberschleißheim, ebenfalls an der B 471, auf Höhe der Ruderregattastrecke. Und die Entscheidung, diesen Lösungsweg bei der Indersdorfer Gabel zu beschreiten, ist nicht nur so eine Idee, was man noch machen könnte. Sie fußt auf den Ergebnissen eines Verkehrsgutachtens, das das Staatliche Bauamt in Auftrag gegeben hat und das auch der SZ Dachau vorliegt.

Zusätzliche Verkehrsschilder an der Gabelung haben zu keiner merklichen Verbesserung beitragen können. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Büro Gevas Humberg & Partner wurde mit der Untersuchung von mehreren "Optimierungsmöglichkeiten" für den unfallträchtigen Verkehrsknotenpunkt beauftragt. Dazu gehörten neben zwei Modellen mit Ampeln auch ein Kreisverkehr, eine Änderung der Vorfahrtsrichtung und ein "teilplanfreier Knotenpunkt". Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich ein großflächiger Umbau der Kreuzung inklusive zusätzlichem Brückenbauwerk, bei dem sich dann keine Spuren mehr kreuzen. Der Verkehr würde wie bei einem Autobahnkreuz von einer Seitenspur eingefädelt. Diese Variante wäre aufwendig, würde viel Fläche verbrauchen und womöglich erst recht zu schnellem Fahren verleiten. Sie wurde wieder verworfen.

Und der Verkehrskreisel? Den hat man natürlich auch als Option in Betracht gezogen. In seiner Leistungsfähigkeit bekam er im Gutachten die Schulnote 3: "befriedigend". Klingt eigentlich ganz okay. Aber man muss auch in die Zukunft schauen: Der Landkreis Dachau gehört zu den am schnellsten wachsenden in der Bundesrepublik. Gerade im noch eher dünn besiedelten ländlichen Nordteil gibt es großes Potenzial für Wohnungsbau. Man sieht es, wenn man durch die Orte fährt: Überall entstehen Neubaugebiete. Entsprechend stark dürfte der Verkehr auf den Staatsstraßen in den nächsten Jahren zunehmen. Die Ingenieure haben nicht nur zugrundegelegt, wie viele Autos jetzt auf den Straßen unterwegs sind - wegen der Corona-Pandemie ist die Zahl gerade ohnehin etwas kleiner als unter Normalbedingungen. Die Maßnahmen wurden auch daran gemessen, wie sie mit den Blechlawinen zu Rande kommen, die für das Jahr 2035 prognostiziert werden.

Der Verkehr auf den Straßen nimmt weiter zu

Auf der Staatsstraße 2050 könnten laut Gutachten in 13 Jahren pro Tag statt knapp 9300 fast 11 000 Fahrzeuge unterwegs sein, auf der Staatsstraße 2047 nördlich der Gabel statt rund 10 500 mehr als 14 000 und auf der Staatsstraße 2047 südlich der Gabel mehr als 23 000, derzeit sind es rund 18 400. Sollte die Dachauer Nordumfahrung bis dahin realisiert sein, gehen die Experten sogar von Werten aus, die jeweils noch einmal gut zehn Prozent höher liegen. Ein Kreisel würde ein solches Verkehrsaufkommen nur mit Bypässen verkraften, die alle Verkehrsteilnehmer am Kreisel vorbeiführen, die beim nächsten Kreiselabzweig sowieso schon wieder abfahren. Das wäre aber mit einem deutlich erhöhten Flächenbedarf verbunden. "Wir sind angehalten, eine möglichst sparsame Lösung zu wählen", sagt Thomas Jakob.

Nach Ansicht der Gutachter könnte die Ampel den Verkehr auch im Jahr 2035 mit noch "ausreichender" Leistungsfähigkeit abwickeln. In diesem Fall heißt das konkret, dass man als Autofahrer damit rechnen kann, zu Stoßzeiten an der Ampel weniger als 70 Sekunden aufgehalten zu werden. Das klingt nicht unbedingt nach freier Fahrt, aber die anderen Lösungsvarianten schneiden auch nicht wesentlich besser ab, teilweise sogar schlechter. "Sollte sich herausstellen, dass es nicht reicht, muss man eben nachbessern", sagt Jakob.

Wann die Ampel in Betrieb geht, steht noch nicht genau fest. Die Zielvorgabe lautet: "So schnell wie möglich". Thomas Jakob hofft, dass es noch in der ersten Jahreshälfte klappt. Hohe Hürden sind bei einer so überschaubaren Maßnahme nicht zu überwinden. Die notwendigen Flächen zum Aufstellen der Ampel und für den Stromanschluss befinden sich bereits in staatlichem Besitz, langwierige Grundstücksverhandlungen entfallen also. Nur die Ausführungsarbeiten müssen noch ausgeschrieben werden, und weil es darin gesetzliche Fristen einzuhalten gibt, kann es sich doch noch mal etwas länger hinziehen. Bis dahin heißt es, besonders vorsichtig fahren und lieber auf eine größere Lücke im Verkehr warten. Besonders acht geben sollte man von Dienstag bis Freitag zu den Zeiten des täglichen Berufsverkehrs. Da kracht es nach der Unfallstatistik der Polizei an der Indersdorfer Gabel nämlich am häufigsten.

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